FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2018

Foto: © Jost Fink D ie „Ernährungs-Docs“ laden im NDR zur TV-Sprechstunde der anderen Art: Die Praxis liegt nicht in einem Ärzte- haus oder Fernsehstudio, sondern auf einem Hausboot, das im Hamburger Stadtteil Ham- merbrook ankert. Die Ärzte rechnen einer Patientin vor, wie viele Tabletten gegen Sod- brennen sie in ihrem Leben noch schlucken wird, wenn sie nicht bewusster isst. Ein Mann mit Divertikulose erhält den Rat, drei Monate lang jeden Morgen ein altes Brötchen mit Leinöl und Joghurt zu zerkauen, um seinem erkrankten Darm zu helfen. Die Botschaft: Viele Probleme lassen sich per Ernährungsumstellung lösen. Ein- fach ist das nicht, aber machbar. Die Mitarbeiter der Netfonds-Grup- pe, deren Büros auf der anderen Seite des Kanals liegen, haben die Hausboot- Praxis gut im Blick. Sie kümmern sich freilich nicht um Sodbrennen oder Divertikulose, sondern um Dinge wie den Ex-ante-Kostenausweis, Mifid-II- konforme Beratungsprozesse oder Datenbankschnittstellen. Doch auch sie befinden sich mitten in einer Umstel- lung – und auch in ihrem Fall ist das mit harter Arbeit verbunden. Netfonds versteht sich nicht mehr nur als Maklerpool, als Großhändler, der für seine Vermittler gute Konditionen herausschlägt, sondern als Tech- nologie- und Regulierungsdienstleister für die Finanzindustrie. Dazu die Nachricht, dass die Netfonds-Aktie nun an der Börse notiert ist. Auch das ist eine Umstellung, wohl größer als die von Fast Food auf Leinsamen. Um die Hintergründe für den Wandel vom Pool zur Plattform zu verstehen, ist eine klei- ne Rückblende nötig. Netfonds hält insgesamt rund 33.000 verschiedene Wertpapiere im Be- stand, darunter nicht nur Fonds, sondern auch Aktien, Anleihen oder Zertifikate. Schließlich gehören zum Konzern auch ein Haftungsdach und ein Vermögensverwalter. Es ist das Jahr 2016, als sich Vorstand Martin Steinmeyer und seine Kollegen zunehmend über die schlechte Datenqualität ärgern. Als Beispiel nennt er die Berechnung von Stückzinsen, für die es nicht nur eine, sondern gleich mehrere Methoden gibt. „Viele externe Dienstleister behaupten, sie könnten das handhaben. In der Praxis hat sich aber gezeigt, dass das nicht der Fall ist“, sagt er. „Also haben wir begonnen, das selbst in die Hand zu nehmen.“ 2016 fällt also die Entscheidung, eine völlig neue IT- Plattform zu programmieren. Steinmeyers Devise: „Die Datenbank und die Datenbe- ladung sollten unter unserer Hoheit sein.“ Neuer Anspruch Fünf Mitarbeiter waren fast zwei Jahre lang damit beschäftigt, Berechnungsmethoden für unterschiedliche Transaktionstypen festzu- legen, Geschäftsvorfälle sauber voneinander abzugrenzen und Schnittstellen zu definieren. „In einem Projekt haben meine Kollegen einer Bank 23 strukturelle Fehler in deren Be- rechnungsmethoden nachgewiesen“, berichtet Steinmeyer. „Bevor solche Fälle nicht gelöst sind, gelingt es nicht, die Daten mehrerer Depotbanken konsolidiert und valide darzu- stellen – doch genau das war unser Ziel.“ Doch es ging nicht nur um die Qualität der Daten, sondern auch um einen neuen Anspruch. „Wir möchten nicht nur Anbieter einer App sein, wir verstehen uns als Plattform mit offe- nen Schnittstellen“, sagt Vorstands- chef Karsten Dümmler. Wenn ein Makler ein anderes Programm nutzen wolle, könne er seine Daten von der Netfonds-Plattform importieren. „Au- ßerdem möchten wir die Möglichkeit haben, unser Angebot auszubauen, ohne jedes Mal ein externes IT-Haus bitten zu müssen, ein bestimmtes Tool anzubinden“, sagt Dümmler. „Darum war es uns so wichtig, unse- re eigene Datenbank und unser eige- Netfonds erfindet sich gerade neu: Mit der hauseigenen Technologie wollen sich die Hamburger weitere Kundengruppen erschließen – und kräftig wachsen. Vom Pool zur Plattform Aus dem Maklerpool ist ein richtiger Konzern geworden – mit Haftungsdach, zwei Vermögensverwaltern, einer eigenen Gesellschaft für Mehrfachagenten und einer Tochterfirma für Immobiliengeschäfte. Schwieriger Start Netfonds-Aktie vs. S-Dax Seit 3. September ist die Netfonds-Aktie an der Börse gelistet. Die Markt- kapitalisierung lag anfangs bei 62 Millionen Euro. Quelle: Bloomberg 70 % 75 % 80 % 85 % 90 % 95 % 100 % 105 % 110 % Oktober September 2018 Nov. Netfonds AG S-Dax 246 www.fondsprofessionell.de | 4/2018 vertrieb & praxis I netfonds

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