FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2017

150 www.fondsprofessionell.de | 4/2017 markt & strategie I ultralange laufzeiten Foto: © Fotolia | wopa54 S pätestens seit die Republik Österreich mit ihrem Vorstoß, hundertjährige An- leihen zu begeben, in die Schlagzeilen gerückt ist, ist das Thema ultralanger Bonds medial virulent. Doch zuerst eine Abgrenzung: Ab wann verdient eine Anleihe überhaupt das Prädikat „ultralang“? Generell werden damit Papiere bezeichnet, deren Laufzeiten die herkömmli- chen 30 Jahre übertreffen, also Schulden mit einem Verfallsdatum, das 40, 50 oder 100 Jah- re in der Zukunft liegt. Eine weitere Sonder- form sind „Perpetuals“ oder „ewige Anlei- hen“, die über kein fixes Fälligkeitsdatum ver- fügen. Viele dieser Perpetuals sind jedoch nicht ganz beim Namen zu nehmen, sind sie in der Regel doch mit einem Datum versehen, zu dem der Emittent seine Schulden fällig stellen kann. Auch hier ist die Alpenrepublik eine Vorreiterin, hat die RBI-Bank doch im Sommer genau eine solche „Perpetual“-An- leihe über 650 Millionen Euro begeben. Das heißt, nicht nur Staaten begeben Schulden mit Laufzeiten, die bis ins nächste Jahrhundert gehen, auch Unternehmen versuchen sich auf diese Weise zu refinanzieren. Der Vorteil für das Unternehmen: Die Rückzahlung liegt sehr weit in der Zukunft. Der Nachteil: Der lau- fende Schuldendienst ist aufgrund der hohen Verzinsung höher. Wachsendes Angebot Genau diese höhere Verzinsung lockt jedoch Anleger und Investoren an – ange- sichts des nach wie vor bestehenden Rendite- notstandes sollte es also auch 2018 zu einer starken Emissionstätigkeit in diesem Segment kommen. Das gilt übrigens nicht nur für Europa, wo sich der Trend erst seit 2011 ab- zeichnet, sondern auch für die USA, wo Un- ternehmen wie Disney oder Coca-Cola bereits in den 1990er-Jahren den Markt der „Ultra- Longs“ bevölkerten. Auch Asien entdeckt den Charme der Ewigkeit für sich. Ein Beispiel war dieses Jahr die Emission des Chemiekon- zerns Chem China, der 600 Millionen US- Dollar an Perpetual Bonds mit einer Rendite von 3,9 Prozent emittierte. Die Anleihe war derart überzeichnet, dass man Schulden von mehr als fünf Milliarden US-Dollar an den Mann hätte bringen kön- nen. Diese große Nachfrage sorgt naturgemäß dafür, dass auch immer mehr Emittenten ultralange Emissionen ins Auge fassen. Für den Schuldner stellen sie auf dem aktuellen Zinsniveau ein Maximum an Planbarkeit zu einem vergleichsweise günstigen Preis dar. Sinngemäß gilt dasselbe für die potenziellen Käufer, allerdings nur wenn sie entsprechend lange Anlagehorizonte abdecken müssen – ty- pische Anleger sind bei solchen Bonds da- her Versicherungen und Altersvorsorgeein- richtungen. Soll der Privatkunde kaufen? Aufgrund der relativ hohen medialen Präsenz wäre es durchaus möglich, dass sich auch Privatanleger für diese Schuld- titel interessieren. Immerhin ist eine Ren- dite von beispielsweise 2,2 Prozent für die österreichische Hundert-Jahre-Anleihe re- lativ verlockend. Zudem kann die Anleihe ja über den Sekundärmarkt wie eine Aktie verkauft werden, man muss also nicht die Anleihen mit hundertjähriger oder gar ewiger Laufzeit werfen vergleichsweise hohe Zinsen ab – sind aber auch mit unkalkulierbaren Risken verbunden. Wenn der Dollar 7 Cent wert ist Ein Beispiel aus der Vergangenheit zeigt die Risiken extrem langer Laufzeiten auf. So wiesen etwa die hundertjährigen Anleihen der Santa Fe Railroad zur Fälligkeit einen inflationsbedingten Kaufkraftverlust von 93 Prozent aus. Überschaubare Aktivität Tagesumsätze der österreichischen Jahrhundert-Anleihe an der Börse Wien (in Euro) Eröffnungs- Tages- Tages- Schluss- Differenz Stück- Datum preis hoch tief preis in % umsatz 20.09.2017 102,10 102,10 102,10 102,10 – 0 22.09.2017 102,30 102,30 102,30 102,30 +0,20 % 0 25.09.2017 103,78 103,78 103,78 103,78 +1,45 % 0 26.09.2017 103,60 103,60 103,60 103,60 -0,17 % 0 27.09.2017 102,30 102,30 101,03 101,03 -2,48 % 2.000 28.09.2017 100,63 100,63 100,63 100,63 -0,40 % 0 29.09.2017 102,46 102,46 102,46 102,46 +1,82 % 0 02.10.2017 103,45 103,45 103,45 103,45 +0,97 % 0 Quelle: Wiener Börse

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=