FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2016

4 www.fondsprofessionell.de | 2/2016 brief der herausgeber A ktien waren jetzt einige Jahre lang alternativlos, jedenfalls hat man uns das erzählt. In Wahrheit konnte man mit Anleihen in dieser Zeit dank der Zinstalfahrt durchaus gut verdienen. Aktien haben von diesem Umfeld dennoch profitiert, und ein Blick auf die Charts der Leitindizes zeigt, dass es kein Fehler war, hier investiert zu sein. Man weiß leider aus Erfahrung, dass jeder Höhen- flug enden muss. Zwar waren solche Talfahrten bislang für aus- dauernde Anleger niemals wirklich ein Problem, weil die Börsen in den anschließenden Erholungsphasen stets auf neue Rekordwerte gestiegen sind. Trotzdem: Wer live dabei war, muss zugeben, dass man die Crashphasen der Jahre 2000 und 2008 lieber als Beobachter und nicht als Beteiligter erlebt hätte. Wer die Finanzberichterstattung verfolgt, findet an so gut wie je- dem Tag jede beliebige Marktmeinung vor, und ein Agieren anhand der Empfehlungen von Blogs, Börsennachrichten oder ähnlichen Quellen ist angesichts ihrer Widersprüchlichkeit unmöglich. Zuletzt verdichtete sich aber der Eindruck, dass es tatsächlich brenzlig wer- den könnte. Und es sind vor allem aktuelle technische Analysen, die man in diesem Zusammenhang zumindest kennen sollte. Der Gebert-Dax-Indikator ist ein verblüffend einfaches System, das mithilfe von vier Einflussgrößen darüber Aufschluss gibt, ob man den Dax long sein sollte oder nicht. Angesichts der Korrelation der Aktienmärkte kann man ihn problemlos als Indikator dafür verwen- den, ob man grundsätzlich Aktien halten oder meiden sollte. Dieser von Thomas Gebert entwickelte Indikator berücksichtigt Inflation, Zinsen, Jahreszeit und US-Dollar, und nur mithilfe dieser Daten lässt er den Dax auf lange Sicht spektakulär hinter sich. Seit Anfang Mai steht er auf „Verkaufen“. Ein anderer technischer Indikator, der vergleichsweise langsam reagiert, was die Gefahr von Fehlsignalen senkt, ist das Verhältnis der gleitenden Durchschnitte des S&P 500 Charts über 50 und 100 Wochen. Fällt der 50-Wochen-Schnitt unter den 100-Wochen-Schnitt, so die Idee, dann befinden sich US-Aktien auf Talfahrt. Diese Methode lieferte in den letzten 20 Jahren nur zwei Verkaufssignale, einmal 2001 und dann wieder 2008, Anfang Mai war es nun wieder einmal so weit. Und schließlich lohnt sich auch ein Blick auf den „Warren-Buffett- Indicator“, den Buffett zwar nicht erfunden hat, der ihm ihm aber zu einiger Popularität verhalf, als er ihn in einem Interview als zuver- lässiges Instrument lobte. Es handelt sich hier einfach nur um eine simple Gegenüberstellung von US-Marktkapitalisierung und Brut- toinlandsprodukt. Der Berkshire-Hathaway-Chef mag es, wenn der US-Aktienmarkt nicht mehr kostet als 70 bis 80 Prozent des BIP, der Durchschnittswert seit 1950 lag übrigens bei 69,7 Prozent. Am Hö- hepunkt der Dotcom-Blase kletterte der Wert bis auf 151 Prozent, um dann auf 70 zu fallen. Vor demAusbruch der Subprime-Krise lag er bei 110 Prozent und fiel dann bis auf 59 Prozent. Und heute? Nun, Ende April waren es noch 113 Prozent, der Höchstwert imApril 2015 lag bei 120 Prozent oder mehr als zwei Standardabweichungen über dem historischen Mittelwert. Ein neuerliches Abrutschen auf den Durchschnitt entspräche einemAktienmarktrückgang um 40 Prozent. Ist es denkbar, dass all diese Analysen falsch sind? Absolut. Jedes Handelssystem liefert Fehlsignale, und daher muss man stets auch damit rechnen. Jederzeit könnte eine unerwartete Entwicklung die Ausgangslage und damit die Stimmung radikal verändern und be- wirken, dass die Aktienmärkte in ungeahnte Höhen katapultiert wer- den. Auch die Tatsache, dass wir in einer Nullzinswelt leben, darf nicht ignoriert werden, diesmal könnte tatsächlich alles anders sein. Allerdings liegen schon sieben gute Aktienjahre hinter uns. Die Welt- konjunktur zeigt wenig Erholungstendenzen, und die Notenbanken haben seit 2008 schon viel Pulver verschossen. Wäre es da unver- nünftig, sich und seine Kunden auf eine länger anhaltende Korrektur vorzubereiten? Was hieße das konkret? Es gibt zwei mögliche Aus- gangssituationen: Wer schon lange investiert ist, müsste auf einigen Buchgewinnen sitzen. Einen Teil davon ins Trockene zu bringen, ist überlegenswert, vor allem dann, wenn das geplante Ende des Spar- vorgangs nur noch wenige Jahre vor uns liegt. Wer bisher nicht in Aktien investiert hat, nun aber einsteigen will, sollte mit der Frage konfrontiert werden, ob er oder sie einen 40-prozentigen Wertverlust akzeptieren könnte. Die Antwort darauf dürfte in 100 Prozent der Fälle Nein lauten. Wir wünschen Ihnen bis zur Herbstausgabe einen ebenso erfolg- reichen wie erholsamen Sommer. Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi Wohin der Aktienmarkt gehen wird, ist nie vorhersagbar – es gibt aber Erfahrungswerte, die zumindest eine Orientierung ermöglichen. Aktuell scheint Vorsicht angebracht zu sein. Ist die Hausse am Ende? Foto: © Marlene Fröhlich Gerhard Führing, Mamdouh El-Morsi

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