FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2018

scheint uns ein Durchschnitt aus Vergangen- heitswerten nicht so sinnvoll“, erklärt Kihm. Alle privaten und betrieblichen Vorsorge- verträge muss der User manuell eintragen. Das ist umständlich und fehleranfällig. Schwierig ist es auch, Versicherungsverträge, die keine Verrentung vorsehen, oder Kapital aus Fondsdepots in die Berechnung der mo- natlichen Rentensumme einzubeziehen. Dafür wäre ein Umrechnungstool praktisch, das bisher aber nicht zur Verfügung steht. „Die einzig vernünftige Lösung ist ohnehin nur ein öffentliches Online-Rentenkonto, das Staat und Branche gemeinsam gestalten“, sagt Schwenn. Dennoch bieten kostenlose Tools wie das „Vorsorge-Cockpit“ von Fairr.de oder das ähnlich konzipierte Prognosemodell des Start-ups Clark immerhin eine erste Übersicht. Olaf Lübke will die Programme auspro- bieren. Denn bis den Bundesbürgern ein offi- zielles Online-Rentenkonto zur Verfügung steht, wird noch einige Zeit vergehen. In Schweden hat es bis zur ersten Version fünf Jahre gedauert. ANDREA MARTENS | FP Anders Lundström | Minpension.se „Jedes Jahr 300.000 neue Nutzer “ Anders Lundström, Geschäftsführer der Plattform Minpension.se, die in Schweden die digitale Rentenübersicht betreibt, über den Nutzen solcher Online-Konten und die Schwierigkeiten beim Aufbau. I n Schweden steht allen Bürgern seit 14 Jahren ein offizielles Online-Rentenkonto zur Verfügung. Mehr als jeder zweite Erwerbstätige nutzt das Portal. Anders Lund- ström, Geschäftsführer der Plattform Min- pension.se , die das digitale Konto betreibt, erklärt im Interview, wie es funktioniert. Herr Lundström, Minpension.de ist 2004 an den Start gegangen. Wie kam es in Schweden zu der Idee, ein Online- Rentenkonto einzuführen? Andres Lundström: Das schwedische Renten- system wurde im Jahr 1999 reformiert. An die Stelle der mit Steuergeldern finanzierten staatlichen Volksrente traten drei Säulen: eine staatliche Grundrente, eine Betriebsrente und eine private Altersversorgung. Das führte nun aber dazu, dass die Bürger plötzlich mit Renteninformationen aus allen Säulen gera- dezu überflutet wurden, was für viele sehr verwirrend war. Daher fasste die Regierung den Entschluss, ein digitales Konto einzufüh- ren, das eine Übersicht über alle bisher ver- dienten und noch zu erwartenden Renten- ansprüche bietet. Wie wurde das Projekt umgesetzt? Und wer beteiligt sich daran? Zunächst wurde ein Entwicklungsprojekt ins Leben gerufen, an dem der schwedische Ver- sicherungsverband einschließlich der privaten Rentenversorger, die Regierung, das Renten- amt, dieArbeitgeberverbände und die Gewerk- schaften mitgewirkt haben. Es ging darum, grundsätzliche Fragen zu klären und Inhalte des Rentenportals festzulegen. Danach wurde die Arbeit auf Projektgruppen verteilt und die Plattform Minpension.se als unabhängiger Betreiber gegründet. 2004 konnten wir mit der ersten Version der digitalen Rentenüber- sicht an den Start gehen. Seitdem haben wir das Online-Konto stetig weiterentwickelt. Heute finden sich dort die Informationen von etwa 30 Anbietern aus der privaten und der betrieblichen Altersvorsorge und die Daten, die das schwedische Rentenamt einspielt. Ins- gesamt werden 99,9 Prozent des aktuellen schwedischen Rentenkapitals abgedeckt. Kommt das Rentenportal bei den Al- tersvorsorgesparern denn gut an? Ja, von den rund sechs Millionen Bürgern im erwerbstätigen Alter sind 3,3 Millionen auf Minpension.se registriert. Jedes Jahr melden sich ungefähr 300.000 neue Nutzer an. 2017 haben wir sieben Millionen Log-ins verzeich- net. Unser Tool für die Hochrechnung von Rentenansprüchen wurde etwa zehn Millio- nen Mal genutzt. Sie sagen, Minpension.se ist ein unab- hängiger Betreiber. Wie finanziert sich die Plattform? Die Plattform ist im Besitz von Min Pension i Sverige, einer hundertprozentigen Tochter des Verbandes der schwedischen Versiche- rungsunternehmen. Es handelt sich aber um eine öffentlich-private Partnerschaft. Der Dienst wird zur Hälfte vom Staat und zur Hälfte von den privaten Rentenanbietern fi- nanziert. Den Rentenanbietern steht es frei, Daten an die Plattform zu liefern, sie sind nicht gesetzlich dazu verpflichtet. War es schwierig, die Unternehmen dazu zu bewegen? Es war so schwierig, dass die Regierung 2003 gesagt hat: „Entweder ihr macht mit oder wir verpflichten euch per Gesetz dazu.“ Erst danach haben der Versicherungsverband und die staatlichen Rentenversorger eine Vereinbarung unterzeichnet. Darin haben sich die privaten Anbieter unter anderem dazu verpflichtet, 50 Prozent der Betriebskosten zu übernehmen, selbst wenn sie keine Daten liefern. Es war auch eine Herausforderung, einen einheitlichen Informationsstandard für die verschiedenen Anbieter und Produkte zu realisieren und eine sichere Methode zur Autorisierung der Nutzer zu finden. Aber letzten Endes hat das alles funktioniert. Anders Lundström, Minpension.se: „Die Versicherer tragen 50 Prozent der Betriebskosten des Portals.“ Foto: © Minpension.se 328 www.fondsprofessionell.de | 2/2018 steuer & recht I online-rentenkonto

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