FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2016

248 www.fondsprofessionell.de | 4/2016 vertrieb & praxis I kapitalpolster für asset manager Foto: © Fotolia | Martinan E igentlich schien es, als hätten die Aufseher weltweit bei der Jagd nach „Schattenbanken“ die Fondsindustrie vom Haken gelassen. Doch nun verschärfen die Behörden die Tonart gegenüber der Branche wie- der. Aufseher in den USA und Groß- britannien forderten einige Asset Ma- nager dazu auf, dickere Kapitalpolster anzulegen. Die US-Anbieter Vanguard und Franklin Templeton stockten die Kreditlinien bei ihren Hausbanken auf. Auch der britisch-schottische Anbieter Aberdeen musste seinen Kapitalpuffer ausweiten. Die Häuser sollen per Not- falldarlehen massive Mittelabflüsse ihrer Fonds ausgleichen, damit diese auch in Stressphasen liquide bleiben. Und auch die EU-Bankenaufsicht EBA stieß ein Verfahren an, um die Kapitalausstattung der Fondsindustrie neu zu ordnen. Die Aufseher klopfen derzeit alle Bereiche der Finanzwelt nach Risiken für die Stabilität des Gesamtsystems ab. Nachdem die Regulierung der Bankenwelt weit fortgeschritten ist, wenden sich die Be- hörden nun zunehmend Gefahrenherden abseits des Kreditsektors vor. Dabei rücken besonders Risiken für Anleger in den Blick. „Vermutlich sollen künftig auch Asset Mana- ger mehr Kapital vorhalten, um operative Risiken abfangen zu können“, sagt Matthias Hübner, Partner der Unternehmensberatung Oliver Wyman. „Zudem müssen sie im Falle eines Marktcrashs und massiver Mittelabflüs- se die Liquidität ihrer Fonds sicherstellen.“ Die Vermögensverwalter sollen sich also wie die Banken für Krisenszenarien wappnen. Sie sollen Mittel nachschießen, wenn Anleger in Scharen Geld aus den Fonds abziehen. Denk- bar ist dies etwa bei Portfolios, die mit Hoch- zinsanleihen oder Nebenwerten bestückt sind. Bei Verwerfungen kann es Managern schwer- fallen, genug Wertpapiere loszuschlagen, um abspringende Anleger auszuzahlen. Die Forderung der Aufseher wirft jedoch Fragen auf. Denn die Vermögensverwalter agieren nur als Treuhänder für ihre Kunden. Sie nehmen keine Werte auf die eigene Bilanz – anders als die Banken. Das Geld der Kun- den ruht in den einzelnen Sondervermögen. Die Bilanz eines Fondshauses speist sich allein aus den Gebühreneinnahmen und erscheint im Vergleich zum verwalteten Vermögen meist mickrig. Grundsätze in Gefahr Wie soll also ein Asset Manager genug Geld aufbringen, um im Krisenfall seine Fonds mit Geld zu bestücken? „Die Regulie- rer könnten Asset Manager dazu verpflichten, in den Fonds eine Liquiditätsquote einzu- halten“, erläutert Hübner. „Sie müssten dann permanent einen bestimmten Mindestcash- anteil vorhalten.“ Das könne weitergehen bis hin zu Einschränkungen bei der Rücknahme von Fondsanteilen, wie es sie etwa bei deut- schen offenen Immobilienfonds schon gebe. „Eine weitere Option wären Cashpools“, sagt der Unternehmensberater. Dabei würde zentral für alle Fonds eine bestimmte Höhe an Liquidität vorgehalten und bei Bedarf zeit- weise an einzelne Fonds „verliehen“. Die Idee dahinter: Auch bei großen Marktverwerfun- gen sind nicht alle Anlageklassen gleicher- maßen betroffen. Während etwa der Markt für Hochzinsanleihen einge- froren ist, bleibt der Handel in Geld- marktpapieren lebendig. „Einige Fonds verfügen über Liqui- dität, die sie anderen zur Verfügung stellen können“, erläutert Hübner, „allerdings widerspräche dies einem wichtigen Grundsatz: Jedes Sonder- vermögen muss für sich bestehen, es darf keine Verknüpfung mit anderen Sondervermögen oder Betriebsver- mögen bestehen.“ Tatsächlich hätte der Aufbau von zentralen Kassebe- ständen einen überaus schalen Bei- geschmack, schließlich spielten Cash- pools zum Beispiel beim Skandal um das Hamburger Investmenthaus Wöl- bern eine unrühmliche Rolle. „Ein anderer Weg wären Kreditli- nien, die sich die Asset Manager bei Banken einräumen lassen“, führt Hüb- ner weiter aus. Diesen Pfad geben die Behörden in der Praxis schon vor. Vanguard handelte daher mit seinen Banken aus, im Notfall drei Milliarden Dollar Kredit zu bekommen. Das sind 200 Millionen Dollar mehr als vor einem Jahr. Auch Franklin Templeton stockte seine Kreditlinie auf zwei Milliarden Dollar auf. Im Jahr 2009 hatte sich das mögliche Volumen auf eine Milliarde Dollar beziffert. Doch auch dieser Weg stößt auf Kritik, käme er doch einer kreditfinan- zierten Spekulation gleich – und das mitten in der Krise. „Das würde also prozyklisches Handeln provozieren“, warnt Hübner. Der französische Anbieter Amundi verzich- tet im Falle von Mittelabflüssen darauf, Dar- lehen in Anspruch zu nehmen. „Kreditlinien bringen zusätzliche Hebel und Risiken in einen Fonds“, erläutert Vincent Mortier, Co- Investmentchef beim größten börsennotierten Vermögensverwalter Europas. „Anleger, die einem Fonds die Treue halten, haben dann ein ganz anderes Risikoprofil. Das wäre unfair und sogar gefährlich.“ Die Franzosen haben stattdessen einen Notfallplan entwickelt, wonach Handelsaufträge der Fonds zentral koordiniert werden, um genug Liquidität für alle bereitzustellen. SEBASTIAN ERTINGER | FP Aufseher nehmen die Fondsindustrie ins Visier. Mehrere Anbieter mussten ihre Kreditlinien aufstocken, um im Krisenfall Mittelabflüsse abfedern zu können. Geld für Notfälle Dickes Kapitalpolster unterm Kissen: Aufseher fordern Asset Manager dazu auf, einen Notgroschen beiseite zu legen.

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