FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2018

Fondspolicen fallen hingegen nicht unter den Begriff. „Eigentlich ist das unverständlich“, sagt Hans-Peter Schwintowski, Professor am Lehr- stuhl für Bürgerliches Recht, Handels-, Wirt- schafts- und Europarecht der Humboldt-Uni- versität zu Berlin. Schließlich hänge die Höhe der späteren Auszahlung ebenso wie bei der nicht geförderten Variante auch von der Kurs- entwicklung der Fonds im Versicherungs- mantel ab. „Argumentiert wird immer mit der staatlichen Förderung, aber das ist eigentlich kein Grund“, findet Schwintowski. „Wahr- scheinlich möchte der deutsche Gesetzgeber einfach, dass sich die Produkte leichter ver- kaufen“, vermutet er. Komplexe Produkte Vermittler Gerken ist nach wie vor verun- sichert. „Ich habe irgendwo gehört, dass man nur bei komplexen Versicherungsprodukten mit Anlagecharakter genau prüfen müsste, ob sie für einen Kunden wirklich geeignet sind“, berichtet er. Diese Ansicht ist in der Branche öfter anzutreffen, sie ist aber nicht ganz rich- tig. „Paragraf 7c Absatz 3 des neu gefassten VVG legt fest, dass auf eine Geeignetheits- prüfung nur dann verzichtet werden darf, wenn ein nicht komplexes Versicherungsan- lageprodukt vermittelt wird und der Makler außerdem nicht dazu berät“, erklärt Schwin- towski. So etwas komme in der Praxis aller- dings kaum vor. Zum einen müssen Versicherungsvermittler schriftlich sehr detailliert darlegen, dass und warum sie von einer Beratung absehen. „Das ist so umständlich, dass man besser gleich berät“, sagt Schwintowski. Zum anderen stellt sich die Frage, welche Versicherungsprodukte mit Anlageeigenschaften als nicht komplex gelten dürfen. „Dazu liefert eine EU-Richt- linie aus dem Jahr 2014 Anhaltspunkte“, sagt der Jurist. „Aber ich kann kein einziges deut- sches Versicherungsanlageprodukt ausma- chen, das nicht komplex wäre.“ Rechtsanwalt Glameyer sieht es genauso. „Wenn man sich einmal die Rechtsprechung zu Kapitalanlageprodukten anschaut, dann zeigt sich, dass beispielsweise schon Nach- rangdarlehen zum Teil als komplex eingestuft werden“, sagt er. Und diese sind deutlich einfacher gestrickt als fondsgebundene Ver- sicherungen. Für Vermittler, die nicht staatlich geförderte Fondspolicen zu ihrer Produktpalette zählen, führt an der Geeignetheitsprüfung also kein Weg mehr vorbei. „Kommt ein Makler dieser Verpflichtung nicht nach und empfiehlt da- raufhin ein ungeeignetes Produkt, so ist er ge- genüber dem Versicherungsnehmer schadens- ersatzpflichtig“, mahnt Experte Reichow. Müssen die Prüfungen nun einmal sein, so ist es gut, wenn Versicherungsvermittler einem logisch gegliederten Schema folgen können. Anwälte und Maklerpools unterstützen sie da- bei, indem sie Musterformulare zur Verfügung stellen. „Es ist auch möglich, sich inhaltlich an den Geeignetheitserklärungen von Kredit- instituten zu orientieren“, so Reichow. Anwalt Glamayer hat für seine Mandanten einen sehr umfangreichen Leitfaden erstellt. Er deckt alle Punkte ab, die bei einer Geeig- netheitsprüfung abgefragt werden müssen – und geht noch darüber hinaus (eine verkürzte Variante finden Sie auf der folgenden Seite, das komplette Muster steht unter dem Link am Ende des Artikels zum Download bereit). „Ergänzen würde ich den Punkt ‚Freies Ver- mögen‘“, sagt Glameyer. Zwar schreibt das neue VVG Vermittlern nicht vor, dass sie sich einen Überblick über alle bestehenden Kapi- talanlagen und die gesamte Vermögenssitua- tion eines Kunden verschaffen müssen. „Aber nur so kann ich prüfen, ob ein Versicherungs- produkt wirklich passt“, erklärt er. Nach allen Geldanlagen fragen Hat der Kunde etwa schon Beteiligungen an drei Schiffsfonds, sollte vielleicht nicht auch noch eine Police ins Depot, die auf ex- trem volatile Fonds setzt. Auch bei der Ermitt- lung von Kenntnissen und Erfahrungen ist es gut, sich nicht nur auf Versicherungsprodukte zu beschränken, sondern zusätzlich auch nach anderen Finanzanlagen zu fragen. Aufpassen sollten Vermittler auch bei den Punkten „Risikotoleranz“ und „Risikotrag- fähigkeit“. „Die beiden Aspekte müssen ge- trennt gecheckt werden“, sagt Glameyer. Denn: Ein Versicherungsnehmer mag bereit sein, einen bestimmten Verlust hinzunehmen. Dieser muss aber nicht zwangsläufig mit der Höhe der Einbußen übereinstimmen, die er sich objektiv betrachtet leisten kann. „Zuwei- len muss man Klienten auch schon mal vor sich selbst schützen“, mahnt der Jurist. Beurteilt der Vermittler schließlich, ob das gewünschte Produkt für sein Gegenüber wirk- lich geeignet ist oder nicht, sollte er noch ein- mal die Risikostreuung im Gesamtvermögen Jens Reichow, Jöhnke & Reichow: „Übliche Fonds- policen zählen zu den Versicherungsanlageprodukten.“ Gerichtssicher dokumentieren: Was Vermittler nie übersehen sollten Es sind kleine Schusseligkeiten, die jedem leicht unter- laufen können. Umso mehr, als die Anforderungen an die Beratungsdokumentation nun steigen und diese noch mehr Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Sollte ein Kunde später aus irgendeinem Grund klagen oder muss der Vermittler selbst vor Gericht ziehen, kann es fatale Folgen haben, wenn einer der folgen- den Punkte übersehen wurde. In der Praxis kommt dies keineswegs selten vor, wie Rechtsanwälte berichten. Dokumentation unterschreiben lassen: Die beste Beratungsdokumentation ist vor Gericht absolut wertlos, wenn der Kunde sie nicht unterzeichnet hat. In diesem Fall kann er vor Gericht ohne Weiteres behaupten, er kenne den Makler nicht einmal. Das Gegenteil ist dann schwer zu beweisen. Empfangsbestätigung: Natürlich muss der Kunde ein Exemplar der Beratungsdokumentation überreicht be- kommen. Doch das ist nicht genug. Vermittler sollten sich den Empfang unbedingt schriftlich bestätigen lassen. Andernfalls könnte ein Kunde in einem Pro- zess glaubhaft machen, dass er die Papiere zwar un- terschrieben, aber nie eine Ausfertigung erhalten hat. Originaldokumente aufbewahren: Die Auf- bewahrungspflicht für die Beratungsdokumenta- tion beträgt bekanntlich zehn Jahre. Auch wenn Scans platzsparend sind, sollten Makler niemals die Originale entsorgen. Liegt etwa nur ein PDF- Dokument vor, kann ein Kunde vor Gericht erklä- ren, er habe nie ein Beratungsprotokoll unterzeich- net, der Makler habe seine Unterschrift digital in das Dokument kopiert. Anwälte berichten von Fällen, in denen auf den Prozess auch noch eine Klage wegen Urkundenfälschung folgte. 303 www.fondsprofessionell.de | 2/2018

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