FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2016

M anche Schiedsrichter verwarnen Fußballer schon bei der kleinsten Berührung des Gegners. Andere las- sen das Spiel laufen und greifen nur bei harten Attacken ein. Die Bafin hat, um im Bild zu bleiben, gleich bei ihrem ersten Einsatz die rote Karte gezückt – und die Finanzbranche fühlt sich zu Unrecht vom Platz gestellt. Was ist passiert? Die Finanzaufsicht, dank des Kleinanlegerschutzgesetzes mit neuer Macht ausgestattet, überraschte Ende Juli mit der Ankündigung, den Retailvertrieb von Bo- nitätsanleihen verbieten zu wollen. Diese Zertifikate bieten recht hohe Kupons – aber nur, solange bei der Firma, auf die sich das Papier bezieht, kein Krediter- eignis wie ein Zahlungsverzug oder ei- ne Restrukturierung eintritt. „Strukturier- te Produkte, die sich auf Kreditrisiken beziehen, können für institutionelle In- vestoren eine sinnvolle Anlagealterna- tive sein. In die Hände von Privatkun- den gehören sie aus unserer Sicht aber nicht“, so Elisabeth Roegele, Exekutiv- direktorin der Behörde. Privatanleger könnten meist nicht bewerten, ob der Kupon das Risiko adäquat vergüte. Die Bafin bezeichnet schon die Produktbe- zeichnung als „irreführend“, denn anders als bei einer normalen Anleihe nehme der Anleger die Rolle eines Versiche- rungsgebers ein. Außerdem habe die Aus- wertung der Beratungsdokumentation deutlich gemacht, dass die Funktionsweise der Produkte in der Regel nicht ausreichend erklärt werde – hier schwingt der Vorwurf ei- ner Falschberatung im großen Stil mit. 6,3 Milliarden Euro Die Behörde gab der Branche bis Anfang September Zeit, zu der geplanten Allgemein- verfügung Stellung zu nehmen. Die endgülti- ge Entscheidung der Bafin stand bei Redak- tionsschluss noch aus. Es geht um einen durchaus großen Markt: Dem Deutschen De- rivate Verband zufolge hatten Ende Juni neun Institute in Summe Bonitätsanleihen für 6,3 Milliarden Euro ausstehen. Die größ- ten Emittenten sind die LBBW mit 2,8 und die Deka mit gut zwei Milliarden Euro. Bei Verbraucherschützern stößt das geplante Ver- bot auf Zustimmung. „Mit langfristigem Ver- mögensaufbau oder Sparen haben Bonitäts- anleihen nichts zu tun. Das sind Wetten gegen den Kreditausfall von Unternehmen ohne nachvollziehbare Preisbildung“, sagt Dorothea Mohn, Leiterin des Finanzteams beim Ver- braucherzentrale Bundesverband. Die Finanzbranche setzt sich dagegen zur Wehr. Ein pauschales Verbot sei „unverhält- nismäßig“, heißt es in einer Stel- lungnahme der Deutschen Kre- ditwirtschaft. „Ein Produktverbot sollte grundsätzlich immer das ab- solut letzte Mittel sein“, betont DDV-Geschäftsführer Lars Brandau. Es könne zwar durchaus geboten sein, ein obskures Finanzprodukt zu verbieten. „Fraglich ist jedoch, warum dieses Verbot ausgerechnet ein etabliertes Produkt tref- fen soll, das in einem höchst regulierten Rahmen aufgelegt, angeboten, erklärt und verkauft wird.“ Das fragen sich auch die Anla- geberater von Banken und Finanzdienstleis- tern. Gut zwei Drittel von ihnen können die Beweggründe der Bafin nicht nachvollziehen, zeigt eine Umfrage des Fachmagazins „Der Zertifikateberater“. Ebenso viele befürchten weitere Produktverbote. Um zu klären, wo der Aufsicht Grenzen gesetzt sind, bereiten Bank- juristen bereits Klagen gegen die Bafin vor, berichtet die „Frankfurter Allgemeine“. „Erhebliches Haftungsrisiko“ Für die Banken, die Bonitätsanleihen ver- trieben haben, ergeben sich auch ohne end- gültiges Verbot wichtige Fragen. Ist es zum Beispiel ratsam, den Vertrieb schon einzustel- len? „Rechtlich gesehen greift das Verbot noch nicht, sodass es aufsichtsrechtlich wei- terhin zulässig ist, Bonitätsanleihen zu verkau- fen“, sagt Philipp Melzer, Partner der interna- tionalen Wirtschaftskanzlei CMS in Frankfurt. „Gleichwohl sollten Institute sorgfältig prüfen, ob sie mit Blick auf ihren konkreten Einzelfall den Vertrieb an Privatanleger ruhen lassen, bis Klarheit herrscht.“ Udo Brinkmöller, Partner der Kanzlei BMS Rechtsanwälte in Düs- seldorf, rät zum Vertriebsstopp: „Späte- stens seit der Ankündigung des geplanten Vertriebsverbots und dem Hinweis, dass Bonitätsanleihen aus Sicht der Bafin für Privatanleger ungeeignet sind, dürfte ein erhebliches Haftungsrisiko bestehen.“ Noch kniffliger ist die Frage, ob die Banken von sich aus auf Kunden mit Bo- nitätsanleihen zugehen und ihnen einen Rückkauf anbieten sollten, um künftigen Pro- blemen vorzubeugen. „Eine Nachberatungs- pflicht gibt es in der Anlageberatung nicht“, so Brinkmöller. „Mag sein, dass der eine oder andere Berater seine Kunden dennoch auf den Sachverhalt hinweist. Ich kann mir aber kaum vorstellen, dass eine Bank gegenüber Kunden eine allgemeine Warnung bezüglich dieser Wertpapiere aussprechen wird.“ CMS-Anwalt Melzer empfiehlt ein indi- viduelles Vorgehen – je nach Bonitätsanlei- he, Kundensituation und Art des Beratungs- oder Verwaltungsmandats. „Wenn das Verbot ergeht, sollten Banken in jedem Fall einen genauen Blick auf die Kundenaltbestände werfen“, so Melzer. BERND MIKOSCH | FP Platzverweis: In Privatanlegerdepots haben strukturierte Produkte, die sich auf Kreditrisiken beziehen, der Bafin zufolge nichts zu suchen. 320 www.fondsprofessionell.de | 3/2016 steuer & recht I bonitätsanleihen Foto: © fotolia | DragonImages Erstmals will die Finanzaufsicht eine ganze Produktkategorie verbieten: Bonitäts- anleihen. Die Branche läuft Sturm – und Banken stehen vor ungelösten Fragen. Rote Karte von der Bafin

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