FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2018

Auf die Möglichkeit zur Querverrechnung wies die Ratingagentur Assekurata schon vor zwei Jahren hin. „Dies können die Unterneh- men im Bedarfsfall ohne explizite Zustim- mung der Bafin tun“, sagt Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung. Er hat seinerzeit die Finanzkraft in der BU-Versiche- rung untersucht. „In der Niedrigzinsphase be- steht ein ‚Ansteckungsrisiko‘ für die BU-Ver- sicherung, das von der klassischen Lebensver- sicherung ausgeht“, betont Heermann. Die Lebensversicherung wirft immer weniger Er- trag ab, muss aber langjährig hohe Garantien erfüllen. „Faktisch würde das bedeuten, dass das Teilkollektiv der BU-Kunden für das Teil- kollektiv der Altersvorsorgekunden einspringt“, meint er. „Im Ernstfall machen die Gesellschaften von der Option der Querverrechnung Gebrauch, um ihre Bilanz zu stärken und das Gesamtkollektiv zu stabilisieren.“ Bei der WWK ist es um die Stabilität des BU-Geschäfts of- fensichtlich nicht mehr gut be- stellt. Die Situation war laut Fran- ke vorhersehbar. In der Studie „Stabilität der Berufsunfähig- keits-Versicherer“ 2016 von Fran- ke und Bornberg erreichte die WWK im Bereich „Stabilität“ nur Platz 55 von 57 Gesellschaf- ten. Zu den Gründen für das schlechte Abschneiden zählten der vergleichsweise hohe Brutto- beitrag, eine große Differenz zwi- schen Brutto- und Nettobeitrag, das Scoringmodell zur Prämienermittlung und die Absenkung des Verrechnungsgewinns An- fang 2016. Schuld an der Misere ist auch der scharfe Preiswettbewerb der vergangenen Jah- re. „Eine hohe Spreizung zwischen Brutto- und Nettobeitrag schafft zusätzlichen Kosten- druck, da die Provision üblicherweise am Bruttobeitrag bemessen wird“, erklärt Franke. Weniger Gewinnmarge heißt auch geringere Pufferkapazität. Kunden drohen höhere Zahl- beiträge. „Seit Jahren wurde die BU generell gemolken und immer mehr Marge geopfert, doch irgendwann ist Schluss“, so Franke. Makler sind skeptisch Interessant in diesem Zusammenhang: Mehr als jeder zweite BU-Versicherer hat zwischen 2002 und 2012 in mindestens einem Teilbestand Überschüsse gesenkt, ergab eine frühere Untersuchung von Franke und Born- berg. Das bleibt nicht ohne Folgen im Ver- trieb. So schnitten in der aktuellen Studie „Asscompact Award 2018 BU/Arbeitskraft- absicherung“ aus Maklersicht Alte Leipziger, Swiss Life und Volkswohlbund am besten ab. Die WWK rutschte auf Rang 23 ab, den letz- ten überhaupt noch als Topanbieter zu verge- benden Platz. Als Kandidat für eine künftige Zusammenarbeit wird unter Maklern nur die Axa noch seltener genannt. Die größten Kri- tikpunkte der Makler sind Tarifpolitik und Preis-Leistungs-Verhältnis der WWK. „Der grundsätzliche Rat für Vermittler, bei Preisvergleichen in der BU-Versicherung ne- ben der Nettoprämie stets auch die Bruttoprä- mie imAuge zu haben, erhält durch die Mög- lichkeit zur Querverrechnung im angespann- ten Zinsumfeld zusätzliche Relevanz“, betont Heermann. Somit gewinnt die Finanzkraft eines BU-Anbieters größere Bedeutung. „Ge- raten erst einmal die Beiträge unter Druck, sind auch Auswirkungen auf die Leistungs- regulierung nicht auszuschließen“, so der Assekurata-Experte. Aufklärung gefordert Eine aktuelle Stichprobe von Franke und Bornberg zum Regulierungsverhalten bei Aa- chen-Münchener, Ergo, HDI, Nürnberger, Stuttgarter, Swiss Life und Zurich Deutscher Herold, die 2016 zusammen auf fast 50 Pro- zent aller BU-Leistungsfälle des Gesamtmark- tes kamen, ergab im April: Fast 76 Prozent der Fälle, die zu einer Erstent- scheidung kommen, werden zu- gunsten der Kunden anerkannt. Als unbefriedigend bewertet Franke, dass fast ein Drittel der Ablehnungen aus Anfechtungen und Rücktritten der Versicherer resultiert (siehe Grafik). „Die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht ist durch Aufklä- rung von Verbrauchern und Ver- mittlern überwiegend vermeid- bar“, so Franke. „Versicherer soll- ten auf die Rechtsfolgen falscher Angaben im Antrag noch deutli- cher hinweisen.“ Und bei Ver- tragsabschluss stärker den Brut- tobeitrag als wahrscheinlichen Zahlbeitrag herausstellen, möchte man hinzufügen. DETLEF POHL | FP Michael Franke, Franke und Bornberg: „Die Entwicklung bei der WWK konnte nicht wirklich überraschen.“ Lars Heermann, Assekurata: „Lebensversicherer nutzen die Querverrechnung auch, um ihre Bilanz zu stärken.“ Viele Gründe, nicht zu zahlen Warum Versicherer Zahlungen an BU-Kunden ablehnen Lehnt der Anbieter die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente ab, liegt das in gut 30 Prozent der Fälle an Rücktritten und Anfechtungen der Versicherer. Gesamtzahlen der untersuchten Versicherer; Werte wurden per Stichprobe überprüft. Quelle: Franke und Bornberg Prognosezeitraum nicht erfüllt % 9,98 Anfechtung, Rücktritt (kausal), Rücktritt und Anfechtung 30,55 % med. Ablehnung (BU-Grad nicht erreicht) 48,51 % sonstige Gründe 4,22 % konkrete, abstrakte Verweisung, Umorganisation 2,52 % Ausschlussklausel 3,15 % Ausschlusstatbestand (bedingungsgemäß) 1,07 % 317 www.fondsprofessionell.de | 2/2018

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