FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2018

Foto: © Christoph Hemmerich D as Thema Regulierung hält speziell die Fondsbranche nach wie vor in Atem. Dem Branchenverband BVI ist nicht nur die ab 2020 drohende Ver- wirrung beim Kostenausweis für Fonds ein Dorn im Auge, auch die Initiative der EU-Kommission, die Aufsicht über In- vestmentfonds stärker unter dem Dach der europäischen Wertpapier- und Marktauf- sichtsbehörde ESMA zu zentralisieren, stößt auf wenig Gegenliebe bei Verbands- chef Thomas Richter. Im Interview spricht Richter zudem über Vorschläge des BVI zur Verbesserung der Riesterrente. Herr Richter, bei der diesjährigen Asset-Management-Konferenz des BVI haben Sie sich besorgt gezeigt in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Asset-Management-Bran- che. Was ist der Hintergrund? Thomas Richter: Man muss sich nur die in Europa verwalteten Assets im Vergleich zur amerikanischen Fondsindustrie anschauen. Diese ist in den vergangenen zehn Jahren er- heblich stärker gewachsen als die europäische. Der Weltmarktanteil von US-Fondsgesell- schaften liegt heute bei 45 Prozent. Von den 30 größten Publikumsfondsanbietern im Be- reich der EU-27 stammt inzwischen ein Drit- tel aus den Vereinigten Staaten. Und unter den zehn größten Asset Managern der Welt waren vor zehn Jahren noch jeweils fünf europäische und fünf amerikanische, heute stammen gera- de noch drei aus Europa, aber sieben aus den USA. Dort gilt ein Asset Manager, der 200 Milliarden US-Dollar verwaltet, als Boutique, in Europa zählt er damit bereits zu den grö- ßeren Marktteilnehmern. Diese Größenunter- schiede haben weitreichende Konsequenzen, was Skaleneffekte und Investitionen in künst- liche Intelligenz, Big Data und andere tech- nologische Entwicklungen im Zusammen- hang mit einer immer weiter fortschreitenden Digitalisierung angeht. Was sind aus Ihrer Sicht die tatsächli- chen Ursachen für diese Entwicklung? Die Hauptursache ist die unterschiedliche Altersvorsorge. Die amerikanische Fondsbran- che verdankt ihre starke Stellung ihrem gro- ßen Heimatmarkt. Die dortigen Anbieter ha- ben in den vergangenen Jahrzehnten erheblich von der steuerlichen Begünstigung von Ren- tensparplänen profitiert, insbesondere den nach dem entsprechenden Paragrafen im US- Einkommensteuerrecht benannten 401k-Plä- nen und den IRAs. Denn auch wenn das manchmal gern anders dargestellt wird: Ein Durchschnittsamerikaner kennt sich in Finanzdingen nicht besser aus als ein Durch- schnittseuropäer, er kennt aber sehr wohl die Vorteile, die ihm eine steuerlich attraktive Altersvorsorge bietet. Daher ist es vor allem diese steuerliche Förderung, die in den ver- gangenen Jahrzehnten im US-Markt zu erheb- lichen Mittelzuflüssen geführt hat. Dadurch sind amerikanische Fondsgesellschaften bes- tens aufgestellt für die Expansion ins Ausland, insbesondere nach Europa über entsprechende Tochtergesellschaften in Luxemburg oder Irland. Ein weiterer, wenn auch weniger ent- scheidender Grund ist eine andere Herange- hensweise an die Regulierung der US- Fondsbranche. Was meinen Sie mit einer „anderen Herangehensweise“ konkret? Wirklich bewusst geworden ist mir das im Frühjahr bei Gesprächen mit den beiden großen US-Aufsichtsbehörden SEC und CFTC. Während die europäischen Insti- tutionen vor allem aus der Perspektive des Verbraucherschutzes und der Systemrisi- ken regulieren, verfolgen die Amerikaner umfassendere Regulierungsziele. Da sind zum einen natürlich ebenfalls der Schutz der Verbraucher und der Schutz vor syste- mischen Risiken, als ihr drittes Ziel nen- nen die dortigen Aufseher aber die Stär- kung der heimischen Finanzindustrie. Nach acht Jahren restriktiver EU-Regulierung war ich schon nicht mehr mit dem Gedanken vertraut, dass man das als dezidiertes Ziel verfolgen kann. Denn das ist ein Aspekt, der unter den Gesetzgebern und Regulierern hier in Europa bisher nicht förderwürdig erscheint. Das muss sich dringend ändern. Was schlagen Sie vor? Wir benötigen unsere Ressourcen, um uns auf unsere Wettbewerbsfähigkeit zu konzentrie- ren, eine Wettbewerbsfähigkeit, die von Ska- leneffekten und technischen Entwicklungen abhängt. Dort liegt die Zukunft dieser Bran- che. Aber wir sind zu stark damit beschäftigt, Regulierungen wie Mifid und Priip umzuset- zen. Das ist Verbraucherschutz, der oft genug sein Ziel verfehlt und noch dazu enorme Kapazitäten bindet. Deswegen appellieren wir an Parlament und Rat in der Europäischen Union, als Regulierungsziel auch die Wett- bewerbsfähigkeit der hiesigen Fondsbranche aufzunehmen, statt uns nur als Gefahr zu sehen, die kontrolliert werden muss. Auch in Europa sollte man endlich anerkennen, dass unsere Branche volkswirtschaftlich wichtige Funktionen erfüllt. Wir tragen große Teile der In Bezug auf die Höhe der verwalteten Assets ziehen US-Anbieter ihren europäischen Konkurrenten immer stärker davon. Im Interview erläutert BVI-Chef Thomas Richter die Hintergründe und sagt, was man dieser für die Anbieter der alten Welt regelrecht bedrohlichen Entwicklung entgegensetzen müsste. „Bei Riester müssen wir uns » Eine von der EU-Kommission geplante Doppelaufsicht durch nationale Behörden und ESMA würde nur die Kosten für die Anleger in die Höhe treiben. « Thomas Richter, BVI vertrieb & praxis I thomas richter | bvi 284 www.fondsprofessionell.de | 4/2018

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