FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2016

232 www.fondsprofessionell.de | 4/2016 vertrieb & praxis I flaggschifffonds Foto: © Fotolia | Waldteufel A ls Michael Hasenstab im Januar 2010 beim FONDS professionell KON- GRESS in Mannheim auftrat, war er in Amerika bereits ein Star, hierzulande aber nur Insidern bekannt. Genau in diesem Jahr sollte jedoch sein Durchbruch gelingen. Deutsche Anleger vertrauten dem Templeton Global Bond mehr als 1,5 Milliarden Euro an. Der Anleihenfonds stieg zum zweiten Flaggschiff der Kalifornier auf – neben dem Templeton Growth Fund. Der wiederum schloss kaum mehr an seine früheren Erfolge an. Geschichten über Aufstieg und Fall gibt es viele in der Fondsindustrie. So errang später Richard Woolnough mit seinem M&G Opti- mal Income Fund die Gunst deutscher Anle- ger. Dafür zogen sie ihr Geld von einem anderen Dickschiff der Briten ab, dem Global Basics Fund. Auch ein Franzose namens Edouard Carmignac wuchs mit seinem Zug- pferd Patrimoine zum Milliardenmanager und verschaffte seiner Produktpalette auch in Deutschland Bekanntheit. Später erlitt er einen Durchhänger, ähnlich wie der einstige Über- flieger bei europäischen Aktien, der Fidelity European Growth. Diese Beispiele haben eines gemeinsam: Die Anbieter dieser Dickschiffe gelten insge- samt als Vollsortimenter, Carmignac mit Ein- schränkungen. Im Vertrieb hierzulande neh- men die genannten Flaggschiffe jedoch ein großes Gewicht ein. Das zeigt eine exklusive Auswertung von FONDS professionell, für die die Redaktion BVI-Zahlen zu Fondsvolu- men und Nettomittelaufkommen der Publi- kumsfonds in Deutschland ausgewertet hat. Für Carmignac liegen nur europaweite Daten von Morningstar vor (siehe die folgenden beiden Seiten). Das Ergebnis: Der Erfolg im deutschen Retailmarkt scheint eng mit Wohl und Wehe einzelner Produkte verknüpft. „Wenn ein Anbieter einen neuen Markt erobern will, stellt er gern ein erfolgreiches Produkt ins Schaufenster. Er hofft, damit Leu- te in seinen Laden und in seine anderen Pro- dukte zu locken“, erklärt ein Branchenkenner die Strategie. Längst nicht immer geht dieses Kalkül auf. Das Geld fließt am Ende meist doch in die Vorzeigefonds. Fallen diese zu- rück, fließen unerbittlich Mittel ab – mitunter sogar noch, wenn sich die Leistung längst erholt hat. Ins übrige Sortiment konnten die Häuser aber oft nicht genug Geld lotsen, um eine Diversifikation des Geschäfts zu erzielen. Das Phänomen beschränkt sich nicht allein auf ausländische Anbieter, die mit ihren Flaggschiffen außerhalb ihrer Heimat Geld einsammeln wollen. „Vielfach liegen rund 90 Prozent des verwalteten Geldes in den zehn größten Produkten“, sagt Matthias Hübner, Partner der Unternehmensberatung Oliver Wyman. „Viele Asset Manager sehen sich in der Pflicht, ein Vollsortimenter zu sein“, er- klärt Hübner. Sie würden daher ein breites Angebot unterhalten, obwohl dies betriebs- wirtschaftlich nicht immer sinnvoll sei. „Nur sehr wenige Häuser bereinigen in aller Kon- sequenz ihre Produktpalette“, berichtet der Consultant. Schrotflinten-Prinzip Ein anderer Branchenkenner verrät die Hoffnung dahinter: „Einige Anbieter agieren nach dem Schrotflinten-Prinzip: Sie setzen darauf, dass von 20 aufgelegten Fonds schon ein oder zwei dabei sein werden, die erfolg- reich sind und nennenswerte Mittel einsam- meln“, berichtet der Insider. „Oft fehlt das Selbstvertrauen in die eigenen Produkte.“ So stehen Asset Manager vor einem Dilemma: Vorzeigeprodukte schaffen eine Abhängigkeit von deren Erfolg. Ein großes Sortiment soll dagegen die Geschäftsbasis verbreitern. Der Grat zwischen einer attraktiven Auswahl und einem Überangebot ist aber schmal. Eine überladene Produktpalette verkümmert dann rasch mangels Masse und entsprechend hoher Kosten vom flotten Beiboot zum Ballast. Der Spagat zwischen Dickschiffen und Diversifikation wird in Zukunft nicht einfa- cher, ganz im Gegenteil. „Die Bedeutung von Flaggschiff-Produkten bleibt bestehen und wird sogar zunehmen“, stellt Unternehmens- berater Hübner fest. Denn die Dominanz von gebundenen Vertriebskanälen wie Banken oder Versicherungen werde zurückgehen. Der offene Vertrieb, etwa über Onlinekanäle, wer- de zunehmen. „Dann spielen Faktoren wie der Wiedererkennungswert und die Verständ- lichkeit eines Produkts für Privatkunden eine Rolle.“ Und damit können nur Flaggschiffe aufwarten. SEBASTIAN ERTINGER | FP Erfolgreiche Fonds mit markanten Managern an der Spitze versprechen üppige Zuflüsse. Doch mitunter schaffen Flaggschiffprodukte eine fatale Abhängigkeit. Erschöpfte Zugpferde Pferdekutsche in Wien: Eine Fahrt im repräsentativen Gespann verspricht ein romantisches Erlebnis. Doch wehe, einer der Gäule macht schlapp.

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