FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2016

112 www.fondsprofessionell.de | 3/2016 markt & strategie I unternehmensanleihen Foto: © Fotolia | Eisenhans D ie bis zu diesem Tag verordneten Arz- neien hatten keine rechte Besserung bewirkt. Darum erhöhte Doktor Draghi am 10. März dieses Jahres noch einmal die Dosis: Das laufende Anleihenkaufprogramm werde ausgeweitet, erklärte der Chef der Euro- päischen Zentralbank (EZB). Künftig würden die Währungshüter neben Staatsanleihen, Schuldtiteln des öffentlichen Sektors, Pfand- briefen und forderungsbesicherten Wertpapie- re auch Unternehmensanleihen erwerben. Die Einkaufstour der neuen Art startete am 1. Juni. Mit den zusätzlichen Käufen will die EZB die Inflationsrate endlich Richtung zwei Prozent treiben – und die Konjunktur in der Eurozone ankurbeln. „Bereits Anfang Juli hat- ten die Notenbanker Corporate Bonds im Wert von rund acht Milliarden Euro erwor- ben“, sagt Christian Müller-Goedecke, Invest- mentchef Fixed Income Kontinentaleuropa bei HSBC Global Asset Management. Die EZB kauft Schuldtitel von Unterneh- men, die zumindest eine Ratingagentur in die sichere Anlageklasse Investment Grade ein- gestuft hat. Die Emittenten müssen ihren Sitz in der Eurozone haben. Allerdings qualifizie- ren sich auch hiesige Töchter internationaler Konzerne für das Programm. Anleihen von Geldinstituten kommen nicht infrage, auch Papiere mit einer Negativrendite unterhalb des EZB-Einlagensatzes von minus 0,4 Prozent scheiden aus. Über die Zentralbanken der Euro-Mit- gliedsstaaten erwerben die Währungshüter Bonds am Zweitmarkt, dürfen aber genauso bei Neuemissionen als Käufer auftreten. Grundsätzlich kann die EZB die Bonds jeder- zeit auch wieder an den Markt zurückgeben. Ob das geplant ist, darüber schweigen die Frankfurter bisher jedoch. Welche Papiere sie auf ihrer Shoppingtour bereits mitgenommen haben, tun die Wäh- rungshüter der Öffentlichkeit über die einzel- nen Zentralbanken kund. Allerdings nicht ganz so wie versprochen. Der Grund: Die nationalen Institute kommen der Informa- tionszusage der Zentrale sehr unterschiedlich motiviert nach. „Fünf der sechs Zentralbanken nennen nicht einmal die Namen der Anleihenemitten- ten“, sagt Wolfgang Bauer, stellvertretender Fondsmanager des M&G Global Corporate Bond Fund und des M&G European Corpo- rate Bond Fund. Sie präsentieren dem Inter- essierten lediglich eine Liste mit internatio- nalen Wertpapierkennnummern (ISINs). Die löbliche Ausnahme ist die Deutsche Bundes- bank, die als einzige Ross und Reiter nennt. Das Hauptproblem ist jedoch, dass die Wäh- rungshüter nicht verraten, wie viel sie von einer Anleihe eingesammelt haben. „Transpa- renz sieht anders aus“, ärgert sich Bauer. Zweifel am Nutzen der Käufe So undurchsichtig die Politik der Notenban- ken ist, so unterschiedlich bewerten auch die von FONDS professionell befragten Experten die Auswirkungen von Draghis Einkaufstour. So hegt etwa William de Vries von Kempen Capital erhebliche Zweifel am grundlegenden Nutzen der Käufe. „Die EZB will letztlich damit die Inflation in der Währungsunion hochtreiben“, so der Leiter Anleihen bei dem niederländischen Fondsanbieter. „Aus makro- ökonomischer Perspektive wird das Pro- gramm keinen Effekt haben: Es gibt bislang keine Anzeichen, dass das Geld über diesen Transmissionsriemen in der Realwirtschaft ankommt“, lautet das vernichtende Urteil von de Vries. Die Eingriffe der EZB hält er für eine „Marktstörung“. Christian Müller-Goedecke ist anderer Mei- nung. „Ich sehe bislang positive Effekte“, sagt er. „Die alleinige Ankündigung des Kaufpro- Die Europäische Zentralbank kauft inzwischen auch Anleihen von Unternehmen. Vier Bond-Experten verraten, was das für den Markt und ihre Anlagestrategie bedeutet. Die EZB auf Einkaufstour Bis Juni dieses Jahres kamen für die Europäische Zentralbank Corporate Bonds nicht in die Tüte. Doch seither haben die Notenbanker ihren Einkaufszettel verlängert – und kaufen auch Anleihen von Unternehmen in der Eurozone. Die Einkaufstüte der EZB Anleihenbestand der Europäischen Zentralbank per Ende Juli 2016 Innerhalb von zwei Monaten kaufte die EZB Unterneh- mensanleihen für 13,2 Milliarden Euro. Quelle: EZB Staatsanleihen und Bonds des öffentlichen Sektors 944,9 Mrd. Euro Pfand- briefe 186,6 Mrd. Euro Forderungs- besicherte Wertpapiere 20,4 Mrd. Euro Unter- nehmens- anleihen 13,2 Mrd. Euro

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