FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2016

314 www.fondsprofessionell.de | 3/2016 steuer & recht I brexit Foto: © Fotolia | nito C hinas Staatspräsident Mao Zedong soll einmal gesagt haben, es sei noch zu früh, die Auswirkungen der französi- schen Revolution zu beurteilen – und das 170 Jahre, nachdem das Volk die Bastille gestürmt hatte. Da erscheint es reichlich verwegen, schon heute über die Folgen des Brexit zu spekulieren, zumal Großbritannien sein Aus- trittsgesuch noch nicht einmal formal in Brüssel ein- gereicht hat. Auf der anderen Seite war Mao bekanntlich ein Freund vorausschauen- der Fünfjahrespläne. Und auch wenn noch offen ist, wie die Tren- nung von der Europäi- schen Union konkret aus- sehen wird, zeichnen sich bereits einige für die Fondsbranche wichtige Punkte ab. „Wahrscheinlich können britische Fonds, die nach der EU-Fondsrichtlinie UCITS aufgelegt wurden, künftig nicht mehr als UCITS vermarktet werden, denn das ist eine europäische Marke“, sagt Nish Dissa- nayake, Anwalt bei der international tätigen Kanzlei Herbert Smith Freehills in London. Er vermutet, dass britische UCITS nach dem Brexit als alternative Investmentfonds (AIF) eingestuft werden. „Das dürfte den Vertrieb dieser Fonds an Investoren aus der EU er- schweren, insbesondere an Privatanleger.“ Milliardenabflüsse Das sind keine schönen Aussichten. Allein im Juni, dem Monat des Brexit-Votums, zo- gen Privatanleger über vier Milliarden Euro aus britischen Investmentfonds ab – mehr als auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008, hat das Analysehaus Cerulli Associates ausge- rechnet. Großbritannien, noch zweitgrößtes Asset-Management-Zentrum der Welt nach den USA, bangt um seine Bedeutung. Bri- tische Investmenthäuser beschäftigen der „Financial Times“ zufolge 35.000 Mitarbeiter, die in Summe 6,5 Billionen Euro verwalten. Hinzu kommen 25.000Angestellte von Dienst- leistern, die an der Fondsindustrie hängen. Keine Frage: Kommt es tatsächlich zum Brexit, wird das in dieser Branche Spuren hin- terlassen. Wie groß sie ausfallen werden, ist aber noch nicht ausgemacht. „Viele britische Asset Manager vermarkten ihre heimischen UCITS-Fonds ohnehin nur in Großbritannien und nutzen für den EU-weiten Vertrieb schon heute Luxemburger oder irische UCITS“, sagt Dissanayake. „Für diese Anbieter dürften die Auswirkungen also nicht so schlimm sein wie ursprünglich gedacht.“ Er rechnet damit, dass weitere Anbieter eine Managementgesellschaft in Luxemburg oder Irland gründen werden. „Sie werden aber ver- suchen, das Portfoliomanagement so weit wie möglich nach Großbritannien zu delegieren.“ Dass ein solches Modell auch künftig mög- lich sein wird, vermutet auch Barbara Wall, die Europachefin von Cerulli. „Die EU hätte wenig Anreiz, sich der Expertise von Europas größtem Finanzzentrum zu berauben oder zu riskieren, dass Großbritannien Importbe- schränkungen gegen Produkte und Dienstleis- tungen aus der EU verhängt“, sagt sie. Zu den Fondsanbietern, die bereits begon- nen haben, Fonds nach Irland oder Luxem- burg zu verlagern, gehört M&G. Das Unter- nehmen ist eines der wenigen, das in Deutsch- land derzeit ausschließlich britische Fonds vertreibt. Schon kurz nach dem Referendum begann das Londoner Investmenthaus in Dub- lin einen Asset-Management-Standort aufzu- bauen. Ziel sei, sich alle Optionen offen zu halten, um auf ein neues Umfeld reagieren zu können, so M&G-Chefin Anne Richards. Wie das Geld der EU-Anleger im Fall der Fälle von einem briti- schen auf einen europäi- schen UCITS übertragen werden könnte, ist noch offen. Die Frankfurter De- pendance wollte sich hier- zu nicht äußern. Florian Uleer, der Deutschlandchef von Columbia Threadneedle, sieht möglichen Vertriebs- beschränkungen für bri- tische Fonds gelassen ent- gegen – obwohl sein Team hierzulande auch solche Produkte anbietet. „Wir haben bereits seit Jah- ren eine Luxemburger Ma- nagementgesellschaft und schon viel Erfah- rung darin, einen britischen Fonds in ein Luxemburger Vehikel zu spiegeln“, sagt er. „Darum können wir mit Recht behaupten, für alle Fälle gerüstet zu sein.“ Kein Grund zur Panik Und was könnte der Brexit für europäische Asset Manager bedeuten, die auch künftig in Großbritannien Geschäft machen möchten? „Wir glauben, dass es weiterhin möglich sein wird, UCITS aus der EU in Großbritannien zu verkaufen“, sagt Rechtsanwalt Dissanayake. „Wir sehen keinen Grund, der die Regierung dazu bewegen könnte, das zu verhindern. Der ‚EU-Pass‘ wird zwar nicht mehr gelten, aber wir erwarten, dass eine Vermarktung auch künftig erlaubt sein wird.“ Die europäischen Anbieter können Großbritanniens EU-Austritt demnach entspannt begegnen – ganz nach Maos Vorbild. BERND MIKOSCH | FP Die meisten Asset Manager können dem EU-Austritt Großbritanniens entspannt entgegensehen. Auf einige britische Fondsanbieter wartet jedoch viel Arbeit. Kollateral schaden Ende Juni votierten die Briten für einen Ausstieg aus der Europäischen Union. Wann er tatsächlich vollzogen wird, ist noch völlig offen. Ein Datum vor Ende 2018 gilt als unrealistisch.

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