FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2018

330 www.fondsprofessionell.de | 1/2018 fonds & versicherung I neue betreuungspflichten Foto: © Cobalt | stock.adobe.com K atrin Brünhagel ist richtig sauer. Die freie Journalistin ist 47 Jahre alt und seit 19 Jahren in ihrem Beruf tätig. Um für den Ruhestand vorzusorgen, hat sie gleich nach Abschluss des Studiums eine fondsge- bundene Rentenversicherung abgeschlossen. „Meine Versicherungsmaklerin hat mir da- mals die Police empfohlen“, berichtet Brün- hagel, der ein solcher Abschluss durchaus ver- nünftig erschien. „Aber mittler- weile glaube ich das überhaupt nicht mehr“, sagt sie. Sie ließ die Police jahrelang laufen. Doch eines Tages fiel ihr auf, dass sie gar nicht wusste, wie sich die Fonds darin eigent- lich entwickelt hatten. Danach hätte sie gern ihre Vermittlerin gefragt – doch die war nicht mehr im Beruf. „Bei der Versi- cherung hat mir auch niemand geholfen“, berichtet Brünhagel. Sie suchte sich einen neuen Berater, und der brauchte nicht lange, um ihr zu erklären, dass zwei der Fonds keineswegs mehr zu den sechs Prozent Rendite beitrugen, die ihre Po- lice eigentlich jährlich bringen sollte. „Hätte mich der Versi- cherer darüber nicht informie- ren müssen?“, fragt die Journa- listin erbost. „Oder meine Ver- mittlerin?“ IDD bringt strenge Pflichten Nein, lautet die Antwort. „In der Vergan- genheit kam es häufig vor, dass Versiche- rungsvermittler Fondspolicen verkauften und die Verträge jahrelang liefen, ohne dass in der Zwischenzeit jemand schaute, wie sie sich entwickeln“, sagt Eileen Keppler, Analystin beim Kölner Analysehaus Assekurata Solu- tions. Die Versicherer waren nicht dazu ver- pflichtet, zu überprüfen, ob die Produkte noch annähernd die im Vertrag in Aussicht gestellte Rendite erzielten. Die Vermittler erhielten da- rüber meist keine Informationen und sahen es auch nicht als ihre Aufgabe an, von sich aus auf die Unternehmen zuzugehen. So können Versicherer und Vermittler künf- tig nicht mehr verfahren. Das verhindert die EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie Insurance Distribution Directive (IDD), die am 23. Fe- bruar 2018 in Kraft getreten ist. Das neue Regelwerk sieht für Versicherer nun Über- wachungs- und Berichtsvorschriften vor – nicht nur für neue, sondern auch für bestehen- de Policen. Dies bringt auch für Vermittler be- stimme Pflichten mit sich, die sie unbedingt kennen sollten. Denn: Erleidet ein Kunde auf- grund mangelnder Informationen mit seiner Police einen finanziellen Schaden, haftet womöglich der Makler. Das deutsche IDD-Umsetzungsgesetz schreibt vor, dass Versicherer für Produkte einen klaren Zielmarkt bestimmen müssen. Vermittler dürfen nur innerhalb der Grenzen des definierten Zielmarktes verkaufen. Doch damit allein ist es nicht getan. Dafür sorgt zu allererst Paragraf 23 Absatz 1b des Versiche- rungsaufsichtsgesetzes (VAG). „Danach sind Versicherer verpflichtet, regelmäßig zu prüfen, ob sich ein Versicherungsprodukt noch inner- halb des einmal vorgesehenen Zielmarktes be- wegt“, erklärt Jens Reichow, Fachanwalt für Vertriebs- und Vermittlerrecht und Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Die- se Überwachungspflicht haben die Unterneh- men bei fondsgebundenen Policen in beson- derem Maße zu beachten. Schließlich können die hinterlegten Fonds in der Wertentwicklung schwanken und sich leicht von ihrem Ziel- markt entfernen. Das bedeutet nun nicht, dass Versicherer eilig reagieren müssen, wenn ein Fonds zwi- schenzeitlich einmal nicht die erwartete Performance liefert. „Paragraf 23 VAG legt aber fest, dass sie alle Ereignisse berücksichtigen müssen, die wesentlichen Einfluss auf das potenzielle Risiko für den de- finierten Zielmarkt haben kön- nen“, sagt Hans-Peter Schwin- towski, Professor am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Han- dels-, Wirtschafts- und Europa- recht der Humboldt-Universität zu Berlin. Entwickeln sich Fonds in einem Versicherungs- mantel also so negativ, dass die Police die festgesteckten Gren- zen zu verlassen droht, müssen Versicherer den Kunden auf jeden Fall darüber informieren. Zeit zu handeln Diese Pflicht ergibt sich aus Paragraf 6 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG). Hier ist festgelegt, dass Versicherer den Kunden „nach seinen Wünschen und Bedürfnissen“ zu befragen haben. Dies ist in Satz 1 geregelt. Satz 4 legt aber fest, dass die Verpflichtung auch während der Dauer des Versicherungs- verhältnisses besteht, soweit für den Versiche- rer ein Anlass für eine Nachfrage oder eine Beratung erkennbar ist. „Nun wird hoffentlich jede Gesellschaft erkennen, dass ein Anlass für eine Nachfrage und eine neue Beratung vorliegt, wenn eine fondsgebundene Police aus dem Zielmarkt läuft“, sagt Schwintowski. Spätestens dann sei es Zeit, aktiv auf den Künftig müssen Versicherer die Fonds in den Policen ihrer Kunden überwachen und darüber informieren, wenn es schlecht läuft. Auch auf Vermittler kommen wohl neue Pflichten zu. Rechtzeitig Alarm schlagen Ist Gefahr im Verzug, wird der Alarmknopf gedrückt. Auch Versicherer und Vermittler müssen in Aktion treten, wenn sich Fonds in den Policen ihrer Kunden negativ entwickeln.

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