FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2018

E ine solche oder eine ähnlich missliche Situation hat wohl jeder schon einmal erlebt: Um 6.30 Uhr klingelt der Wecker, an diesem Tag aus irgendeinem Grund aber viel zu leise. Nach dem Aufwa- chen 20 Minuten später gilt der erste Blick der Uhr – und die sagt klar: Verschlafen. Nach dem verspäteten Start in den Tag sollte auf dem Weg zur Arbeit nun alles reibungslos verlaufen, doch dann macht auch noch der Fahrradreifen schlapp. Und da bewahrheitet er sich wieder einmal, der alte Spruch: Ein Unglück kommt selten allein. Auch mit dem Brexit und dem neuen Investmentsteuergesetz, das seit dem 1. Januar 2018 in Kraft ist, treffen zwei unglückliche Umstände zusammen. Das gilt zumindest für deutsche Privatanleger, die Anteile an in Großbritannien aufgelegten Investmentfonds vor Beginn des Jahres 2009 erworben haben. Weil britische Kapitalverwaltungsgesellschaf- ten befürchten, dass sie ihre Fonds nach dem Austritt des Landes aus der Europäischen Union (EU) in der Staatengemeinschaft nicht mehr oder nur noch unter erschwerten Bedin- gungen vertreiben können, machen sie sich für den Brexit bereit. So übertragen sie die Vermögen aus britischen Portfolios auf solche, die in der EU aufgelegt wurden. Vernünftige Idee Aus Sicht der Anbieter eine vernünftige Idee, die deutsche Anleger von sogenannten bestandsgeschützten Altanteilen allerdings teuer zu stehen kommen kann. Denn da der Fiskus länderübergreifende Fondsfusionen wie einen Anteilsverkauf behandelt, sind er- zielte Wertsteigerungen steuerpflichtig. Für Erträge aus der Veräußerung von ehemals bestandsgeschützten Altanteilen können Pri- vatanleger zwar den steuerlichen Freibetrag von 100.000 Euro nutzen, den das neue Investmentsteuerrecht vorsieht. Verkaufen sie später aber aus freien Stücken vor 2009 erworbene Fondsanteile mit Gewinn, haben sie klare Nachteile. „Wir wollen sicherstellen, dass unsere Kun- den auch künftig einen Zugang zu unseren Angeboten haben, unabhängig davon, welche Vereinbarungen Großbritannien und die EU letztendlich treffen“, sagt Werner Kolitsch, Länderchef für Deutschland und Österreich beim britischen Fondsanbieter M&G. Ebenso wie Columbia Threadneedle ist das Haus im deutschen Retailvertrieb stark aufgestellt. Nach dem Brexit könnte es für hiesige Anle- ger aber schwierig werden, an Fonds der Gesellschaften zu kommen. Denn Juristen nehmen an, dass britische UCITS-Fonds in Zukunft als alternative Investmentfonds ein- gestuft werden, was den Vertrieb an Privatan- leger komplizieren würde (wie sich britische Fondsgesellschaften auf den Brexit vorberei- ten, lesen Sie ab Seite 284). Um dies zu ver- hindern, hat M&G eine SICAV-Plattform in Luxemburg gegründet, bei Columbia Thread- needle bestand eine solche bereits. Nach und nach verschmelzen die Häuser nun britische Fonds mit Luxemburger Portfolios. „Dass Kursgewinne, die bei solchen länder- übergreifenden Fondsfusionen realisiert wer- den, steuerpflichtig sind, ist nichts Neues“, sagt Peter Maier, Leiter der Abteilung Steuern und Altersvorsorge beim Branchenverband BVI. „Nach dem Einkommensteuergesetz ist ein Tausch von Wirtschaftsgütern wie ein Ver- kauf und Kauf zu behandeln“, erklärt er. Die- se Vorschrift hat mit der Investmentsteuer- reform nichts zu tun. Sehr wohl aber sind Anleger, die ehemals bestandsgeschützte Altanteile halten, von einer anderen Regelung betroffen, die die Reform mit sich gebracht hat: die Abschaffung der Steuerfreiheit für Ge- winne aus der Veräußerung solcher Anteile. Zur Erinnerung: Bis Ende 2008 hatten Anleger die Möglichkeit, beim Verkauf von Fondsanteilen Kursgewinne steuerfrei zu ver- einnahmen, sofern sie die Anteile während der zwölfmonatigen Spekulationsfrist gehalten hatten. Mit Einführung der Abgeltungsteuer traten zum 1. Januar 2009 neue Vorschriften in Kraft. Anlegern, die vor diesem Datum Bei grenzüberschreitenden Fondsfusionen gelten die Anteile nach deutschem Recht als verkauft. Das kann sich für Inhaber von vor 2009 erworbenen Altanteilen negativ auswirken. Verschmelzung mit Folgen Schmelzanlage in einer Gießerei: Die Zusammenlegung von Fonds über Landesgrenzen hinweg kann für deutsche Anleger, die ihre Anteile vor 2009 erworben haben, steuerlich gesehen ein richtig heißes Eisen sein. » Nach dem Einkommen- steuergesetz ist ein Tausch von Wirtschaftsgütern wie ein Verkauf und Kauf zu behandeln. « Peter Maier, BVI Foto: © Lakeview Images | stock.adobe.com, Goran Andric, BVI 346 www.fondsprofessionell.de | 3/2018 steuer & recht I fondsfusionen

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