FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2018

288 www.fondsprofessionell.de | 1/2018 sich später heraus, dass wir die Regeln etwas zu streng auslegen und die Vorgaben an der einen oder anderen Stelle womöglich etwas gelockert werden könnten“, hofft Christmann. „Um nicht falsch verstanden zu werden: Mifid II zielt auf einen besseren Anleger- schutz ab – ein Anliegen, das wir alle hier absolut unterstützen. Aber in der praktischen Umsetzung wird mitunter über das Ziel hinausgeschossen.“ So werde bei den Beratungsgesprächen anfangs enorm viel über Kosten und Risiken eines Investments gesprochen. „Die Chancen finden frühestens nach einer halben Stunde statt“, sagt Christmann. Anlage-Neulinge brauchen ein dickes Fell, um am Ende zu sagen: „Ja, ich will das Produkt trotzdem.“ Erfahrene Anleger benötigen diese Infor- mationen meist nicht mehr, werden aber dennoch damit behelligt – ob sie wollen oder nicht. Private Banker Röseler zum Bei- spiel muss auch mit seinen Bestands- kunden lange Aufklärungsgespräche führen, schon wegen der Umstellung von fünf auf sieben Risikoklassen. Bei Produktgruppen, die im Depot fehlen, sind nähere Erläuterungen nötig. „Da- her kann es passieren, dass ich einem Banker erklären muss, wie ein Geld- marktfonds funktioniert.“ Angenehm ist das nicht – für keine Seite. Thorsten Haus hat Mitleid mit den Beratern der Frankfurter Sparkasse. „Sie bekommen den Unmut der Kun- den zu spüren“, sagt er. „Die fragen sich, warum der Beratungsprozess noch län- ger dauert und am Ende noch mehr Papier anfällt.“ Er könne jeden verstehen, der von einem „unnötigen Bürokratiemonster“ spre- che. „Wo der ganz konkrete Nutzen für den Kunden liegen soll, ist für mich jedenfalls schwer zu erkennen“, meint er. Was für die Berater großer Sparkassen und Banken schon nervenaufreibend ist, trifft klei- ne Institute in ländlichen Regionen ungleich mehr. So zum Beispiel die gemessen an der Bilanzsumme kleinste deutsche Volksbank in Struvenhütten, Schleswig-Holstein. „Die um- fassenden Beratungsgespräche und die Doku- mentation sind für uns ein Problem“, sagt Vor- stand Heinz-Eugen Behn. Schließlich hat er nur zwei Mitarbeiter und eine Kraft mit einer halben Stelle. „Wir überlegen daher jetzt, ob wir das Wertpapiergeschäft ganz aufgeben“, sagt Behn. Die telefonische Beratung über Fonds hat die Volksbank zum Jahresanfang aufgrund der neuen Pflicht zum Taping bereits eingestellt. „Wir müssten jedes Gespräch auf- zeichnen, dafür bräuchten wir eine neue Tele- fonanlage“, sagt Behn. Das rechnet sich für seine kleine Bank einfach nicht. Immer wieder dasselbe Bei den größeren Instituten läuft das Taping seit Januar – stößt aber nicht gerade auf Be- geisterung. Wenn Röseler Private-Banking- Kunden am Telefon berät, führt ihn der An- lagekompass ebenso wie beim persönlichen Gespräch durch den Beratungsprozess. Das System ist so programmiert, dass es nur Pro- dukte vorschlägt, die für den Anleger geeignet sind. Trotzdem muss Röseler am Telefon für jeden einzelnen Fonds wiederholen, dass er auch wirklich zum Kunden passt. Beratung am Telefon ist auch aus einem anderen Grund schwieriger geworden. „Viele Kunden, die selbst Anlageideen haben, wür- den darüber gern schnell am Telefon mit ih- rem Berater reden“, sagt Christmann. Das ist faktisch aber nicht mehr möglich. Denn bevor der Berater mit dem Kunden über ein Finanz- produkt spricht, muss er prüfen, ob es zu sei- nem Risikoprofil passt. Und selbst wenn ein Kunde schon zehnmal über die Risiken von Aktieninvestments aufgeklärt wurde – das elf- te Mal muss wieder sein. Ein Anleger habe sich „entmündigt“ gefühlt, berichtet Christ- mann. Er vermutet, dass viele erfahrene Kun- den künftig keine Anlageberatung mehr in Anspruch nehmen werden, sondern eher online auf eigene Faust ordern oder in die Vermögensverwaltung wechseln. Doch es gibt auch positive Nach- richten. Aufgrund der gestiegenen An- forderungen haben die Banken und Haftungsdächer bessere Beratungs- tools entwickelt. Sven Röseler etwa ist mit dem Anlagekompass sehr zufrie- den. Torsten Daenert, Leiter Pro- duktmanagement Wertpapier bei der Commerzbank, berichtet, die neue Beratungsplattform „One“ werde von den Kollegen als „große Unter- stützung“ wahrgenommen. Christian Hammer, Geschäftsführer des Haftungsdachs NFS Netfonds, ließ 180 Berater darüber abstimmen, wie sie mit dem neuen Mifid-II-konformen Beratungsprozess in der hauseigenen Adworks-Software zurechtkommen. bank & fonds I mifid II Foto: © Targobank; Deutsche Bank Ulrich Christmann, Deutsche Bank: „Vielleicht haben wir die Regeln etwas zu streng ausgelegt.“ Alfredo Garces, Targobank: „Die Kunden fühlen sich von den vielen Kosteninformationen regelrecht erschlagen.“ Akzeptanz gefunden Frage an 180 NFS-Berater, wie ihnen der neue Beratungsprozess in Adworks gefällt Schon kurz nach dem Start kamen die meisten NFS-Partner mit dem neuen Beratungsprozess zurecht. Quelle: Umfrage von NFS Netfonds, Februar 2018 0 % 5 % 10 % 15 % 20 % 25 % 30 % Gefällt überhaupt nicht Verbesserungs- bedürftig Ok Gut Sehr gut 30,5 % 35,4 % 12,2 % 14,6 % 7,3 %

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