FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2018

druck entstehen, die Plattform solle einzelnen Produktanbietern als Vertriebskanal dienen. „Es wäre aber keine Schwierigkeit, eine neu- trale Einrichtung zu gründen“, ist Morgenstern überzeugt. Dafür müsste die Bundesregierung das Projekt ausschreiben, unabhängige For- schungseinrichtungen könnten sich dann da- rum bewerben. Genauso ist es zum Beispiel bei der Produktinformationsstelle Altersvor- sorge (PIA) gelaufen. Der Kandidat, der sich in der Ausschreibung als am besten geeignet qualifiziert, würde dann offiziell mit der Auf- gabe betraut, das Rentenkonto zu führen. Versicherer zeigen sich offen „Das würde auch den Versicherern entge- genkommen“, sagt Rainer Schwenn, Aktuar im Produktmanagement Altersvorsorge des Finanzdienstleisters MLP. So zeigt eine Stu- die, für die MLP im November und Dezem- ber 2017 19 relevante Versicherungs- gesellschaften mit einem Marktanteil von rund 50 Prozent befragt hat, dass die Unabhängigkeit des Portalbetreibers und die Kontrolle der Daten auch für 90 Prozent der Unternehmen wichtig sind. Insgesamt steht die Assekuranz einem übergreifenden Renten- portal ohnehin positiv gegenüber: Fast 90 Pro- zent der Befragten würden sich sogar dauer- haft daran beteiligen (siehe Grafik unten). „Für Vermittler hätte ein Online-Renten- konto natürlich auch Vorteile“, ergänzt Schwenn. Die Bürger würden ihren mögli- chen Bedarf an zusätzlicher Altersvorsorge selbst erkennen. Eine solche Gesamtprognose könne dann ein guter Türöffner für Beratungs- gespräche sein. Versicherungsmakler und Finanzanlagen- vermittler könnten regelmäßig gemeinsam mit ihren Kunden einen Blick auf das digitale Konto werfen und prüfen, ob und wie sie ihre Altersvorsorge nachjustieren sollten. Dafür wäre es gut, wenn sich – vielleicht in einem zweiten Schritt – auch Fondsgesellschaften anschließen würden. Fondsdepots zählt der Gesetzgeber zwar nicht zur Altersvorsorge hinzu, für eine komplette Vermögensübersicht sind die Daten aber wichtig. Keine Kosten für den Staat Die Finanzierung eines Online-Renten- kontos hat das DIA in seinem Vorschlag auch berücksichtigt. „Die Kosten könnten die beteiligten Versicherer, Pensionskassen und Fondshäuser tragen, der Staat würde nicht belastet“, sagt DIA-Sprecher Morgenstern. Er hofft, dass die große Koalition das Projekt nun zügig in Angriff nimmt. Doch bisher sieht es nicht danach aus. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und das Bundesfinanz- ministerium (BMF) haben im vergangenen Herbst erst einmal ein Forschungsvorhaben in Auftrag gegeben, das bis Ende 2018 abge- schlossen sein soll. „Es sind noch sehr viele Punkte zu klären“, sagt Thomas Rogowski von der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Dazu gehörten neben der Datensicherheit etwa die Frage, wie vergleichbare Prognosen für die Leistung aus unterschiedlichen Altersvorsor- geprodukten entwickelt werden können oder wie die Inflation einzurechnen sei. „Es ist auch noch nicht entschieden, ob die säulen- übergreifende Renteninformation überhaupt digital erfolgen soll“, berichtet Rogowski. Fintechs preschen vor Während die Politik es also langsam und gründlich angehen lässt, preschen erste Fi- nanz- und Versicherungsplattformen vor – und entwickeln auf eigene Faust Online-Renten- konten. So ist im Herbst 2017 das Frankfurter Insurtech Clark mit einer digitalen schichten- übergreifenden Zusammenschau über künftige Rentenansprüche an den Start gegangen. Und seit März dieses Jahres ist das „Vorsorge- Cockpit“ der Plattform Fairr.de online. „Uns war klar, dass die wenigsten Sparer selbst berechnen können, wie hoch ihre Ge- samtrente später einmal ausfallen wird“, sagt Alexander Kihm, Leiter Produktentwicklung bei Fairr.de. Auch für Berater sei dies sehr schwierig, dafür sorge schon die unterschied- liche Besteuerung von Altersvorsorgeproduk- ten der drei Schichten. So hat sich das Berli- ner Unternehmen darangemacht, zunächst einmal für die gesetzliche Rentenversicherung eine praktische digitale Lösung zu entwickeln. Dabei muss der Nutzer ein Foto oder einen Scan des letzten Rentenbescheids hochladen. Die Software ermittelt daraus die Höhe der späteren Rente sowie eine eventuelle Versor- gungslücke. „Die Deutsche Rentenversiche- rung rechnet mit dem durchschnittlichen Ein- kommen der letzten fünf Jahre“, erklärt Kihm. Fairr.de nimmt hingegen die aktuelle Renten- anwartschaft als Grundlage. „Jobwechsel fin- den öfter statt als früher, die Höhe des Ein- kommens verändert sich schneller, daher er- Positives Urteil So bewerten Versicherer ein Online-Rentenkonto. Knapp 90 Prozent der Versicherer sind der Ansicht, ein Online-Rentenkonto würde die Beschäftigung mit der Alters- vorsorge fördern, ebenfalls fast 90 Prozent würden sich an dem Projekt beteiligen. Quelle: MLP-Umfrage unter 19 Versicherern Trifft voll zu Trifft überwiegend zu Trifft eher zu Trifft eher nicht zu Trifft kaum zu Trifft gar nicht zu 0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % Übersichtliche Renteninformation hilft, dass Bürger ihre Alters- vorsorge aktiv angehen. Würde sich Ihr Haus an einem Renten-Kompass- Portal beteiligen? Ein Renten-Kompass sollte neben Versicherungen auch Geldanlagen enthalten. 31,6 % 15,8 % 26,3 % 5,2 % 21,1 % 42,1 % 26,3 % 21,1 % 5,3 % 5,2 % 36,8 % 31,6 % 21,1 % 10,5 % Alexander Kihm, Fairr.de: „Die wenigsten Sparer können ihre spätere Gesamtrente selbst berechnen.“ Foto: © Fairr.de 326 www.fondsprofessionell.de | 2/2018 steuer & recht I online-rentenkonto

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