FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2018

Foto: © Axel Köster D ie Welt ist unruhiger geworden: In den USA schaltet und waltet ein unberechenbarer Präsident, in Europa provoziert die populistische Re- gierung in Rom die anderen EU-Länder mit eigenwilligen Haushaltsplänen, und selbst Deutschland taugt innerhalb der Staatenunion nicht mehr als Stabilitäts- anker. Kein Wunder, dass solche Unsi- cherheiten auf die Börse durchschlagen – und dort in jüngster Vergangenheit für teils herbe Kursverluste sorgten, trotz der nach wie vor guten konjunkturellen Lage. FONDS professionell bat Pimco-Chef- ökonom Joachim Fels, der auf mehr als 30 Jahre Erfahrung im Makro-Research zurückblickt, um eine aktuelle Einschät- zung zu den brennendsten Themen. Herr Fels, die Weltwirtschaft hat einen sehr langen Aufschwung hinter sich. Wir befinden uns wohl am Ende des Zyklus – aber ist er schon zu Ende? Joachim Fels: Zu Ende ist dieser globale Konjunkturzyklus noch nicht, aber es gibt An- zeichen dafür, dass die Spätphase begonnen hat: Der Wachstumsgipfel ist überschritten, die Inflationsraten steigen – wenn auch nur moderat –, und die Notenbanken nehmen den Fuß vom Gaspedal, allen voran die Fed. Die Spätphase könnte aber andauern, da es bisher noch keine offensichtlichen Verspannungen oder Ungleichgewichte gibt. Allerdings wird die Konjunktur in dieser Phase anfälliger für Schocks, zum Beispiel für einen eskalierenden Handels- und Währungskrieg. Insbesondere in den Vereinigten Staaten läuft die Wirtschaft auf Hochtouren. Bleibt das so? Oder droht uns dort bald die nächste Rezession? Auch in den USA ist der Wachstumsgipfel seit der Jahresmitte überschritten. Noch läuft die Konjunktur, vor allem wegen der expan- siven Fiskalpolitik, aber im Verlauf des Jahres 2019 lässt der Fiskalimpuls nach, und die Bremsspuren der Geldpolitik werden deutli- cher sichtbar werden. Mit einer Rezession in den USA rechne ich allerdings frühestens im Jahr 2020. Weil Sie Trumps Fiskalpolitik anspre- chen: Mit seinen Steuergeschenken beschert der US-Präsident der ohnehin boomenden Konjunktur in den Vereinig- ten Staaten einen zusätzlichen Kick. Sorgt das im Endeffekt nicht dafür, dass die nächste Rezession umso schärfer aus- fallen wird? Dafür spricht in der Tat vieles, vor allem wenn die Fed stärker auf die Bremse tritt, weil wegen Trumps Fiskalpolitik die Gefahr einer Inflation steigt. Außerdem wird es in der nächsten Rezession weniger Spielraum für fiskalisches Gegensteuern geben, weil das Geld jetzt schon ohne Not verpulvert wird. Und wie groß ist der Schaden, den Trump mit seiner protektionistischen Handelspolitik für sein Land und die Weltwirtschaft anrichtet? Bisher ist ja außer Zöllen auf Wasch- maschinen, Solarzellen, Stahl, Aluminium und eine Reihe von Importen aus China noch nicht allzu viel geschehen. Wenn es dabei bleibt, hält sich der Schaden in Grenzen. Aber wenn Trump einen aus- gewachsenen Handelskrieg mit China anzettelt und dann auch noch mit den angedachten Zöllen auf Autos und Auto- teile ernst macht, dann könnte die nächste weltweite Rezession schon im kommenden Jahr ins Haus stehen. Im Vergleich zu den USA kommt Europa nicht wirklich vom Fleck. Was müsste sich auf dem „Alten Kontinent“ ändern? Die Geldpolitik allein kann es nicht richten. Zusätzlich bräuchten wir in Europa Steuer- und Strukturreformen zur Stärkung der Ange- botskräfte sowie höhere staatliche Investitio- nen in Infrastruktur und Bildung. Aber dazu fehlt in vielen Ländern entweder der Wille oder das Geld. Auffällig ist auch, wie stark die Geld- politik auseinanderklafft: Die US-Noten- bank Fed erhöht munter die Zinsen, während die Europäische Zentralbank eine erste Erhöhung frühestens in einem Jahr plant. Welche Folgen hat diese Asynchronität? Erstens wird der Dollar teurer, was vor allem vielen Schwellenländern zu schaffen macht, in denen die Verschuldung in Dollar stark gestiegen ist. Das belastet die Weltkonjunktur. Zweitens verschlechtert der stärkere Dollar die preisliche Wettbewerbsfähigkeit amerikani- Joachim Fels gehört zu den wenigen Volkswirten, die keine Angst vor klaren Worten haben. Im Interview spricht der Chefökonom der Allianz-Tochter Pimco über das mögliche Ende des jahrelangen Konjunkturbooms, die Zinspolitik der Zentralbanken und die Frage, wie sich Anleger aktuell positionieren sollten. „Die Regierungen verdrehen » Die ›Lösung‹ der Schuldenkrise ist ein weiteres Durchwursteln, weil die Alternative – ein Schuldenschnitt – unabsehbare Folgen für das Finanzsystem und die Wirtschaft hätte. « Joachim Fels, Pimco Joachim Fels Joachim Fels stieg nach seinem Studium der Volkswirt- schaftslehre als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kieler Institut für Weltwirtschaft ein. Er arbeitete als Ökonom bei Goldman Sachs und später lange Jahre als Chefvolks- wirt für Morgan Stanley in London. 2015 zog es Fels ins kalifornische Newport Beach – als „Global Economic Advisor“ von Pimco. Er ist Mitglied des Investment- komitees und leitet den vierteljährlichen Cyclical- sowie den jährlichen Secular-Forum-Prozess, in dem der Asset Manager seine Sicht auf die Kapitalmärkte erarbeitet. markt & strategie I joachim fels | pimco 162 www.fondsprofessionell.de | 4/2018

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