FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2016

308 www.fondsprofessionell.de | 4/2016 fonds & versicherung I betriebliche altersvorsorge Foto: © BMAS | Werner Schuering A ndrea Nahles hat sich durchgeboxt. Zwei Jahre ist es her, seit die Bundes- ministerin für Arbeit und Soziales an- trat, die betriebliche Altersvorsorge (bAV) zu reformieren. Für ihr „Sozialpartnermodell“, das sie im Herbst 2014 präsentierte, erntete die SPD-Politikerin harte Kritik aus den Rei- hen der Versicherer, der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften. Nahles strickte ihr Konzept um, präsentierte das überarbeitete Reformprojekt, holte ein Gutachten ein – und kündigte für den Herbst dieses Jahres den Re- ferentenentwurf für ein Betriebsrentenstär- kungsgesetz an. Jetzt ist er da. Was vor zwei Jahren nie- mand geglaubt hätte: Das heiß diskutierte So- zialpartnermodell ist Kernbestandteil des Ent- wurfs. Und es bietet sogar für renommierte bAV-Experten echte Überraschungen. „Mit der reinen Beitragszusage wagt die Bundes- regierung einen Bruch mit der 50 Jahre alten Praxis der betrieblichen Altersvorsorge“, er- klärt Marco Arteaga, Partner und bAV-Experte der Kanzlei DLAPiper in Frankfurt. „Der Ge- setzentwurf ist konsequent und geht über das Gutachten, das das Bundesarbeitsministerium in Auftrag gegeben hatte, hinaus“, sagt der Experte. Arteaga hatte das Rechtsgutachten gemeinsam mit Professor Peter Hanauer, Emeritus des Instituts für Arbeits- und Sozi- alrecht der Universität Köln, im Frühjahr 2016 erstellt. Revolutionäres Modell Der nun vorgelegte Referentenentwurf ent- hält im Wesentlichen zwei Maßnahmen, mit denen das Bundesarbeitsministerium die bAV in kleineren Unternehmen sowie bei Beschäf- tigten mit niedrigem Einkommen stärken will: die steuerliche Förderung, die Bundesfinanz- minister Wolfgang Schäuble (CDU) in Aus- sicht gestellt hatte, und das Sozialpartner- modell. Während die Steuererleichterungen eher moderat ausfallen, könnte das neue bAV- Modell die betriebliche Altersvorsorge in der Tat revolutionieren. Sollte es so umgesetzt werden wie derzeit vorgesehen, bräuchten Arbeitgeber, die das neue Modell auf Basis eines Tarifvertrags ein- führen, für die bAV ihrer Mitarbeiter keine Haftung mehr zu übernehmen. Da kein Ver- sorgungsniveau garantiert werden soll, son- dern die im Gutachten vorgeschlagene Ziel- rente vorgesehen ist, entfallen die bislang gel- tenden strengen Regeln für die Kapitalanlage. Damit wäre für Fondsgesellschaften der Weg zu einem Markt frei, den bisher die Versiche- rungsunternehmen dominieren. Die Asseku- ranz wiederum wird versuchen, mit ihrer bAV-Expertise zu punkten, um sich das ange- stammte Geschäftsfeld zu sichern. Eines steht jedoch fest: Während sich den Unternehmen neue Chancen bieten, werden Fondsvermittler und Versicherungsmakler nicht unbedingt zu den Profiteuren des neuen Gesetzes gehören. Moderate Steuervorteile „Die steuerliche Förderung ist nicht über- wältigend“, sagt Michael Schwerdtle. Ge- schäftsführer der Finanzberatung Heysenberg in Köln und Experte für bAV-Themen. Kri- tiker sind sogar der Ansicht, sie sei zu gering ausgefallen. So dürfen Arbeitnehmer künftig bis zu sieben Prozent der Beitragsbemes- sungsgrenze steuerfrei in ihre bAV fließen lassen. Derzeit sind es vier Prozent zuzüglich 1.800 Euro. Nachgerechnet wären es 2017 also maxi- mal 558 Euro mehr, die Arbeitnehmer in den westlichen Bundesländern steuerfrei für ihre betriebliche Altersvorsorge aufwenden könn- ten. Dies gilt natürlich nur für den theoreti- schen Fall, dass der Gesetzentwurf bis Anfang 2017 bereits umgesetzt wäre. Wie bisher sollen Beiträge in Höhe von vier Prozent der Bemessungsgrenze auch sozialversicherungs- frei bleiben. Arbeitgeber sollen überdies Zu- schüsse von 30 Prozent erhalten, wenn sie für Geringverdiener mit einem Monatseinkom- men von bis zu 2.000 Euro zwischen 240 und 480 Euro pro Jahr in eine Betriebsrente ein- zahlen. „Das Sozialpartnermodell ist hingegen sehr interessant“, erklärt Schwerdtle. Wird der Ent- wurf in seiner jetzigen Form in geltendes Recht überführt, ergeben sich für Arbeitgeber deutliche Erleichterungen. Dies war von An- fang an das erklärte Ziel von Andrea Nahles. Denn: Während der sogenannte Durchdrin- gungsgrad der bAV in Ländern wie Schweden oder den Niederlanden bei 90 Prozent liegt, sind es in Deutschland gerade einmal 60 Pro- Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat den Referentenentwurf für ein Betriebsrentenstärkungsgesetz vorgelegt. Dieser bringt echte Überraschungen. Andrea Nahles’ großer Wurf Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will mit einer reinen Beitragszusage Arbeitgeber aus der Haftung für Rentengarantien komplett entlassen. Damit bekämen Fondsanbieter Zugang zum Geschäftsfeld bAV.

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