FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2018

Foto: © Wolf Heider-Sawall S chon im Vorfeld der Mifid-II-Einfüh- rung haben sich die unabhängigen Vermögensverwalter lautstark über die überbordende Regulierung beschwert. Seit Anfang dieses Jahres ist das Regelwerk nun Realität. Wie fällt das erste Fazit aus? Haben sich die schlimmen Befürchtungen bewahr- heitet? FONDS professionell traf zwei abso- lute Kenner der Szene in München zum Interview: Andreas Grünewald, als Gründer der Vermögensverwaltung FIVV seit fast 20 Jahren im Geschäft, ist seit April 2014 Vor- sitzender des Verbandes unabhängiger Ver- mögensverwalter (VuV). Stefan Lettmeier gehörte 2008 zu den Gründungsmitgliedern der V-Bank, die sich ausschließlich auf diese Klientel konzentriert. Seit 2010 sitzt er im Vorstand des Instituts. Herr Lettmeier, die ersten Monate unter Mifid II liegen hinter Ihnen. Wie fällt das Fazit aus Sicht einer Bank aus, die Vermögensverwalter betreut? Stefan Lettmeier: Es war ein Kraftakt. Doch am Ende sind wir mit unseren Geschäftspart- nern gut durchs Ziel gekommen. Dabei war die stressige Zeit für uns nicht unbedingt der Jahresbeginn, als die Regeln erstmals anzu- wenden waren, sondern schon das vergangene Jahr, in dem wir unsere gesamten Systeme fit für die neue Regulierung gemacht und alle Kooperationsverträge ausgetauscht haben. Die Mifid-II-Einführung hat uns rund eine Drei- viertelmillion Euro gekostet – zusätzlich zu den üblichen IT-Kosten von etwa einer Mil- lion Euro, die wir im Durchschnitt jedes Jahr schultern. Da war für ein vergleichsweise klei- nes Institut wie die V-Bank schon ein großes Rad zu drehen. Ging es nur um IT-Investitionen? Lettmeier: Nein, teuer sind auch die speziali- sierten Anwälte mit ihren hohen Tagessätzen. Unsere internen Kosten, also imWesentlichen die Arbeitszeit der Kollegen hier in der Bank, sind in der Rechnung übrigens noch gar nicht enthalten. Was unseren Fall besonders mach- te: Als Depotbank mit dazwischengeschalteten externen Vermögensverwaltern verfolgen wir ein spezielles Geschäftsmodell. Wie die Mifid- II-Regeln in diesem Fall konkret anzuwenden sind, fand sich weder im Gesetz noch in den Verlautbarungen der Bafin. Zu zentralen Fra- gen gab es erst sehr spät entsprechende Fest- legungen. Also haben wir versucht, in enger Abstimmung mit anderen Depotbanken und der Finanzaufsicht einen Marktstandard zu setzen, damit die wichtigsten Punkte bran- chenweit ähnlich umgesetzt werden. Waren die Kosten letztlich so hoch, dass Sie sie über höhere Gebühren an die Ver- mögensverwalter durchreichen mussten? Lettmeier: Nein, das lässt sich nicht durch- reichen. Das wäre nur möglich, wenn wir der einzige Anbieter auf diesem Markt wären. Herr Grünewald, wie sieht das erste Fazit aus Sicht des VuV aus? Andreas Grünewald: Wir begrüßen jede Ini- tiative, den Anlegerschutz zu verbessern, sa- gen aber genauso deutlich, dass spätestens mit Mifid II die Regulierungswut derart überhand- genommen hat, dass die durchaus positiven Aspekte wie die Kostentransparenz überdeckt werden. Das Regelwerk muss dringend nach- gebessert werden. Ein besonders krasses Bei- spiel ist die Pflicht, telefonische Beratungs- gespräche aufzuzeichnen. Zur Erinnerung: Wir haben es mit erwachsenen, mündigen Anlegern zu tun. Und dennoch dürfen die Kunden nicht auf die Aufzeichnung verzich- ten, selbst wenn sie das schriftlich erklären. Das ist ein klarer Fall von Entmündigung! Lettmeier: Das sehe ich genauso. Bei der Geldanlage, insbesondere in der Vermögens- verwaltung, basiert viel auf dem persönlichen Vertrauen zum Berater. Der Kunde möchte Themen mit seinem Vermögensverwalter auch vertraulich besprechen können. Dann will er nicht, dass das Gespräch aufgezeichnet wird und womöglich von jemand anderem abgehört werden kann. Grünewald: Der Anleger wird auch an ande- rer Stelle verärgert und letztlich überfordert. Wenn ein Vermögensverwalter heute einen neuen Kunden akquiriert, geht dieser mit einem ganzen Ordner Papier nach Hause. Wir würden uns freuen, wenn der Kunde das alles lesen würde – wir haben schließlich viel Geld dafür bezahlt. Doch das passiert nicht. Wie reagieren die Kunden, wenn sie den Ordner ausgehändigt bekommen? Grünewald: Häufig beobachte ich zwei Ex- treme: Die einen haben Vertrauen zum Ver- mögensverwalter gefasst und fragen nur: „Wo muss ich unterschreiben?“ Die anderen sagen: „Geh von mir! Ich bleibe doch bei meiner al- ten Anlage, von der ich zwar nicht überzeugt bin, aber diesen Formalismus mache ich nicht mit!“ Auch der Regulator muss erkennen: Ein Mehr an Information ist ab einem gewissen Maß ein Weniger an Information. Das lässt sich auch an der Kostentransparenz festma- chen. Die Grundidee begrüße ich sehr. Wenn auf einem Blatt Papier kompakt dargestellt wird, was der Fonds kostet, welche Gebühren für die Vermögensverwaltung anfallen und wie teuer die Depotführung ist, dann ist das Anlegerschutz in Reinform. Doch die Praxis sieht anders aus. Ich habe von meiner Haus- bank ein „Kostenbuch“ zugeschickt bekom- men – das heißt wirklich so! Es umfasst mehr als 20 Seiten Kleingedrucktes nur zu den Kos- ten. Das liest kein Mensch. Was da an Tonnen Papier durch die Gegend geschickt wird – da müssten eigentlich die Umweltschützer auf- schreien. Andreas Grünewald , Vorsitzender des Verbandes unabhängiger Vermögensverwalter, und V-Bank-Vorstand Stefan Lettmeier über die ersten Monate unter Mifid II – und ihre Hoffnung auf manche Erleichterung. „Die Gefahr ist real: Wir w » Die Mifid-II-Einfüh- rung hat uns rund eine Dreiviertelmillion Euro gekostet. Da war schon ein großes Rad zu drehen. « Stefan Lettmeier, V-Bank vertrieb & praxis I andreas grünewald | vuv + stefan lettmeier | v-bank 180 www.fondsprofessionell.de | 2/2018

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