FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2018

Lebens 0 Jahre 0 500 1.000 1.500 2.000 2.500 3.000 3.500 4.000 Todesfälle 2011 1911 50 Jahre 10 20 30 40 60 70 80 90 100 Jahre 326 www.fondsprofessionell.de | 1/2018 fonds & versicherung I sterbetafeln Foto: © Fiedels | adobe.stock.com D ie Lebenserwartung in Deutschland und anderen Industriestaaten kannte lange Zeit nur eine Richtung: aufwärts. Damit könnte es nun vorbei sein – zumindest in Großbritannien haben Mathematiker er- rechnet, dass die Lebenserwartung von 65- jährigen Männern um ein halbes Jahr gesun- ken ist. Daher mussten die Versicherer auf der Insel ihre Sterbetafeln ändern, die die Alters- und Todesdaten einer Bevölkerung statistisch auswerten und ein Faktor bei der Berechnung von Prämien und Kapitalrückstellungen für klassische Rentenpolicen sind. Auch bei Fondspolicen spielen die Tafeln eine Rolle (siehe FONDS professionell 1/2017, S. 314). Müssen auch die deutschen Versicherer ihre Tarife neu kalkulieren? Ein näherer Blick auf die Materie und die Frage, welche anderen Faktoren für die Prämienberechnung wichtig sind, hilft bei der Antwort. Sterbetafeln „Das Statistische Bundes- amt sammelt Daten, wie viele Personen eines jeden Alters leben und wie viele davon in einem Jahr star- ben“, erklärt der selbststän- dige Aktuar Bernd Heister- mann. Die so auf Jahresbasis oder auf Grundlage von drei Jahren erhobenen Zahlen wer- den zunächst aggregiert. Dann werden vereinfacht dargestellt Quotienten für jedes Alter be- rechnet: Die Zahl der Toten wird dividiert durch die Zahl der Lebenden – auch getrennt nach Ge- schlecht. Diese so berechneten Quotien- ten, im Fachjargon Ster- bewahrscheinlichkeiten ge- nannt, liegen zwischen null und eins. „Wichtig ist, dass sie mit demAlter steigen“, betont der Aktuar. Im nächsten Schritt glätten Mathematiker die Reihen und entwickeln die beobachteten Sterbewahrscheinlichkeiten zu sogenannten Generationentafeln weiter, indem sie die den seit über 100 Jahren andauernden Trend zu einer gestiegenen Lebenserwartung aufgrund des medizinischen und technischen Fort- schritts berücksichtigen. Denn dieser ist im- mens: Nach Angaben des Statistischen Bun- desamts hatten Männer, die 1900 geboren wurden, eine Lebenserwartung von 46,3 Jah- ren, Frauen kamen auf 52,3 Jahre. 2017 lag die Lebenserwartung eines Neugeborenen da- gegen bei 84,3 beziehungsweise 88,2 Jahren. Die Assekuranz nutzt aber nicht die offiziel- len Zahlenreihen des Statistischen Bundesamtes, sondern die der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV), die auf denen der Behörde aufbauen. „Der Unter- schied zwischen der soziodemografischen Struktur ihrer eigenen Bestände und derjeni- gen der gesamten Bevölkerung ist zu groß“, erklärt Heistermann. Vor allem ist die durch- schnittliche Lebenserwartung der Rentenver- sicherungskunden im Schnitt erheblich höher als die der übrigen Bürger. „In der Regel schließen nämlich diejenigen, die sich fit fühlen und sparen können – was häufig mit einem gesünderen Lebensstil zusammen geht – eine Rentenpolice ab“, so Heistermann. „Die Versicherer haben daher wesentlich mehr Gesunde im Bestand.“ Große Abschläge Das ist wichtig, um zu verstehen, welchen Einfluss die Tafeln auf die Kalkulation der Versicherungsprämien haben: Je älter eine Person wird, desto länger muss der Versicherer die in einer Police garantierte Rente zahlen. Die Gesellschaft muss also mehr Kapital mit den eingezahlten Prämien sowie den darauf basierenden Anlagen am Kapitalmarkt erwirtschaften beziehungs- weise vorhalten. Aus diesem Grund bauen die Aktuare bei der in der Ren- tenversicherung immer noch maßgeb- lichen Tafel DAV 2004RAbschläge von bis zu 40 Prozent auf die Sterbewahr- scheinlichkeiten der offiziellen Genera- tionentafel ein und verkleinern sie damit. Die kleinere Sterbewahrscheinlichkeit führt dazu, dass – bei sonst gleichen Parametern – höhere Prämien für die gewünschte Rente aufgebracht werden müssen. In Großbri- tannien zeigt sich das deutlich in der umgekehrten Richtung: Die Sterbewahrscheinlichkei- ten wurden wieder größer – und die Versicherer ha- ben umgerechnet rund 67 Milliarden Euro weniger aufzubringen. Bei Risikolebensversi- cherungen wird übrigens Stirb langsam Veränderungen in der Lebenserwartung ihrer Kunden spielen für Versicherer bei der Prämienkalkulation schon eine Rolle – aber keine so große, wie viele denken. Menschen sterben – aber immer später. Ihre Lebenserwartung ist in den vergangenen 100 Jahren stark gestiegen, zeigt der Vergleich der Verteilung der Todesfälle je Alter in den Sterbetafeln für 1911 und 2011, basierend auf je 100.000 Menschen. Quelle: Karl Michael Ortmann. In: Der Aktuar 1/2017, Seite 18

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=