FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2016

296 www.fondsprofessionell.de | 2/2016 steuern & recht I mifid II Foto: © VanderWolf Images | Fotolia W er heute Anlageberater fragt, was die EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid II ihrer Meinung nach für sie bedeuten wird, erntet oftmals betretenes Schweigen. Die meisten haben immerhin gehört, dass künftig keine Provisionen behalten darf, wer sich „unabhängig“ nennt – aber auf dieses Wörtchen lässt sich in der Werbung ja leicht verzichten. Ansonsten folgt meist der Hinweis, Mifid II sei ja verschoben worden, außerdem stehe die Umsetzung in nationales Recht noch aus. Soll heißen: Noch sind die Details gar nicht bekannt, und die Regeln gelten ohnehin erst ab 2018 – also keinen Stress, bitte. Richtig ist, dass die Mifid II tatsächlich erst am 3. Januar 2018 in Kraft treten wird, ein Jahr später als ursprünglich geplant. Das mit den angeblich noch unbekannten Details stimmt allerdings nur zum Teil. Der Bundes- tag hat zwar noch gut ein Jahr Zeit, um die Regeln ins Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) und andere Vorschriften zu gießen. Was dort zu lesen sein wird, steht für wichtige Teile der EU-Finanzmarktrichtlinie aber schon ziemlich präzise fest. Im April hat die Europäische Kommission nämlich wichtige „delegierte Rechtsakte“ zur Mifid II vorgelegt, die unter anderem den Umgang mit Provisionen und Details zur Produktüberwachung regeln. Bei der Umsetzung in nationales Recht haben die Parlamente der EU-Staaten kaum Spielraum. „Es wird eine Eins-zu-eins-Umsetzung ge- ben“, erwartet Christian Waigel, Partner der Münchner Kanzlei Waigel Rechtsanwälte. Darum lassen sich heute schon Prognosen darüber anstellen, wie Mifid II den Markt der Anlageberatung umkrempeln wird. Es handelt sich dabei nicht um gesicherte Erkenntnisse – in anderthalb Jahren bis zum „Scharfstellen“ der Richtlinie kann noch viel passieren –, aber doch um mehr als pure Mutmaßungen. Dabei kristallisieren sich unter anderem drei Trends heraus: Erstens gehört der reine Produktver- kauf, das „Hit and Run“, wohl endgültig der Vergangenheit an. Denn künftig wird ein Be- rater nicht mehr umhinkommen, seine Kun- den tatsächlich dauerhaft zu betreuen. Das und andere Vorschriften befeuern den zweiten Trend: Die Verbreitung von Honorarmodellen wird deutlich zunehmen, nicht unbedingt aus Überzeugung, sondern vielmehr aus betriebs- wirtschaftlicher Notwendigkeit. Und drittens wird die Zusammenarbeit von Fondsanbietern und Vertriebspartnern deutlich enger sein als heute. Eine wirklich „offene Architektur“ dürfte zur Ausnahme werden. Regimewechsel in Sicht Mifid II stellt den Grundsatz auf, dass Pro- visionen nur erlaubt bleiben, wenn sie dazu bestimmt sind, die Qualität der Dienstleistung zu heben. Für Banken und Bafin-beaufsich- tigte Finanzdienstleistungsinstitute ist das im Prinzip nichts Neues. In Paragraf 31d WpHG steht schon seit Jahren, dass Zuwendungen verboten sind, es sei denn, sie sind „darauf ausgelegt, die Qualität der für den Kunden erbrachten Dienstleistung zu verbessern“. Die- se Vorschrift wird künftig auch für Finanzan- lagenvermittler mit Erlaubnis nach Paragraf 34f Gewerbeordnung gelten. Denn Mifid II erlaubt den Staaten zwar, Parallelwelten wie die des 34f-Beraters aufrechtzuerhalten, aber nur wenn dort die gleichen Regeln gelten wie für regulierte Institute, wie Waigel erläutert. In einer der delegierten Richtlinien konkre- tisiert die EU-Kommission nun, wann das Ge- bot der Qualitätsverbesserung erfüllt ist. Dem- nach muss es sich um eine „zusätzliche oder höherrangige Dienstleistung für den jeweili- gen Kunden“ handeln, „die in angemessenem Verhältnis zum Umfang der erhaltenen An- reize steht“. „Reine Pro-forma- oder Fake- Dienstleistungen auf niedrigem Niveau recht- fertigen keine substanzielle Provisionszah- lung“, betont Waigel. Die EU-Kommission gibt einige Beispiele, wie eine solche Dienst- leistung aussehen kann (siehe Kasten nächste Seite). Wichtig auch: Die Dienstleistung muss kontinuierlich angeboten werden, nicht nur einmalig. „Wer laufend Provisionen erhalten will, muss den Kunden betreuen oder zumin- dest irgendeine Dienstleistung mit Wert er- bringen“, so Waigel. Dem Kunden einen Fonds empfehlen und dann nichts mehr von sich hören lassen – das geht künftig nicht mehr. Zumindest dann nicht, wenn der Ver- mittler dafür eine Provision erhalten möchte. Konsequent zu Ende gedacht läuft das auf einen Regimewechsel hinaus. Denn heute gilt: Sobald der Fonds im Depot des Kunden ge- landet ist, muss sich der Anlageberater nicht mehr um das Investment kümmern. „Auf- sichtsrechtlich ist die laufende Betreuung Wer die Mifid-II-Rechtsakte liest, erahnt, wie die EU-Richtlinie den Markt durch- schütteln wird: Viele Banken und Berater dürften auf Gebührenmodelle umstellen. Weckruf aus Brüssel Gebäude der Europäischen Kommission in Brüssel: Im April hat die oberste EU-Behörde erste „delegierte Rechtsakte“ vorgelegt, mit denen sie allgemein gehaltene Teile der Finanzmarktrichtlinie Mifid II präzisiert.

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