FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2019

Dieser Seitenhieb von Herrn Pradetto dürfte wohl Ihnen und Ihrem Institut gelten, Herr Möller. Möller: Das ist ja ein kühner Gedanken- sprung. Aber gut, Herr Pradetto, ich weiß, worauf Sie anspielen. Sie haben schon einmal öffentlich behauptet, die Entwicklung der Norm werde von einem Softwarehaus vor- angetrieben. Damit meinten Sie das Defino Institut für Finanznorm. Wir sind aber kein Softwarehaus, wir sind Zertifizierer für Bera- ter und Vermittler, die die Norm umsetzen, und für Hersteller von Software für die Norm. Davon sind übrigens schon acht am Markt. Da wir das Projekt in Gang gesetzt haben, achten wir darauf, dass damit kein Schind- luder getrieben wird. Man kann ja schnell behaupten, dass man nach der DIN analysiert, ohne es wirklich zu tun. Pradetto: Das wird ja immer besser, Sie ver- dienen also an acht Softwarevarianten mit. Ein tolles Geschäftsmodell. Denn es ist klar: Irgendwann fragt keiner mehr danach, wer die Norm entwickelt und etabliert hat. Dann kommt auch keiner mehr auf die Idee, die echten Beweggründe zu hinterfragen. Möller: Wir haben die Norm nicht entwickelt. Das Defino-Institut hat die Initiative ergriffen und das Thema in den Ring geworfen. Am Ende des Tages … Pradetto: … haben Sie sich auch diejenigen zusammengesucht, die Interesse daran hatten, imAusschuss mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Sie haben sich den Kreis geschaffen, der Ihr Geschäftsmodell unterstützt. Möller: So funktioniert Normung aber nicht. Normungsprojekte werden vom DIN-Institut öffentlich ausgeschrieben. Da kann man sich die Kooperationspartner zum Glück nicht aussuchen. Es ist am Ende die Heterogenität eines Norm-Ausschusses, die seine Autorität ausmacht. Bei einem solchen Projekt muss ein Spiegelbild der gesamten Branche am Tisch sitzen, was auch der Fall war. Banken wie die Deutsche Bank und die Commerzbank, Versicherer wie die Allianz und Signal Iduna waren dabei, aber auch Maklerpools und Vermittlerverbände. Nur als Beispiele nenne ich den AfW und Votum. Die Stiftung Waren- test hatte einen Vertreter im Ausschuss, auch Wissenschaftler waren dabei. Pradetto: Also alle bis auf unabhängige Ver- mittler selbst. Das ist einer meiner weiteren Kritikpunkte. Defino, die Banken, Vertriebe und Versicherer haben eine Norm entwickelt. Aber diejenigen, die sie zentral betrifft, die freien Versicherungsvermittler und Finanz- berater, waren daran nicht beteiligt. Die sollen jetzt einem Schema für die Bedarfsanalyse folgen, das andere vorgegeben haben. Das klingt tatsächlich nach einem echten Minuspunkt. Möller: ImAusschuss, der die Norm übrigens einstimmig beschlossen hat, saßen auch Ver- treter des Arbeitskreises Beratungsprozesse. Zudem waren die Charta Versicherungsbörse, der Maklerpool PMA und auch einzelne Vermittler vertreten. Daran lässt sich erken- nen, dass das Argument, die freien Vermittler wären nicht ausreichend repräsentiert gewe- sen, absolut nicht zieht. Pradetto: Zumindest waren genügend Ver- treter von Institutionen im Ausschuss, an die viele unabhängige Vermittler gebunden sind, Pools zum Beispiel. Diese haben nun ein neues Instrument, um ihren Partnern eine be- stimmte Arbeitsweise bei der Analyse aufzu- zwingen und sie damit in eine gewisse Ab- hängigkeit zu drängen. Wir reden schließlich von einem Bereich, in dem man nicht mit Pa- pier und Bleistift arbeiten kann, sondern eine Software braucht. Diese müssen die Vermittler entweder selbst erwerben oder sich jemandem anschließen, der sie zur Verfügung stellt. Der Punkt der Software führt aber noch zu einem anderen Problem – der Digitalisierung. Das müssen Sie bitte genauer erklären. Pradetto: Sie müssen bedenken, dass eine ge- normte Bedarfsanalyse leicht digital erfolgen kann. Ich bin ein Freund von Digitalisierung, da sie dem Vermittler die Arbeit in vielerlei Hinsicht erleichtert. Aber wenn man einen Kernbereich der Arbeit eines Vermittlers nor- miert, kann er durch IT-Tools ersetzt werden. Für große Finanzdienstleister, die Geld und damit IT-Ressourcen haben, ist das toll. Diese können ihre Beratung insgesamt automatisie- ren und Personal einsparen. Damit ebnen sie auch gleich Internetgiganten wie Google und Amazon den Weg auf den Finanz- und Ver- sicherungsmarkt. Aber das ist ein anderes Thema. Ich möchte noch auf einen weiteren Kritikpunkt zu sprechen kommen: Mit der Norm nehmen Sie dem Berater und Vermittler ein Alleinstellungsmerkmal weg, wenn er, ich überspitze, sklavisch eine Liste abarbeiten Foto: © Stephan Wieland Klaus Möller, Defino Klaus Möller studierte klassische Philologie, Ge- schichte und Politikwissenschaften an der Universität Mannheim. Nach seiner Promotion war er dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Zudem war Möller persönlicher Referent des Rektors der Universität so- wie Referent und Regierungsrat im Kultusministerium Baden-Württemberg. Von 1990 bis 2004 arbeitete er bei MLP, wo er unter anderem Personalchef war. Danach war Möller für Töchter der Ergo in Polen und der Türkei tätig. Seit 2011 ist er beim Defino-Institut. STREITGESPRÄCH » Ich glaube, dass die DIN 77230 zusammen mit entsprechenden Software- lösungen dazu beiträgt, dass Makler effizienter arbeiten und mehr Kunden versorgen können. « Klaus Möller, Defino vertrieb & praxis I streitgespräch zur din-norm | oliver pradetto  klaus möller 252 www.fondsprofessionell.de | 1/2019

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