FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2018

D ie WWK schlug zu Neujahr 2018 zu, die Generali folgte – kein Aprilscherz – am 1. April: Für Teile des Bestands an Berufsunfähigkeitsversicherungen (BU) stiegen die Nettoprämien – im Fall der WWK seinerzeit um bis zu 40 Prozent, bei der Ge- nerali nun um acht Prozent. Schon 2016 hatte die WWK die Preise für manche Berufsgrup- pen deutlich erhöht, genau wie die Hanse Merkur. Die Makler wurden davon völlig überrascht. Dabei sind die Vermittler die Ersten, die den Zorn der Kunden zu spüren bekommen. Sofort kam die Frage auf: Haben sich eini- ge Versicherer verkalkuliert? Antwort: Im Prinzip nicht, denn in der BU-Versicherung gibt es zwei ausgewiesene Beiträge – den kal- kulierten Tarifbeitrag (Bruttobeitrag) und den Zahlbeitrag (Nettobeitrag). Gerade mit Letz- terem, der niedriger liegt, wird häufig gewor- ben. Er darf maximal bis zum Bruttobeitrag steigen, der im Vertrag genannt ist. Insofern kann von Fehlkalkulation keine Rede sein – auch nicht bei der WWK. Der Nettobeitrag kann vor allem aus zwei Gründen steigen: Es werden mehr Kunden berufsunfähig als vom Versicherer geschätzt, oder die Kapitalerträge fallen viel niedriger aus als bei Vertragsab- schluss erwartet. Fehlender Zins schlägt durch Letzteres passiert seit einiger Zeit und stellt die Anbieter von BU-Policen und anderen Risikoversicherungen auf eine harte Probe. Denn die Versicherer legen die Beiträge am Kapitalmarkt an. Die dort erwirtschafteten Renditen verwenden sie zur Beitragsminde- rung. Mit den so entstandenen Überschüssen macht mancher Versicherer dem Kunden ein Angebot zu einem Nettopreis, der nur halb so hoch ist wie der Bruttopreis. Seit knapp zehn Jahren herrscht jedoch Zinsflaute. Wegen stark gesunkener Überschüsse am Kapitalmarkt bewegen sich die Preise Rich- tung Bruttobeitrag, also nach oben. Nicht zufällig traf es die WWK, denn deren Unter- schied zwischen Netto- und Bruttobeitrag war oft besonders hoch, hat dasAnalysehaus Franke und Bornberg beobachtet. Man schmückte sich – bei inhaltlich guter Qualität der Police – eben auch mit einem sehr günstigen Preis. „Nach unserer Beobachtung ist die WWK der 13. Versicherer, der laufende BU-Überschüsse oder Boni senkt“, sagt Michael Franke, Ge- schäftsführer des Analysehauses. Das ärgert auch die Makler. Der Hambur- ger Maklerpool Maxpool hat sogar Beschwer- de bei der Finanzaufsicht Bafin eingereicht, da er bei der WWK bewusste Kundentäu- schung vermutete. „Es ist doch kein Zufall, dass 2016 eine Beitragsanpassung von satten 35 Prozent stattfand, die nur kurze Zeit später mit 40 Prozent noch einmal getoppt wurde“, ärgerte sich Pool-Chef Oliver Drewes. Die WWK habe gute Aktuare, weshalb klar sei, dass die „Anpassungen bereits lange geplant sein mussten“. Kenner argwöhnen in Sachen WWK ohnehin einen Rückzug aus dem BU- Neugeschäft. „Man könnte auch von einem Run-off per Tarifdeklaration sprechen“, so Franke. Die WWK reagiert auf Presseanfra- gen zu diesem Thema nicht. Nächste Preiswelle voraus? Aktuell trifft es nun BU-Kunden der Gene- rali. Der Versicherer kürzt die Überschuss- beteiligung für Verträge, die vor 2015 abge- schlossen wurden. Betroffen sind alle Berufs- gruppen. Als Grund wurde die schwierige Lage am Finanzmarkt genannt. Maximal acht Prozent Anstieg beim Überschusssystem Bei- tragssofortabzug klingen im Vergleich zur WWK moderat. Aber niemand kann aus- schließen, ob und wann die nächste Preiswelle rollt. Vermittler und Kunden von anderen Ver- sicherern könnten dann auch betroffen sein. Die Sache mit dem Niedrigzins ist für BU- Kunden noch aus einem anderen Grund be- sonders bitter: Sie müssen zwar an den Ertrags- quellen des Lebensversicherungsgeschäfts be- teiligt werden, am Risikoergebnis sogar zu 90 Prozent. Aber: Die Lebensversicherer dürfen in der Not zwischen den einzelnen Ergebnis- quellen Verrechnungen vornehmen. Sie kön- nen etwa ein negatives Kapitalanlageergebnis mit einem positiven Risikoergebnis verrech- nen. Also zwacken sie vom Risikoergebnis erst mal was für sich ab und packen es in der Bilanz an anderer Stelle drauf, ehe sie das Ri- sikoergebnis endgültig feststellen und mit den Kunden teilen. So gerät die BU-Versicherung in Gefahr einer Preisspirale. Der tiefe Fall der Zinsen bringt die Anbieter von Berufsunfähigkeitspolicen unter Druck: Sie müssen die Nettoprämien erhöhen – zum Teil deftig. Schmerzhafter Sturz Ein Sturz von der Leiter kann lebenslange Folgen haben – hoffentlich hat dieser Handwerker seine Arbeitskraft gut abgesichert. Auch der purzelnde Zins hat langfristige Auswirkungen, was sich etwa an höheren BU-Prämien zeigt. Foto: © Gino Santa Maria | stock.adobe.com, Stefan Neuenhausen, Assekurata 316 www.fondsprofessionell.de | 2/2018 fonds & versicherung I berufsunfähigkeit

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