FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2017

vertrieb & praxis I kristi mitchem | wells fargo asset management 244 www.fondsprofessionell.de | 4/2017 Foto: © Christoph Hemmerich W enn früher der Name Wells Far- go irgendwo aufgetaucht ist, dann hatten die Älteren Bilder von Westernhelden und Postkutschen im Kopf. Heute fällt einem als Erstes ein Bankenskandal von epischem Ausmaß ein. Im Sommer vergangenen Jahres kam ans Licht, dass Angestellte der US-Bank über Jahre hinweg nicht nur Millionen von Scheinkonten für nicht existente Kun- den eröffnet hatten, sondern auch hundert- tausende Versicherungsverträge ohne Ein- willigung von Kontoinhabern abgeschlos- sen hatten, nur um die von der Unterneh- mensführung gesetzten überehrgeizigen Umsatzziele zu erreichen. Die Bank hat das millionenschwere Entschädigungen gekostet, tausende von Mitarbeitern den Arbeitsplatz und den früheren Chef der Bank, John Stumpf, den Vorstandsposten und einen Millionenbonus. Mitten in die Skandalereignisse hinein trat Kristi Mitchem im Juni 2016 ihren neuen Posten als CEO der Asset-Management-Sparte von Wells Fargo an. Alles andere als ein Einstieg, wie man ihn sich wünscht. Wie man mit so einer Situation umgeht, beschreibt die Amerikanerin neben ihren Plänen für Deutschland im Interview. Frau Mitchem, welche Rolle kann eine Gesellschaft wie Wells Fargo Asset Ma- nagement in einem Markt einnehmen, der schon heute als überbesetzt gilt? Kristi Mitchem: Ich denke, was uns am deut- lichsten von anderen Investmentunternehmen unterscheidet, das ist die Unternehmensstruk- tur. Wir verfügen über insgesamt 29 integrier- te und autonome Investment-Teams, von de- nen jedes seinen eigenen Anlageprozess und seine eigene Investmentphilosophie verfolgt und entsprechend seiner jeweils erzielten Per- formance honoriert wird. Im Prinzip muss man sich das als Multi-Boutique-Ansatz vor- stellen, der dafür sorgt, dass jeder sich auf das konzentriert, was er wirklich gut kann. Als große Klammer fungiert dabei unsere zentrale Einheit, die sich übergreifend umAspekte wie Risikomanagement, Controlling, Compliance und Vertrieb kümmert. In einer Investment- welt, in der eine bestimmte erreichte Größe einerseits und die Möglichkeit zu wachsen an- dererseits entscheidende Faktoren sind, ist die- se Struktur bereits gut im amerikanischen Markt etabliert, bietet aber auch für andere Märkte wie den hier in Europa und vor allem Deutschland und Österreich seine Vorteile. Soll das heißen, dass Sie auf einen eigenen Chief Investment Officer ver- zichten? Keineswegs, aber wir haben ein anderes Ver- ständnis von der Funktion eines CIO. Seine Rolle in unserer Gesellschaft besteht vor allem im Risikomanagement, aber auch der Kontrolle, dass Investmentprozesse eingehalten werden, und weniger darin, die großen Investmentlinien vorzuzeich- nen, an die sich dann alle halten, wie das häufig bei anderen Firmen der Fall ist. Aber wo liegt der tatsächliche Mehr- wert einer Wells Fargo Asset Manage- ment in einerWelt, die zunehmend von einer Art Passivierung des Investment- geschäfts geprägt ist? Obwohl unser Fußabdruck hier in Europa bisher noch relativ klein ist, können wir in Investmentbereichen wie zum Beispiel US-Small-Caps oder US-Credit durchaus Mehrwerte liefern, die viele europäische Investment Manager nicht bieten können und die nur schwer über passive Invest- ments erfolgreich abzubilden sind. Darüber hinaus haben wir zum Thema passive Invest- ments generell eine etwas andere Einstellung als viele andere Marktteilnehmer. Können Sie das etwas näher erläutern? Es geht nach unserer Auffassung überhaupt nicht um die Frage, ob aktiv oder passiv bes- ser ist, wie sie die meisten Diskussionen zu diesem Thema beherrscht. Die Frage muss lauten: Wann passiv und wann aktiv und jeweils für wen? Denn es dürfte unbestritten sein, dass es immer wieder Zeiten gibt, in denen eher passive Investments erfolgver- sprechend funktionieren und umgekehrt. Das heißt, es geht zum einen darum, den richtigen Zeitpunkt für das jeweilige Vehikel zu finden. Gleichzeitig muss man entscheiden, welche Anlageform zu welchem Anlegertyp am besten passt, um seine Investmentbedürfnisse optimal abzubilden. Das mag im ersten Moment relativ banal klingen, ist es aber bei näherer Betrachtung keineswegs. Dann machen wir es doch etwas konkre- ter: Bei Assetklassen wie US-Small-Caps oder US-Credit, die Sie genannt haben, Im Gespräch mit FONDS professionell ist Kristi Mitchem , CEO der Asset-Management-Sparte von Wells Fargo , bemüht aufzuzeigen, dass hinter dem Unternehmensnamen viel mehr steckt als ein handfester Bankenskandal, auf den man derzeit reduziert wird. Kein Wunder, denn das US-Haus will hierzulande durchstarten. „Beim Thema Multi-Asset wird » Wir verfügen über insgesamt 29 integrierte und autonome Invest- ment-Teams, von denen jedes seinen eigenen Anlageprozess und seine eigene Investment- philosophie verfolgt. « Kristi Mitchem, Wells Fargo AM Kristi Mitchem Am 1. Juni 2016 trat Kristi Mitchem ihre Aufgabe als CEO von Wells Fargo Asset Management an. Zuvor war sie als Executive Vice President für die Leitung der Bereiche Ver- trieb und Kundenbetreuung bei State Street Global Advi- sors (SSGA) verantwortlich. Mitchem kam 2012 von Blackrock zu SSGA und hat schon beim früheren Arbeit- geber Barclays Global Investors den Bereich Defined Con- tribution geleitet. Ihre Karriere begonnen hat sie nach dem Studium der Politikwissenschaften bei der Goldman- Sachs-Gruppe, für die sie neun Jahre tätig war.

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