FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2018

286 www.fondsprofessionell.de | 1/2018 bank & fonds I mifid II Foto: © contrastwerkstatt | stock.adobe.com S ven Röseler, im Private Banking der Deutschen Bank für rund 60 Kunden des gehobenen Segments zuständig, muss für Beratungsgespräche deutlich mehr Zeit einplanen als früher – Mifid II sei Dank. Wenn ein Kunde Geld anlegen möchte, startet Röseler in seinem Büro in der Filiale Frank- furt-Westend den „Anlagekompass“, ein aus- gefeiltes Programm, das ihn Mifid-II-konform durch einen vielstufigen Beratungsprozess führt. „Der Anlagekompass stellt sicher, dass der Berater den Kunden über wirklich jedes wichtige Detail aufgeklärt hat“, sagt Röseler. Andernfalls verhindert das Programm, dass der Prozess fortgesetzt wird. Die EU-Finanzmarktrichtlinie schreibt bei- spielsweise vor, dem Kunden im Erstgespräch alle Risikoklassen und die dazugehörigen Pro- duktkategorien zu erläutern. „Das kann sich – je nach Rückfragen des Kunden – durchaus eine Stunde hinziehen“, sagt Röseler. Erst dann beginnt die eigentliche Anlageberatung. Hält der Kunde bis zum Schluss durch, ver- lässt er die Filiale mit einem stattlichen Paket unter demArm. Die Beratungsdokumentation umfasst bei einem einfachen Depot schnell 50 Seiten. „Bei einem komplexeren Portfolio können es auch schon mal mehr als 100 Sei- ten sein“, berichtet Röseler. Ähnlich dürfte es derzeit in vielen Filialen von Geschäftsbanken, Sparkassen und genos- senschaftlichen Instituten ablaufen. Denn seit Mifid II am 3. Januar 2018 in Kraft getreten ist, hat sich in der Welt der Anlageberatung einiges verändert. Beratungsgespräche dauern oft deutlich länger. Die Dokumentation ist noch umfangreicher geworden. Und das Auf- zeichnen telefonischer Beratungsgespräche frisst Zeit – und geht so manchem Kunden auf die Nerven. Aber: Der neue Kostenaus- weis, von dem die Branche glaubte, er würde vielerorts Diskussionen über das Preis-Leis- tungsverhältnis auslösen, bereitet offensicht- lich kaum Probleme. Holpriger Start Ganz glatt verlief der Mifid-II-Start zu Jah- resbeginn nicht. Da Anlageberater Kunden nach den neuen Regeln nur geeignete Pro- dukte anbieten dürfen und sie bereits vor dem Abschluss über die Kosten des Investments aufklären müssen, benötigen sie von den Produktanbietern zahlreiche neue Daten (siehe Kasten auf Seite 290). Doch diese lagen bei den Vertrieben am 3. Januar nicht vollständig vor. „Wir arbeiten mit sehr vielen Produkt- lieferanten zusammen, einige Anbieter konn- ten nicht alle Daten pünktlich liefern“, berich- tet Ulrich Christmann, Leiter des Investment- und Beratungsgeschäfts der Deutschen Bank. Vor allem mit den Kostenangaben habe es Probleme gegeben. Im Filialvertrieb hatte das allerdings keine dramatischen Folgen. „Wir hatten unsere Pro- duktpartner schon Wochen vor dem Mifid-II- Start mehrfach darauf aufmerksam gemacht, welche Angaben wir von ihnen benötigen“, berichtet Christmann. Zwischen den Jahren wurden Nachtschichten geschoben, um alle Daten rechtzeitig in die „Maschine“, den Anlagekompass also, zu bekommen. Daher standen am 3. Januar alle Beratungsprodukte zur Verfügung. „Einige Produkte, die wir ohne Beratung anbieten, mussten wir aber aus dem Vertrieb nehmen“, sagt Christmann. Bei der Frankfurter Sparkasse lief es nicht ganz so geschmeidig „Die ersten Wochen waren schwierig“, erklärt Thorsten Haus, der federführend mit der Umsetzung von Mifid II betraut war. Bei einigen Produkten waren die Zielmarktfelder falsch oder gar nicht ausge- füllt, zum Teil fehlten auch die Angaben für den Kostenausweis. Noch immer liegen nicht für jedes Produkt alle Daten korrekt vor. „Aber jetzt läuft das Ganze deutlich stabiler als noch vor wenigen Wochen“, sagt Haus. Viel Raum für Interpretationen Christmann treibt mit Blick auf Mifid II bereits eine andere Frage um. „Die Richtlinie und die nationale Umsetzung eröffnen zahl- reiche Interpretationsspielräume“, sagt er. Es gibt in der Branche bislang keinen Konsens, wie etwa mit dem Kostenausweis in der Telefonberatung umgegangen werden muss, wie detailliert ein Beratungsgespräch abzulau- fen hat oder wie umfassend die Geeignetheits- erklärung ausfallen soll. Das zeigt sich wohl erst, wenn die Finanzaufsicht Bafin klärt, wel- che Auslegung sie sich konkret vorstellt. Die Deutsche Bank hat die Vorschriften erst einmal sehr ernst genommen. „Vielleicht stellt Seit dem 3. Januar ist die EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid II in Kraft. Die neuen Vorschriften bescheren Beratern mehr Arbeit und strapazieren die Geduld der Kunden. Eine erste Bestandsaufahme. Beratung verlängert Erst einmal ausführlich über alle Risiken aufklären: Unter Mifid II dauern Beratungsgespräche länger, die Dokumentation wird umfangreicher. Das geht nicht nur vielen Anlageberatern auf die Nerven, sondern auch zahlreichen Kunden.

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