FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2016

294 www.fondsprofessionell.de | 2/2016 fonds & versicherung I betriebliche altersvorsorge Foto: © Blickfang | Fotolia, Heysenberg M ichael Schwerdtle kann sich noch gut an die Zeiten erinnern, als er selbst Inhaber eines mittelständischen Un- ternehmens war. Wie die meisten Firmenlen- ker im Mittelstand war er eng mit der Firma verbunden, kümmerte sich um viele Belange persönlich und hatte ständig alle Hände voll zu tun. Für eines nahm er sich aber keine Zeit: die betriebliche Altersvorsorge, kurz bAV. „Es hat mich total genervt, wenn alle paar Wochen ein Versicherungsvermittler kam und mir erklärte, ich müsse unbedingt etwas für die Altersversorgung meiner Angestellten tun“, erzählt Schwerdtle. Heute ist er Geschäftsführer der Finanz- beratung Heysenberg in Köln und Experte für bAV-Themen. „Damals war mir das alles zu kompliziert“, sagt Schwerdtle. So- lange die Mitarbeiter nicht nach einer bAV fragten, sprach er das Thema nicht an. Genau wie Michael Schwerdtle damals geht es vielen kleinen und mittelständi- schen Unternehmen bis heute. Sie haben keine ausreichenden personellen Kapazitä- ten, keine Expertise für die scheinbar sehr komplexe Thematik der bAV. Darum rea- gieren sie höchstens, wenn ein Mitarbeiter das Thema von sich aus anspricht. Starke Diskrepanz Zahlen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales belegen die Diskrepanz: Wäh- rend große Mittelständler und Konzerne fast zu 100 Prozent eine betriebliche Altersvorsor- ge anbieten, beläuft sich der Anteil bei den kleinen und mittleren Unternehmen auf etwa ein Drittel. Häufige Gründe sind ein geringes Interesse auf Seiten der Unternehmen und fehlende finanzielle Mittel bei den Arbeitneh- mern, wie Umfragen zeigen (siehe Grafiken auf dieser und der nächsten Seite). Insgesamt liegt der sogenannte Durchdringungsgrad der bAV in Deutschland bei knapp 60 Prozent. In Ländern wie Schweden oder den Niederlan- den liegt die Quote bei über 90 Prozent. Diese Zahl würde Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) auch in Deutschland gern erreichen. Daher hatte sie bereits im Herbst 2014 das „Sozialpartnermodell“ vor- gestellt, das die bAV reformieren soll. Nach- dem der Vorschlag auf harte Kritik auf Seiten der Arbeitgeberverbände und der Versicherer gestoßen war, wurde es erst einmal ruhig um die bAV-Pläne. Seit die Politik im Frühjahr dieses Jahres die Altersvorsorge als mögliches Wahlkampf- thema entdeckt hat, kommt jedoch wieder Schwung in die Diskussion. Nahles hat ihr Konzept überarbeitet, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) stellt kleinen und mittleren Unternehmen sowie gering verdie- nenden Arbeitnehmern Steuererleichterungen in Aussicht. Kein Plus für Berater und Makler Inzwischen liegen auch zwei Gutachten vor, die das Reformprojekt aus unterschied- lichen Perspektiven beleuchten und Eck- punkte festlegen. Je nachdem, wie das Ge- samtpaket, das offenbar noch in diesem Herbst vorgestellt werden soll, geschnürt wird, könnte es erhebliche Vorteile für die Fondsgesellschaften mit sich bringen. Dagegen wehrt sich die Assekuranz. Doch wie das Tauziehen um die bAV auch aus- geht: Mutmaßlich werden sich weder Finanzberater noch Versicherungsmakler auf der Gewinnerseite wiederfinden. Mit dem Sozialpartnermodell möchte Nahles den fünf Durchführungswegen der bAV – Unterstützungskasse, Pensionskasse, Pensionsfonds, Pensionszusage und Direkt- versicherung – einen sechsten hinzuzufü- gen. So sollen Gewerkschaften und Arbeit- Bleibt es bei den aktuellen Plänen der Bundesregierung zur Reform der betrieblichen Altersversorgung, könnten Fondsgesellschaften der Assekuranz den Rang ablaufen. Tauziehen um die bAV Noch ein Ruck, dann steht der Gewinner fest: Wenn die große Koalition ihre Pläne zur Reform der betrieblichen Alters- vorsorge umsetzt, bekommen die Versicherer einen harten Gegner: die Fondsgesellschaften. Kein großes Interesse Antworten auf die Frage, ob in den kommenden zwölf Monaten ein bAV-Vertrag abgeschlossen werden soll Für 44 Prozent der 1.001 befragten Arbeitnehmer war eine bAV auf Sicht von zwölf Monaten kein Thema. Quelle: Yougov bAV-Report 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % weiß nicht / k.A trifft überhaupt nicht zu trifft eher nicht zu trifft eher zu trifft voll zu 44 % 29 % 9 % 2 % 16 % bAV-Abschluss- bereitschaft 2015: 11 %

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