FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2018

Foto: © stryjek | stock.adobe.com B anken mussten zuletzt eine lange Liste an Regulierungsprojekten abarbeiten: etwa die Wohnimmobilienkreditricht- linie oder die Neufassung der Mindestanfor- derungen an das Risikomanagement, die so- genannte MaRisk-Novelle. In den Führungs- etagen deutscher Geldhäuser hielt sich daher die Begeisterung über eine weitere Vorschrift, die es zu erfüllen gilt, in Grenzen. Der Finanzmarktrichtlinie Mifid II schien somit ein mühsamer Start vorgezeich- net. Nach den ersten Monaten seit dem Inkrafttreten kristallisiert sich nun eine Erkenntnis heraus: Diese Regel war nicht nur aufwendig umzusetzen, viele Banken trifft sie so- gar schmerzhaft. Denn Mifid II kostet die Geldhäuser Geschäft. Diesen Eindruck erwecken je- denfalls mehrere Studien, die die Auswirkungen der Richtlinie bei Deutschlands Finanzinstituten abfragten. So klagten einer Um- frage der Unternehmensberatung Co- finpro zufolge 78 Prozent über negati- ve Folgen für ihr Wertpapiergeschäft. Mehr als die Hälfte der 57 befragten Finanz- dienstleister berichten über einen gesunkenen Absatz von Wertpapieren, ein Fünftel spricht gar von einem starken Rückgang (siehe Gra- fik „Verkaufshemmnis“ auf Seite 350). Die Institute ziehen bereits ihre Schlüsse – und die fallen radikal aus. Gut ein Drittel der Banken will aufgrund der immer deutlicher zutage tretenden Auswirkungen der Richtlinie keine oder nur noch eine eingeschränkte An- lageberatung anbieten. Zu diesem Ergebnis kommt eine weitere Umfrage. Hierfür hat die Unternehmensberatung PPI Angaben von 50 deutschen Banken ausgewertet. Die Institute, die an dem Geschäft festhalten, dünnen wie- derum ihr Sortiment aus. 40 Prozent der Ban- ken verkaufen weniger komplexe, dafür ein- fachere Produkte. Einige Angebote würden nicht mehr an Privatkunden vertrieben, weil die Kosteninformationen fehlen. Informationsflut Glaubt man diesem Meinungsbild aus den Banken, dann schlagen die erhofften Ziele von Mifid II in der praktischen Ausführung ins Gegenteil um. Statt einer qualitativ besse- ren Finanzberatung stirbt diese aus, oder es nimmt zumindest die Auswahl ab. Unterm Strich habe sich die Beratung unter der Fi- nanzmarktrichtlinie nicht verbessert. Zu die- sem harschen Urteil kommt die Mehrheit der von Cofinpro befragten Finanzdienstleister. Das Produktangebot sei weder günstiger noch passgenauer geworden, meinen 70 Prozent. Anders sehen dies die Regulierer. Die Finanzaufsicht Bafin hält den Start der Richt- linie für gelungen. „Für die deutschen Banken und Sparkassen kann ich sagen, dass die Umsetzung sehr gut angelaufen ist“, sagte et- wa Elisabeth Roegele, Vizepräsidentin der Bafin, im Interview mit FONDS pro- fessionell (siehe Ausgabe 3/2018 ab Seite 326). Dass Banken im großen Stil ihr Wertpapiergeschäft aufgeben, mag die Aufseherin nicht erkennen. Die Bankenseite stimmt in diese Freude nicht ein. Zwar sei die Ziel- richtung zu mehr Transparenz und Anlegerschutz richtig, sagte etwa Peter Schneider, Präsident des Sparkassen- verbandes Baden-Württemberg, auf einer Veranstaltung der Börse Stuttgart. „Jedoch muss es dringend gelingen, viele der umgesetzten neuen Vorgaben, zum Beispiel den Zwang zur Sprach- aufzeichnung oder auch umfangreiche Informationspflichten, kundenfreund- licher auszugestalten“, so der Ver- Die Finanzmarktrichtlinie Mifid II gilt seit Jahresbeginn – und krempelt den Bankvertrieb um. Einige Institute kapitulieren bereits vor den massiven Folgen. Wegen Regulierung geschlossen Filiale geschlossen: Gut ein Drittel der deutschen Kreditinstitute will das Wertpapiergeschäft wegen der Auswirkungen der Finanzmarktrichtlinie Mifid II einschränken oder gar ganz aufgeben. Schwieriges Terrain Welche unerwünschten Nebeneffekte Banken bei Mifid II sehen (Mehrfachangaben möglich) Die Beratung bei Finanzfragen ist schwieriger geworden und dauert länger. Die angebotene Produktvielfalt nimmt ab. Quelle: PPI-Umfrage, August 2018 Weiß nicht/keine Angabe Frequenz der Kundengespräche hat sich verringert Beratungsfreies Geschäft hat zugenommen Dauer eines Beratungsgesprächs hat sich erhöht Ex-ante-Kostenblätter verursachen erheblichen Diskussionsbedarf Kunden kann nur eine begrenzte Auswahl an Produkten vorgestellt werden Beratungsprozesse sind sehr komplex geworden und nur noch mit technischer Hilfe zu bewältigen 72 % 56 % 56 % 50 % 38 % 24 % 14 % 348 www.fondsprofessionell.de | 4/2018 steuer & recht I mifid II

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