FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2016

bank & fonds I fintech | interview 272 www.fondsprofessionell.de | 3/2016 Foto: © Sarah-Johanna Eick I n den letzten Monaten verschwanden einige Fintechs vom Markt, gleichzei- tig suchen große Organisationen die Nähe zu den Start-ups oder versuchen deren Lösungen zu kopieren. FONDS professionell sprach mit fünf ausgewiese- nen Fintech-Experten, die gemeinsam den Blog Paymentandbanking.com betreiben, über die aktuellen Entwicklungen. Die Unternehmensberatung Barkow Consulting zählt allein in Deutsch- land mittlerweile über 400 Fintechs, Tendenz steigend. Was machen die jungen Wilden anders als die eta- blierten Kreditinstitute? Maik Klotz: Während sich Banken in den letzten Jahren vor allem auf ihren beste- henden Geschäftsmodellen ausgeruht haben, konzentrieren sich Fintechs meist auf die Be- dürfnisse des Kunden und versuchen entspre- chend Probleme zu lösen. Dieser Fokus auf den Kunden fehlt den etablierten Playern. Es reicht nicht aus, ein Fintech zu kopieren, es geht darum, zu verstehen, warum Konsumen- ten die Lösung eines Fintech nutzen. Erste Fintechs wie Finmar, Barpay oder der Robo-Berater Moneyvane sind vom Markt verschwunden oder in die vorläu- fige Insolvenz gegangen, zeitgleich stei- gen Telefonica mit dem O2-Banking und die Sparkassenorganisation mit ihrem Smartphone-Banking-Projekt Yomo in das digitale Bankgeschäft ein. Bringt das die Start-ups noch weiter in Bedrängnis? Andre Bajorat: Nicht allein der Eintritt der vermeintlich großen Anbieter führt zu einem „Sterben“ einzelner Modelle, dies gehört zum normalen Start-up-Alltag. Hier wird gerade am Anfang bewusst im positiven Sinne ge- träumt, und das Ziel ist es, ganz dicke Bretter zu bohren – das muss aber auch so sein, da ansonsten keine echten Innovationen oder auch Veränderungen möglich wären. Jochen Siegert: Die Aktivitäten der Großkon- zerne im Hinblick auf Finanzprodukte sind nicht nur für kleine Start-ups, sondern auch für etablierte Großbanken eine Bedrohung. Der Bereich Online-Payment hat gezeigt, wie schnell ein Internetkonzern wie Ebay den Banken einen kompletten Markt abnehmen kann und sie zu einem Hintergrundabwickler degradiert. Die Konsequenz daraus: Heute hat Paypal, mittlerweile von Ebay abgespalten, für sich allein eine höhere Börsenbewertung als sämtliche an der Börse gelisteten deut- schen Banken zusammen. Welche Gründe führen zum Scheitern von kleineren Start-ups? Bajorat: Mal liegt es am falschen Team, mal gibt es eine schöne Lösung für ein nicht exis- tierendes Problem, sodass der Bedarf und so- mit auch der Abnehmer erst gar nicht existiert. Oftmals sind die europäischen und insbeson- dere deutschen Start-ups auch unterfinanziert oder besitzen kein schlagkräftiges Business- modell. Und dennoch sind es genau diese ge- scheiterten Ideen sowie die erfolgreichen Modelle, die weiter am Markt sind, die aktuell zu einer neuen Dynamik in der Finanzdienstleistungsbranche führen, wie ich sie in meiner aktiven Zeit noch nicht erlebt habe. Trotz der Dynamik werden einige Unternehmen nicht überleben. Klotz: In Deutschland ist dieses Scheitern negativ besetzt, während in den USA Scheitern etwas sehr Normales ist. Dort scheitert man sich zum Erfolg, und eine ähnliche Fehlerkultur würde uns gut tun. Wenn also Fintechs sterben, dann ist das nicht das Ende einer Bewegung, sondern zeigt nur, dass ein Thema nicht funktio- niert hat. Diese Kultur des Ausprobierens fehlt in der traditionellen Banklandschaft lei- der noch zu oft. Innovationen passieren dort, wo man Grenzen auslotet und neue, vielleicht auch verrückte Wege gehen darf. Können große Player mit ihren einge- fahrenen Strukturen überhaupt mit den flexiblen Start-ups Schritt halten? Kilian Thalhammer: Mittlerweile tragen die großen Player entscheidend zur Gestaltung des Marktes bei. Neben Telefonica und Yomo ist auch der Lending-Marktplatz der Com- merzbank zu nennen. Man nähert sich nicht nur an, sondern spielt auch mit. Die Phase des Abtastens ist definitiv vorbei. Viele Modelle werden ausprobiert, aber auch da werden eini- ge sterben. Dann nicht auf Unternehmens-, sondern auf Projektebene – und da sterben meist deutlich mehr. Dies bringt jedoch trotz- dem die Branche und den Kunden voran. „ Scheitern ist etwas Normales“ » Konzerne wie Face- book, Apple oder Google steigen nicht in den Markt für Finanzdienst- leistungen ein, weil die- ser so extrem attraktiv und hochprofitabel ist. « Jochen Siegert, Traxpay Maik Klotz, Kilian Thalhammer, Andre Bajorat, Jochen Siegert und Rafael Otero bezeichnen sich selbst als das „Rat Pack“ der Fintech-Szene. Im Interview sprechen die Blogger über die wichtigsten Trends der Branche. Das „Rat Pack“ der Fintech-Branche Andre Bajorat ist Gründer des Blogs Payment- banking.com und Chef des Fintechs Figo. Er besitzt jahr- zehntelange Erfahrung in der digitalen Welt. Bajorat arbeitete beispielsweise bei der Star Finanz, einem Un- ternehmen der Sparkassengruppe, an der Entwicklung des Homebankings mit. Maik Klotz ist Experte für Mobile Banking und Payment bei KI Finance aus Köln, einem Beratungsunternehmen für digitale Banklösungen. Rafael Otero ist Unternehmer, Business Angel und Mentor im Start-up- und Fintech-Umfeld. Er ist Mitgrün- der von Payleven, einem Fintech, das Lösungen im Bereich der Kreditkartenabrechnung anbietet. Jochen Siegert arbeitete bei Mastercard, Paypal und der Karstadt-Quelle-Bank. Er ist Spezialist für Zahlungsver- kehrslösungen und Chef des Fintechs Traxpay. Kilian Thalhammer arbeitete für die Schweizer Post, das Fin- tech Ratepay und auch für das Rocket-Internet-Imperium. Aktuell berät er die Firmen Lodgify und Savedroid.

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