FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2019

ohne solches Kompetenzzentrum der Wunsch nach Beratung, besuchen die Spezialisten die Filiale und betreuen die Kunden dort. Dass sich die etablierten Banken aus der Fläche zurückziehen und dabei Personal frei- setzen, hilft der Oberbank, geeignete Kollegen für die mittlerweile 230 in Deutschland arbei- tenden Mitarbeiter zu finden. Kuriosum am Rande: In Freiburg wollte man ursprünglich gar keine Filiale eröffnen, doch den Österrei- chern wurde eine solche sozusagen auf dem Silbertablett präsentiert: Da ein Mitbewerber seine Niederlassung im Breisgau geschlossen hatte, wendete sich der dortige Filialleiter mit- samt seinem Team an die Linzer – und diese griffen zu. Auch in Mannheim soll ein Ge- schäftsstellenleiter von der Konkurrenz auf die Österreicher zugekommen sein. Vergleich hinkt „Viele Banken haben zu spät be- gonnen, ihre Hausaufgaben zu erledi- gen und sich Gedanken darüber zu machen, wie Filialen und Standorte zu attraktiven Dienstleistungszentren für Kunden werden“, sagt Marc Letzing, Geschäftsführer der Unternehmensbe- ratung Metamorf. „Die in Deutschland etablierten Banken sind aufgrund der bisher guten Ergebnisse träger als In- stitute, die neu in den Markt kommen wollen.“ Einige Institute hätten zudem die Digitalisierung verschlafen. Aus Letzings Sicht wäre es jedoch zu ein- fach, alle Institute zu verteufeln, die Bankstellen schließen. Filialschließun- gen auf dem Lande seien nicht mit Neueröff- nungen von Geschäftsstellen in pulsierenden Städten zu vergleichen. Mittelfristig möchte die Oberbank rund 50 Geschäftsstellen in Deutschland betreiben – und käme damit gerade einmal auf die Filial- zahl einer mittelgroßen deutschen Sparkasse mit drei bis fünf Milliarden Euro Bilanzsum- me. Und davon gibt es hierzulande fast 100. „Die hiesigen Volks- und Raiffeisenbanken sowie die Sparkassen betreiben nach wie vor deutlich mehr Geschäftsstellen. So führt der- zeit allein die Sparkasse Bochum mehr Filia- len als die Oberbank in ganz Deutschland“, betont Letzing. Der Unternehmensberater äußert Verständnis für die Häuser, die Ein- schnitte getätigt haben. „Es ist sicherlich trau- rig für manchen Standort und manche Ge- meinde, die davon betroffen ist. Aber um ren- tabel zu arbeiten, braucht es auch eine Min- destanzahl von Kunden. In der Regel lässt sich eine Filiale ab rund 3.000 Kunden profi- tabel betreiben. Bei nur 1.200 Kunden wird es natürlich sehr schwierig“, so Letzing. Dennoch bricht der Unternehmensberater eine Lanze für die „deutsche Bankfiliale“: „Der überwiegende Teil der jetzt noch vor- handenen Filialen wird profitabel betrieben. Wir besitzen in Deutschland nach wie vor die größte Bankfilialdichte in Europa.“ Letzing zählt den deutschen Markt mit 82 Millionen Privatkunden zu den attraktivsten Banken- märkten in ganz Europa und versteht, warum die Oberbank in neue Standorte investiert. „Neue Marktteilnehmer merken, dass es nicht ausreicht, nur online präsent zu sein, um neue Märkte zu erschließen. Viele Kunden wün- schen sich eben beides: gute Online-Services und den direkten Kontakt zu kompetenten Beratern.“ Auch Sparkassenvertreter wehren sich gegen einen Vergleich. „Sparkassen machen in der Regel nur die Kleinstfilialen ‚dicht‘. In Standorte mit einem umfassenden Beratungs- angebot und mindestens fünf Vollzeitmitarbei- tern wird sogar investiert“, sagt Peter Schulte, Vorstandschef der im Sauerland beheimateten Sparkasse Meschede-Eslohe. „Die Sparkassen konzentrieren sich auf weniger, dafür aber auf modernisierte, kundenfreundlichere Filialen.“ Dass einige Institute ihre Kleinstfilialen den- noch weiterhin betreiben, läge im Marketing oder in der speziellen Konkurrenzsituation vor Ort begründet. Schnell in der Gewinnzone Die Oberbank möchte nicht nur in Deutsch- land Filialen eröffnen, sondern auch in ande- ren Ländern, beispielsweise in Tschechien, Ungarn oder der Slowakei. Die neuen Standorte will die Bank innerhalb von zwei bis drei Jahren rentabel machen. Die auf Expansion angelegte Strategie scheint erfolgreich zu sein. In den ers- ten neun Monaten 2018 stieg die Kre- ditvergabe im Vergleich zum Vorjahr um 6,4 Prozent auf 15,7 Milliarden Euro. Das Provisionsergebnis kletterte sogar um 15,3 Prozent auf mittlerwei- le fast 120 Millionen Euro. Wächst die Bank weiterhin so stark, wird ihre Bilanzsumme bald über 30 Milliarden Euro steigen – und das Institut damit unter die Aufsicht der Europäischen Zentralbank fallen. Den Filialen sei Dank. MARCUS HIPPLER | FP Foto: © Günter Menzl, Oberbank Franz Gasselsberger, Oberbank: „Natürlich bewegen wir uns mit unserer Expansion gegen den Mainstream.“ Marc Letzing, Metamorf: „Neue Marktteilnehmer merken, dass es nicht reicht, nur online präsent zu sein.“ Auf Schrumpfkurs Zahl der Bankstellen* in Deutschland Noch verfügt Deutschland über vergleichsweise viele Bankfilialen. Aber ihre Zahl sinkt seit Jahren deutlich. * Filialen und Hauptsitze | Quelle: Deutsche Bundesbank 0 10.000 20.000 30.000 40.000 50.000 ’17 2016 ’15 2014 ’13 2012 ’11 2010 ’09 2008 ’07 Anzahl inländischer Bankstellen (alle Banken) 42.100 31.949 346 www.fondsprofessionell.de | 1/2019 bank & fonds I oberbank

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