FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2016

264 www.fondsprofessionell.de | 3/2016 Grenzenlose Freiheiten? Apropos frei: So richtig frei ist kaum je- mand. In vielen Fällen müssen sich die Bera- ter an das vorgegebene Produktspektrum einer Gesellschaft und an institutseigene Vertriebs- kampagnen halten. Und auch der eigene Ur- laub sollte abgesprochen werden. Andererseits ist man zeitlich flexibel: „Ich kann kommen und gehen, wann ich will. Wenn man in einer angeschlossenen Filiale arbeitet, wird es gern gesehen, wenn man zu den Filialöffnungs- zeiten anwesend ist“, so der mobile Berater. Nicht alle Selbstständigen arbeiten auch am Wochenende. „Den Samstag und Sonntag hal- te ich für meine Familie frei. Wenn ein großer Abschluss lockt, mache ich von dieser Regel aber natürlich auch mal eine Ausnahme.“ Unter der Woche beginnen viele Beratungs- gespräche außerdem erst um 18 Uhr. Die Freiheit hat eben ihren Preis. MARCUS HIPPLER | FP bank & fonds I mobiler ver trieb Foto: © ZEB Thomas Klimpke | ZEB „Gewisser Grad an Unfreiheit “ Thomas Klimpke, Partner der ZEB Unternehmensberatung in Frankfurt, spricht im Interview über geeignete Kandidaten für den mobilen Vertrieb und das Zusammenspiel mit den stationären Kollegen. T homas Klimpke ist als Partner der ZEB Unternehmensberatung am Standort Frankfurt für die Betreuung von Groß- kunden zuständig. Der gelernte Bankkauf- mann und studierte Diplomkaufmann arbei- tete zuvor unter anderem für McKinsey und als Strategiedirektor für die BHF-Bank. FONDS professionell sprach mit ihm über die Zukunft der mobilen Beratung. Herr Klimpke, ist in Zeiten der Digitali- sierung das Thema mobiler Vertrieb bei den Banken überhaupt noch aktuell? Thomas Klimpke: Digitalisierung im Vertrieb steht letztlich auch für ein verändertes Kun- denbedürfnis, insbesondere in der Informa- tionsbeschaffung oder imAbschluss weniger erklärungsbedürftiger Produkte. Für den Ab- schluss komplexer Produkte bleibt das per- sönliche Gespräch auf absehbare Zeit wich- tigster Vertriebskanal. Gleichzeitig erwarten die Kunden, dass Informationen und auch Beratung fast jederzeit verfügbar sind. Sie möchten sich hierfür nicht nach den Filial- öffnungszeiten richten müssen. Hier kann ein mobiler und flexibler Vertrieb eine entschei- dende Rolle spielen. Wie läuft aus Ihrer Sicht die Zusam- menarbeit zwischen den stationären und den mobilen Vertrieben? Ist die Kon- kurrenz groß? Wie könnte das Mitein- ander gefördert werden? Modelle der Zusammenarbeit zwischen sta- tionärem und mobilem Vertrieb sind unter- schiedlich ausgestaltet, und entsprechend unterschiedlich ist der Grad der Zusammen- arbeit. Festzustellen ist, dass es wesentliche Erfolgsfaktoren gibt, um eine zielführende Kooperation sicherzustellen: erstens eine Per- formancemessung, die Zielkonflikte zwischen dem stationären und dem mobilen Vertrieb möglichst vermeidet. Zweitens ein regelmäßi- ger Austausch zu jeweiligen Zielsetzungen, -erreichungen und koordinierten Vorgehens- weisen. Und drittens eine frühe Einbindung aller beteiligten Führungskräfte auf stationärer und mobiler Seite in den Rekrutierungspro- zess, um ein entsprechendes Commitment zur späteren Kooperation sicherzustellen. Welches Anstellungs- und Vergütungs- modell im mobilen Vertrieb dominiert aus Ihrer Sicht derzeit am Markt? Finanzvertriebe, Versicherungen und verein- zelt Banken setzen überwiegend auf selbst- ständige Handelsvertreter und eine entspre- chende provisionsorientierte Vergütung. Aus Sicht des Unternehmens bietet dies den Vor- teil, weitestgehend erfolgsabhängig zu ver- güten und entsprechende Vertriebsanreize zu bieten. Allerdings werden die Zunahme an regulatorischen Vorgaben, die damit erhöhte Kostentransparenz sowie die Ertragsrückgän- ge aufgrund der niedrigen Zinsen zu einem Anpassungsbedarf bei den Vergütungsmodel- len führen müssen. Welcher Mitarbeitertyp ist am besten für den mobilen Vertrieb geeignet? Die Auswahl des Mitarbeiters sollte sich nach den im Fokus stehenden Produkten und ins- besondere den Zielkunden richten. So unter- scheidet sich die notwendige Qualifizierung beziehungsweise Spezialisierung auf Spezial- themen für die Beratung von Retailkunden von der Beratung von vermögenden Privat- kunden. Ein hohes Maß an Kunden- und Vertriebsorientierung sowie Flexibilität sollten aber in jedem Fall vorhanden sein. Sind aus Ihrer Sicht die freien Han- delsvertreter wirklich frei in ihren Ent- scheidungen, oder kennen Sie Modelle, die eher an eine Scheinselbstständigkeit erinnern? Die arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Thematik der Scheinselbstständigkeit ergibt sich, wenn Handelsvertreter weisungsgebun- den agieren und beispielsweise Vorgaben hin- sichtlich ihrer Arbeitszeit bekommen. Dies erfolgt nicht. Allerdings ist der Vertrieb von Finanzdienstleistungen stark reguliert. Hier- durch ergibt sich ein gewisser Grad an „Un- freiheit“, etwa in der Ausgestaltung von Be- ratungsprozessen, um durch das Partnerun- ternehmen definierte Qualitätsstandards ein- halten zu können. MARCUS HIPPLER | FP Thomas Klimpke, ZEB: „Kunden erwarten, dass Infor- mationen und Beratung fast jederzeit verfügbar sind.“

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