FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2018

350 www.fondsprofessionell.de | 1/2018 steuer & recht I investmentsteuerreform Foto: © viperagp | stock.adobe.com, Axel Gaube W as war denn da passiert? Pri- vatanleger Klaus Mieling ist eigentlich ein echter Zahlen- mensch. Komplizierte Kostenaufstel- lungen erfasst der Prokurist, der sei- nen echten Na- men lieber nicht in der Presse lesen möchte, im Hand- umdrehen. Doch die drei Ab- rechnungen, die Mieling im Januar von der Comdirect Bank erhielt, gaben selbst ihm einige Rätsel auf. Aufgrund des Übergangs der bisherigen Fondsbesteuerung auf die Regeln des Invest- mentsteuerreformgesetzes hatte die Comdirect Mielings Anteile an dem thesaurierenden Portfolio Arero – Der Weltfonds am 31. De- zember 2017 fiktiv verkauft. Am 1. Januar 2018 wurden sie fiktiv wiederangeschafft. Am 12. Januar schickte die Bank dem Prokuristen nun eine Abrechnung, in der sie ihm den er- zielten fiktiven Veräußerungserlös mitteilte, fachsprachlich korrekt als „gestundete Steuer- bemessungsgrundlage“ angegeben. „Am 17. Januar habe ich von der Com- direct dann eine Stornierung bekommen“, berichtet der Anleger. Dort waren auf einmal ganz andere Werte zu lesen. Die Höhe aller thesaurierten Erträge, die Mieling mit dem Arero seit dem Kaufzeitpunkt erzielt hatte, belief sich statt auf 24,84 Euro jetzt auf 392,33 Euro. Der Betrag der gestundeten Steuerbemessungsgrundlage stieg damit von 3.736,81 Euro auf 4.129,16 Euro. „Am 31. Januar schickte mir die Comdirect erneut ein Storno“, berichtet Mieling. Und in dieser Abrechnung drehte sie alle Daten wieder auf die ursprünglichen Angaben zurück. „Selt- sam“, sagt der Zahlenprofi. Mit seinem Stirnrunzeln ist Klaus Mieling nicht allein. So mancher An- leger hat sich zu Jahres- beginn über verwirrende Abrechnungen seiner Depotbank gewundert. Zudem sorgten ver- schiedene Medienberichte für Verunsi- cherung. Wer in den ersten Monaten 2018 Anteile an thesaurierenden Fonds verkaufe, die vor 2009 erworben wurden, könne sein „blaues Steuer-Wunder“ erleben, war zu le- sen. Andere Medien berichteten von erzürn- ten Anlegern, denen ihre depotführenden Stellen Kapitalertragsteuer aufgrund unver- ständlicher Schätzwerte berechnet hatte. Irritierte Berater Bei FONDS professionell gingen darauf- hin zahlreiche Anfragen irritierter Berater ein. Um der Sache auf den Grund zu gehen, hat die Redaktion bei Steuerexperten, Depotbanken und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) nach den Ursachen der Ungereimtheiten gefragt. Es zeigt sich: Der Übergang auf die neue Fondsbesteuerung kann für Anleger in der Tat unangenehme Folgen haben. In der Auf- regung um das „Steuer-Chaos“ steckt jedoch auch viele heiße Luft. Richtig ist, dass alle deutschen de- potführenden Stel- len sämtliche An- teile an Investment- fonds zum 31. De- zember 2017 rechne- risch verkaufen und zum 1. Januar 2018 wieder an- schaffen mussten (sie- he Kasten auf Sei- te 352). „Der fikti- ve Verkauf/Kauf von Fondsanteilen zum Jahresende diente in erster Linie da- zu, die unterschiedlichen Veräußerungsge- winnermittlungsverfahren nach altem und neuem Investmentsteuergesetz zeitlich und der Höhe nach abgrenzen zu können“, sagt Andreas Beys, Vorstand des Kölner Vermö- gensverwalters Sauren, Steuerexperte und Mitglied im BVI-Steuerausschuss. „Der steuerpflichtige Vermögenszuwachs aus dem Zeitraum vor 2018 soll aber erst bei der tat- sächlichen Veräußerung durch den Anleger versteuert werden.“ Aus diesem Grund ver- wenden die Banken in ihren Abrechnungen auch den Begriff „gestundete Steuerbemes- sungsgrundlage“. Wie der Terminus „gestundet“ vermuten lässt, kommen auf Anleger Steuerzahlungen auf die fiktiven Veräußerungserlöse zu, wenn sie Fondsanteile später tatsächlich abstoßen. Das gilt zumindest, sofern sie diese vor Jah- resbeginn 2009 erworben haben. Nur bei so- genannten „bestandsgeschützten“ Alt-Antei- len, die vor dem 1. Januar 2009 gekauft wur- den, bleiben Kursgewinne aus dem rechne- rischen Verkauf dauerhaft steuerfrei. Um die gestundete Steuerbemessungs- grundlage zu ermitteln, benötigen die Depot- banken im bestimmte Daten: den letzten Zu Jahresbeginn ist die Investmentsteuerreform in Kraft getreten. Seitdem sorgen Meldungen über völlig überhöhte Steuerzahlungen für Wirbel. Was wirklich dran ist. Einfach mal die Luft rauslassen Wer wird denn gleich in die Luft gehen? Bevor Berater und Anleger sich aufgrund hoher Steuerzah- lungen über das Investment- steuerreformgesetz ereifern, gilt: Besser nüch- tern prüfen, ob Aufregung über- haupt angebracht ist. Investmentsteuer-Schule Das Investmentsteuerreformgesetz, das seit dem 1. Januar 2018 Wirkung entfaltet, ist ein komplexes Regelwerk. FONDS professionell hat daher die wichtigsten Punkte der Reform in zwölf Lektionen schon vor dem Inkrafttreten erklärt. Die komplette Serie gibt es auch zum Download (www.fponline.de/Reform118 ) als PDF: Online weiterlesen: QR-Code scannen oder www.fponline.de/Reform118 eingeben 

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