FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2017

318 www.fondsprofessionell.de | 4/2017 fonds & versicherung I run-off Foto: © Fotolia | klesign, Aktuar V erbraucherschützer arbeiten schon seit Jahren daran, die Lebensversicherung schlechtzureden. Zu teuer, zu rendite- schwach, zu unflexibel, so das Credo. Den- noch lief das Geschäft weiter, als wäre nichts passiert – bis es die Branche selbst geschafft hat, das Image ihres einstigen Vorzeigepro- dukts schwer zu beschädigen. Die „Bild“- Zeitung titelte: „Muss ich jetzt um mein Geld zittern?“ Und diese Schlagzeile gehörte noch nicht einmal zu den krassesten. Was war pas- siert? Die Generali Deutschland hatte Ende September angekündigt, ihre Bestände an klas- sischen Lebensver- sicherungen auf eine externe Ge- sellschaft übertra- gen zu wollen. Nur zwei Tage zu- vor hatte die Ergo gemeldet, nach potenziellen Käu- fern für ihr Policen-Portfolio zu suchen, und die Axa hat ebenfalls Pläne für den im Fach- jargon „Run-off“ genannten Schritt in der Schublade liegen. Seither hyperventilieren nicht nur Medien, die sich ansonsten eher mit Adelshäusern oder der Bundesliga befassen. Auch Millionen Kunden sind verunsichert. Dabei sind Run-offs an sich nichts Unge- wöhnliches und schon gar nichts Neues. Bei Sachversicherungen gab es solche Übertra- gungen schon vor dem Jahrtausendwechsel, und auch im Lebensversicherungsgeschäft sind sie geübte Praxis. Allerdings ist Run-off nicht gleich Run-off – es gibt verschiedene Modelle. Die Übertragung der Bestände auf einen externen Abwickler scheint in Mode zu kommen, ist aber nicht der einzige Weg. Ver- mittler sollten die verschiedenen Spielarten kennen – nicht nur um ihre Kunden unaufge- regt und sachlich informieren zu können, son- dern auch um die Auswirkungen auf ihr eige- nes Geschäft besser abschätzen zu können. FONDS professionell gibt einen Überblick. Eine offizielle Definition von Run-off fehlt. Die Branche versteht darunter allgemein ver- schiedene Szenarien der Abwicklung von Teil- oder Gesamtbeständen eines Versiche- rers. Gemeinsamer Nenner ist die Einstellung des Neugeschäfts, und der Bestand soll schrumpfen, lieber schnell als langsam. Das kann innerhalb der Gesellschaft oder eines Konzerns geschehen – als sogenannter inter- ner Run-off. Im Rahmen eines externen Run- offs kooperieren die Gesellschafen mit einem Dritten. Juristisch sind Bestandsübertragungen innerhalb oder außerhalb eines Konzerns durch Paragraf 13 Versicherungsaufsichts- gesetz (VAG) gedeckt. Soll ein ganzes Unter- nehmen übertragen werden, sind die Paragra- fen 17 und 18 VAG ausschlaggebend. Vier Modelle Trotz der vielen Varianten lassen sich dem selbstständigen Aktuar Bernd Heistermann zufolge vier Run-off-Modelle herausschälen. „Im ersten Modell wird nur ein Teil der Pro- duktpalette geschlossen und abgewickelt, etwa Policen mit klassischer Garantieverzinsung. Gleichzeitig haben die Kunden aber weiterhin Zugriff auf Fondspolicen oder Biometriepro- dukte wie Risikolebensversicherungen.“ Die- sen Schritt hat bereits eine ganze Reihe von Lebensversicherern getan. Auch in der Ver- gangenheit gab es immer wieder Gesellschaf- ten, die Tarife oder ganze Produktlinien ein- gestellt und dann abgewickelt haben. „Das zweite Modell, das am Markt beob- achtet werden kann, unterscheidet sich vom ersten dahingehend, dass die gesamte Lebens- versicherungsgesellschaft für den Neuzugang geschlossen ist“, so Heistermann weiter. Wenn der Versicherungskonzern weiterhin Neu- geschäft mit klassischen oder fondsgebun- denen Lebenspolicen schreibt, dann in einer anderen Gesellschaft, die unbelastet von den Altbeständen ist. So ging beispielsweise die Generali 2015 weitge- hend vor: Sie schloss das Neugeschäft für klassische Policen für Privatkunden, nur in der betrieblichen Altersvorsorge bot sie Ga- rantieprodukte weiter an. Biometrieprodukte vertreibt sie über ihre Tochter Dialog Leben, Fondspolicen schon seit jeher über die Aachen Münchener. In der dritten Alternative geht ein Versicherer noch weiter und schließt das Lebensgeschäft im ganzen Konzern. Heistermann zufolge gibt es dafür kein aktuelles Beispiel. „Allerdings könnte man die Arag Leben in der Phase nennen, in der sie das Neugeschäft eingestellt hatte, aber noch nicht auf die Frankfurter Leben über- tragen worden war.“ Das vierte und letzte Modell eines Run-offs ist das, welches gerade in den Medien disku- tiert wird: Der Bestand oder die Gesellschaft wird auf einen externen Dritten übertragen, der dann die Abwicklung vornimmt. Das kann ein anderer Erstversicherer oder eine spezialisierte Plattform sein, beispielsweise die Frankfurter Leben oder Viridium (früher Heidelberger Leben). Auch der Versicherer Mylife hat schon Bestände übernommen. Zu- dem plant die Athene Lebensversicherung, sich in diesem Bereich zu positionieren. Strategiewechsel Früher überwogen klar Run-offs gemäß Modell eins und zwei. Im Moment erwägen Versicherer vermehrt auch Variante vier, zwei Lebensversicherer ächzen unter Minizinsen und Solvency II. Einige trennen sich von ihren Beständen, Kunden sind verunsichert. Was Vermittler wissen müssen. Flucht vor dem Kunden Wo geht’s am schnellsten raus? Das scheint die Frage zu sein, die viele Lebensversicherer derzeit umtreibt. Sie wollen ihre alten Bestände mit hochverzinsten Policen loswerden – lieber heute als morgen.

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