FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2016

182 www.fondsprofessionell.de | 3/2016 kaufswillige zunächst klar machen, was genau ein Bestand eigentlich ist“, sagt der Anwalt. Rechtlich gesehen handelt es sich bei einem Bestand um eine Vielzahl von Verträgen, die nach Paragraf 14 Versicherungsaufsichtsgesetz dem Versicherer gehören. Der Makler darf über die Rechtsverhältnisse zwischen Kunden und Versicherer nicht verfügen. „Er generiert aus seine Kundenbeziehungen aber Courtage- ansprüche gegenüber dem Versicherer“, erläu- tert Kroll. Diese Forderungen sind der Be- stand des Maklers, den er veräußern kann. Bei Fondsvermittlern bilden die Provisionsansprü- che den Bestand. Verkauf einzeln oder am Stück Grundsätzlich gibt es für den Verkauf von Beständen zwei Möglichkeiten: Entweder der Makler oder Vermittler tritt mit einem Asset Deal die künftigen Forderungen einzeln an einen Käufer ab. Oder er hat die Provisions- ansprüche auf ein Unternehmen übertragen und veräußert die Anteile über einen Share Deal. Ein solcher Share Deal funktioniert natürlich nur bei einer Kapitalgesellschaft, etwa einer Gesellschaft mit beschränkter Haf- tung (GmbH). Das Problem dabei: Der Vers- Studie zufolge firmieren in Deutschland ge- rade einmal 16 Prozent der Versicherungs- makler als GmbH. „Makler, die über einen Asset Deal nach- denken, sollten sich bewusst machen, dass ihr Bestand längst nicht den Kaufpreis erzielen wird, der beim Verkauf einer Firma als Gan- zes möglich wäre“, mahnt Kroll. Der Grund dafür: Der Kauf von Courtageansprüchen verpflichtet den neuen Inhaber dazu, sich von jedem einzelnen Lebenspolicen-Kunden eine Maklervollmacht und eine Datenschutzerklä- rung unterschreiben zu lassen. Die rechtliche Grundlage dafür bildet das Bundesdaten- schutzgesetz: Paragraf 3 Absatz 9 definiert so- genannte „besondere Arten“ personenbezoge- ner Daten. Dazu gehören auch alle Angaben zur Gesundheit einer Person. „Versicherer dürfen daher Kundendaten nicht an den neuen Makler, den Erwerber, weitergeben, ohne dass er die beiden Dokumente vorlegt“, sagt Kroll. „Nun kann sich wohl jeder Makler vorstel- len, wie aufwendig es ist, all diese Kunden zu kontaktieren und sie zwei Schriftstücke un- terzeichnen zu lassen“, sagt Oliver Pradetto, Mitgründer des Versicherungspools Blau Direkt mit Sitz in Lübeck. Wenn sich ein Käufer überhaupt auf ein solches Unterfangen einlasse, dann drücke er kräftig den Kaufpreis. Berater Adams beschreibt es sogar noch drastischer: „Der Asset Deal ist tot“, sagt er. Selbst kleine Einzelkämpfer mit 300 bis 500 Kunden sollten davon absehen. „Die Preise, die gezahlt werden, sind einfach zu gering.“ Wesentlich vorteilhafter ist der Verkauf einer GmbH. Hier muss der neue Inhaber zwar auch alle Bestandskunden darüber infor- mieren, dass sie es künftig mit einem neuen Ansprechpartner zu tun haben. Aber man braucht nicht auf jeden einzelnen Kunden zu- zugehen, um eine Maklervollmacht und eine Datenschutzerklärung einzuholen. Denn: Un- terzeichner aller Verträge und Adressat jeder Erklärung ist die GmbH als juristische Person – und die bleibt so bestehen, wie sie ist. Umwandlung ist teuer Viele Berater empfehlen verkaufswilligen Vermittlern daher, ihr Unternehmen recht- zeitig vor der Veräußerung in eine GmbH um- zuwandeln. Jurist Kroll ist bei diesem Thema jedoch vorsichtig. „Eine solche Umwandlung ist ohne Betreuung durch einen Anwalt und einen Steuerberater nicht zu empfehlen“, sagt er. Die Kosten inklusive der Rechnung für den Notar beziffert er auf mindestens 6.000 Euro. Hinzu kommt das Stammkapital in Hö- he von 25.000 Euro. „Für kleinere Makler mit Jahresumsätzen unter 100.000 Euro lohnt sich die Umwandlung in eine GmbH nicht“, findet auch Pradetto. Damit scheidet sie – gemessen an den Zahlen der Vers-Studie – wegen eines zu geringen Umsatzes für fast jeden zweiten Versicherungsvermittler aus (siehe Grafik auf Seite 184). „Kleinere Einzelunternehmer können über Alternativen zum Verkauf nachdenken“, er- klärt Oliver Petersen, Vorstand des Makler Nachfolger Clubs aus dem oberfränkischen Gundelsheim. „Überlegenswert ist es zum Beispiel, das Geschäft zu verpachten.“ Wenn keine Alternative in Frage kommt, können Versicherungsmakler ihre Bestände unbear- beitet auslaufen lassen. Bislang ist das meist kein Problem, es sei denn, individuelle Ver- träge mit dem Kunden sehen eine entspre- chende Betreuung vor. Sollte die Umsetzung der EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie Insu- rance Distribution Directive (IDD) in deut- sches Recht bedeutende Änderungen zur der- zeitigen Praxis bringen, könnte auch dieses Modell schwierig werden. Für Finanzanlagenvermittler schreibt Mifid II bereits ab 2018 vor, dass sie Bestands- provisionen künftig nur noch vereinnahmen dürfen, wenn sie dafür eingesetzt werden, die Qualität der Dienstleistung zu erhöhen. Spä- testens dann können sie sich nicht mehr ein- fach zur Ruhe setzen und weiterhin Bestands- vertrieb & praxis I unternehmensverkauf Foto: © Dr. Nietsch & Kroll Rechtsanwälte Matthias Kroll, Dr. Nietsch & Kroll Rechtsanwälte: „Junge Käufer gehen heute höchst professionell vor.“ Für einen guten Preis: So machen Sie die Braut hübsch Rechtzeitig planen: Soll der Verkauf von Beständen oder Unternehmen einen angemessenen Preis erzielen, ist eine frühzeitige Planung notwendig. Die Suche nach dem Wunschkäufer braucht Zeit. Oft sind vorher verschie- dene Schritte zu erledigen, damit Kaufinteressenten keinen Grund haben, den Kaufpreis zu drücken. Experten emp- fehlen eine Vorbereitungszeit von etwa fünf Jahren. Daten organisieren: Egal ob es sich um eine Be- standsveräußerung handelt oder ein komplettes Unter- nehmen übertragen werden soll – die Bestände sollten auf jeden Fall immer tipptopp geordnet sein. Welche Verträge haben die Kunden? Wie alt sind sie? In welchen Regionen leben sie? Gibt es Klumpenrisiken? Für perfekt sortierte Daten zahlt jeder Käufer mehr als für einen Bestands-Wirrwarr. Verträge kündigen: Miet- und Leasingverträge, Ver- träge mit Energieversorgern oder Service-Providern sollten so gekündigt werden, dass sie kurz vor dem Verkaufs- termin auslaufen. Meist will der neue Inhaber sie nicht übernehmen. Muss er sie eine Weile fortführen und selbst kündigen, schraubt er den Kaufpreis nach unten. Bleibt der Alt-Inhaber auf den Verträgen sitzen, schmälern die überflüssigen Kosten den Ertrag aus dem Verkauf. Stillschweigen bewahren: Wer sich mit dem Gedan- ken trägt, seine Bestände oder sein Unternehmen zu ver- kaufen, sollte darüber erst einmal schweigen. Werden die Verkaufsabsichten zu früh bekannt, beginnen regionale Konkurrenten oft, Kunden abzuwerben. Und: Kommt es nicht zu einem Verkauf und wird später ein zweiter Anlauf gestartet, nimmt diesen niemand mehr ernst.

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