FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2018
Heuser: Inwiefern? Leber: Nach unseren Beobachtun- gen erleben wir in der jüngeren Zeit immer wieder markante Strukturbrü- che, bestimmte Trends werden zu- dem immer kürzer. Man hatte sich allzu sehr daran gewöhnt, dass sich ein bestimmtes Thema oder ein Trend über acht oder neun Jahre er- folgreich nutzen ließ. Aber diese Verlässlichkeit ist einfach nicht mehr gegeben. Die vermeintliche Sicher- heit sogenannter Ertragsriesen ist im- mer rascher gefährdet. Man muss heute jederzeit mit sehr viel stärke- ren Einbrüchen rechnen, bei denen man manchmal den Eindruck be- kommt, dass all die erlernten Rezep- te, die man über lange Strecken er- folgreich angewendet hat, plötzlich nicht mehr gelten. Detlef Glow (Lipper): Woran liegt das? Leber: Zum einen an den besagten immer kürzeren Trends, zum anderen daran, dass die Märkte und deren Teilnehmer immer aggres- siver agieren, in dem sie auf jede sich bieten- de Gelegenheit aufspringen, kurzfristig die Kurse massiv nach oben treiben, um dann auch schon wieder nach kurzer Zeit die nächs- te Welle zu reiten. Glow: Stellt sich die Frage, ob das so eine Art neuer Normalzustand oder einfach nur einer unorthodoxen Zentralbankpolitik der vergangenen Jahre geschuldet ist? Leber: Das hat schon sehr viel mit externen Eingriffen und Störungen zu tun, durch die einfach die Schwerkraftgesetze der Märkte außer Kraft gesetzt wurden. Dazu zählen neben dem „Whatever it takes“ eines Mario Draghi auch Eingriffe in den freien Handel durch einen Donald Trump, wodurch ein bestimmter Konsens dann schlagartig durch- brochen wird und alte Regeln nicht mehr gel- ten. Das hat dazu geführt, dass die Welt und auch die Märkte aus den Fugen geraten sind, wenn auch sicher nicht auf Ewigkeit. Es wird der Punkt kommen, an dem die Rechnung bezahlt werden muss, an dem Prinzipien wie vorsichtiges Haushalten und eine nicht über- mäßige Verschuldung wieder ihren besonde- ren Wert haben werden. Heuser: Was bedeutet das konkret für den von Ihnen gemanagten Acatis Aktien Global? Nach einer Schwächephase in den Vorjahren konnte der Fonds erst im ver- gangenen Jahr den Vergleichsindex wieder eindeutig schlagen. Was haben Sie im Ma- nagement verändert? Leber: Wir haben den Fonds über weite Strecken in einer Art Konsens gemanagt. Ich war der Überzeugung, dass es sinnvoll ist, im Team zu arbeiten, die verschiedenen Meinun- gen über einzelne Investments auszutauschen und dann zu einer gemeinsamen Entschei- dung über Kauf oder Verkauf zu kommen. Im Rückblick muss ich feststellen, dass das dem Fonds nicht gut getan hat. Es ist vielmehr so, dass man durch solche Team- oder Konsens- beschlüsse am Ende insofern zu schlechten Investmententscheidungen kommt, weil man sozusagen im Mittelmaß landet. Denn es hat sich gezeigt, dass sich schlussendlich niemand mehr wirklich traut, sich allzu weit von die- sem Konsens zu entfernen und zu versuchen, wirklich attraktive Investments auch durch- zuziehen. Aus Angst zieht man sich eben ins Mittelmaß zurück in der Hoffnung, bloß nichts verkehrt zu machen. Deshalb habe ich vor rund zwei Jahren die Reißleine gezogen. Heuser: Was meinen Sie mit „Reißleine gezogen“? Leber: Wir waren meiner Meinung nach einfach nicht mehr mutig genug. Deshalb habe ich – zuge- geben relativ hart – intern ein neues Investmentleit- motiv durchgesetzt, das ich als „Strategie der geraden Linie“ bezeichne. Wenn ich als Fondsmanager heute ein Unterneh- men finde, bei dem ich davon über- zeugt bin, dass es über ein fantas- tisches Geschäftsmodell verfügt, dann kaufe ich das einfach, ohne vorher im Team lang und breit über Pro und Contra zu diskutieren. Es kann natürlich immer sein, dass ande- re Marktteilnehmer dann doch aus einem bestimmten Grund nervös werden und einen Titel, den ich vermeintlich vorausschauend gekauft habe, erst einmal böse abstrafen, weil sie nicht den Wert sehen, den wir darin erken- nen. Andererseits sind unsere Ergebnisse in den darauf folgenden Aufwärtsphasen im Vergleich zur Benchmark deutlich besser geworden. Heuser: Auf dem FONDS professionell KONGRESS in Mannheim haben Sie sich zudem als Anhänger von Zukunftstrends präsentiert. Was steckt dahinter? Leber: Im Grunde war es auch in dieser Beziehung einmal mehr Warren Buffett, der mir die Augen geöffnet hat. Das war vor rund einem Jahr auf der Hauptversammlung von Berkshire Hathaway, als er auf großer Bühne darüber sinnierte, dass er einige echte Chan- cen regelrecht verpasst hat, weil er nie in Microsoft, Google oder Amazon investiert hat, wodurch ihm hohe Renditen entgangen sind. Damals habe ich mir gesagt, dass ich nicht in einer Ecke enden will, weil ich blind Buffett nachahme. Ich bin davon überzeugt, dass auch und gerade wir als Value-Investoren uns verändern müssen. Wenn selbst Warren Buffett umdenkt, dann müssen auch wir das tun. Deshalb setzen wir seit rund einem Jahr verstärkt auf sogenannte Zukunftstrends wie E-Mobilität, Roboterisierung oder Bio- und Medizintechnologie sowie künstliche Intelli- genz, statt nur nach den klassischen Substanz- werten Ausschau zu halten. Hendrik Leber: „Ich bin davon überzeugt, dass auch und gerade wir als Value- Investoren uns verändern müssen.“ 72 www.fondsprofessionell.de | 2/2018 markt & strategie I fondsmanager im kreuzverhör KREUZ VERHÖR » Es wird der Punkt kommen, an dem die Rechnung bezahlt werden muss, an dem Prinzipien wie vorsichtiges Haushalten und eine nicht übermäßige Verschul- dung wieder ihren besonderen Wert haben werden. « Hendrik Leber, Acatis Alle Fotos: © Christoph Hemmerich
RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=