FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2016

204 www.fondsprofessionell.de | 3/2016 vertrieb & praxis I geschäftsmodell Foto: © Honorarberatung Alexander Schmidt A lexander Schmidt macht etwas, was man in der Finanzbranche eigent- lich nicht tut: Er verzichtet auf Geld. Schmidt betreut als Honorarberater gut 40 Millionen Euro, eine stolze Summe für einen Einzelkämpfer. Aber anders als fast alle Finanzberater nimmt er von sei- nen Kunden keine prozentuale Gebühr auf das verwaltete Vermögen. Nein, er stellt konsequent seinen tatsächlichen Aufwand in Rechnung, mit 150 Euro pro Stunde. „Für einen meiner Mandanten betreue ich ein fünf Millionen Euro schweres ETF- Depot. Das kostet mich zwei bis drei Stun- den im Monat, im Jahr zahlt der Kunde also rund 5.000 Euro.“ Bei seinem frühe- ren Vermögensverwalter hatte der Klient ein Prozent im Jahr bezahlt – das Zehnfa- che. „Viele aus der Branche halten mich für bekloppt“, sagt Schmidt. „Doch meiner Meinung nach ist das die einzige wirklich ehrliche Art der Anlageberatung.“ „Kaltakquise im Krankenhaus“ Bis Schmidt zu dieser Erkenntnis gekom- men ist, hat er aber einige Schleifen gedreht. Nach der Realschule geht er für zehn Jahre zur Marine. Das Abitur holt er mit 28 Jahren nach, es folgen ein Traineeprogramm bei der Sparkasse, die Prüfung zum Börsenhändler, schließlich der Diplom-Bankbetriebswirt. Nach einigen Jahren in der Sparkassen-Orga- nisation wechselt er 2002 zu MLP. „Eine bewusste Entscheidung“, sagt Schmidt. „Ich wollte den Vertrieb kennenlernen.“ Das tut er. In der Düsseldorfer Geschäftsstelle ist Schmidt zuständig für Mediziner. „Das war Kaltakquise im Krankenhaus, bis der Oberarzt mich rausgeschmissen hat.“ Ein Jahr später klopft die Citibank an, die das Fondsgeschäft ausbauen möchte. Schmidt ist zuständig für 16 Filialen im Ruhrgebiet – und offensichtlich so erfolgreich, dass GE Money auf ihn aufmerksam wird. Die Finanz- sparte des US-Konzerns will in Deutschland expandieren, Schmidt treibt von Hannover aus das Investmentgeschäft für 90 Geschäfts- stellen voran. „Wieder klang der Titel toller, wieder war der Dienstwagen größer“, sagt er rückblickend, erstaunt über seine damaligen Prioritäten. Bei GE Money wäre er geblieben, aber die Deutschland-Tochter wird von San- tander übernommen – und er muss sich nach einem neuen Job umschauen. „Ich war eine Vertriebsmaschine“ Im August 2008 heuert er als Vertriebs- direktor bei der Deka an, zuständig für 120 Sparkassen in Nord- und Ostdeutschland. Er fährt 90.000 Kilometer im Jahr, bespricht Absatzziele mit Vorständen und hält Vorträge bei Endkundenveranstaltungen. „Ich war eine Vertriebsmaschine“, sagt er. Doch mit der Zeit hinterfragt er sich mehr und mehr. „Eigentlich ging es mir gut. Aber der Inhalt fehlte.“ 2012 steht sein Entschluss fest: Er gibt sei- nen Direktorenposten, der ihm früher mal so viel wert gewesen war, auf, zieht in ein 400- Seelen-Dorf an die Ostsee – und fängt mit 45 Jahren buchstäblich bei null an. Plötzlich diskutiert er nicht mehr mit Sparkassen-Vor- ständen über Vertriebsvorgaben, sondern mit der Betreuerin in der Arbeitsagentur über einen Existenzgründungszuschuss. Schmidt investiert in seine Website, mietet den Kieler Yacht-Club für Anlegerseminare und knüpft Kontakte im Business Club Hamburg. Auch auf der Networking-Platt- form Xing macht er auf sich aufmerksam. „95 Prozent dieser Aktionen bringen nichts, aber hin und wieder ist ein Treffer dabei“, sagt er. Über Xing kommt der Kontakt zu einem Redakteur der „Frank- furter Allgemeinen Zeitung“ zustande, der ihn in Artikeln zitiert. Weitere Medienauf- tritte folgen, Radio und Fernsehen inklu- sive. „Die Medienpräsenz hat mir sehr geholfen“, sagt er. Fragt er seine Kunden, warum sie sich für ihn entschieden haben, kommen drei weitere Punkte hinzu: die Titel, die eine solide Ausbildung doku- mentieren, die Kontrolle durch die Bafin (Schmidt arbeitet unter dem Haftungsdach der NFS Netfonds) – und das professio- nelle Foto auf der Website. „Das klingt komisch, ist aber Fakt: Ein sympathisches Foto hilft mehr als tausend Worte.“ „Wirklich unabhängig beraten“ Den ersten Kunden gewinnt Schmidt im Sommer 2014. Inzwischen hat er mehr als 50 Mandanten. „Mein jüngster Kunde ist 22 Jah- re alt, der älteste 85“, sagt Schmidt. „Mal geht es darum, ein Portfolio einmalig sauber auf- zustellen, dann wieder um eine dauerhafte Betreuung – vom Berufseinsteiger bis zum Millionär ist alles dabei.“ Schmidt sieht sich auf gutemWeg, bald so viel zu verdienen wie zuletzt bei der Deka. Sein Geschäftsmodell geht also offenbar auf. „Und ich habe das Gefühl, eine sinnvolle Tätigkeit auszuüben, weil ich meine Kunden wirklich unabhängig beraten und ihnen damit helfen kann.“ Weil Schmidt auf Stundenbasis abrechnet und daher nicht von seinen Bestandskunden leben kann, braucht er immer wieder neue Aufträge. „Klar ist das mühsam. Auf der an- deren Seite hätte ich meine größten Mandan- ten nicht gewonnen, wenn ich ihnen ein Pro- zent auf das betreute Vermögen in Rechnung stellen würde.“ Wenn es sein muss, fährt er frühmorgens nach Berlin, führt dort Gesprä- che mit drei Interessenten und ist erst um Mit- ternacht wieder zu Hause. In gewisser Weise ist Schmidt eine Vertriebsmaschine geblieben – in eigener Sache. BERND MIKOSCH | FP Neustart mit 45 Jahren: Alexander Schmidt gibt seinen Job im Topmanagement der Deka auf – und baut erfolgreich eine Honorarberatung auf. Vertriebsprofi in eigener Sache Alexander Schmidt, Honorarberater aus Krummbek bei Kiel: „Eigentlich ging es mir gut. Aber der Inhalt fehlte.“

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