FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2019

Foto: © Humboldt-Universität zu Berlin E r wird kommen – zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit. Die Bun- desregierung hält unbeirrt an einem Provisionsdeckel für den Vertrieb von Lebensversicherungen fest. Das Bundesfi- nanzministerium (BMF) arbeite derzeit am Gesetzentwurf und werde ihn bald veröf- fentlichten, hieß es kurz vor Redaktions- schluss auf Anfrage von FONDS profes- sionell. Abgesehen davon liegt vieles im Dunkeln. Das BMF kündigte vor einiger Zeit an, vorab keine Einzelheiten zu dem Vorhaben bekannt zu geben. Dabei dürften gerade die Details Experten interessieren, die ohnehin Bedenken gegen die Regie- rungspläne haben. Eine Gruppe warnt vor massiven Einbußen für Vermittler, während Rechtsexperten einen Provisionsdeckel sogar als verfassungswidrig einstufen. Rückblende: Ende 2014 verabschiedete der Bundestag das Lebensversicherungs- reformgesetz (LVRG). Eines der Ziele: die Abschlusskosten senken, damit die Rendi- ten der Versicherungsnehmer im Niedrig- zinsumfeld nicht zu weit sinken. Daher setzte der Gesetzgeber die Grenze für die sogenann- te Zillmerung auf 2,5 Prozent: Seither dürfen Versicherer maximal diesen Prozentsatz wäh- rend der ersten fünf Jahre der Vertragslaufzeit für Abschlusskosten aus den gezahlten Prä- mien entnehmen. Entlastung: 200 Millionen Euro Eine Evaluation des LVRG durch das BMF förderte im Herbst vergangenen Jahres zutage, dass die Vermittlervergütungen wegen des Gesetzes tatsächlich zurückgegangen sind. Im Jahr 2017 lagen sie um 5,1 Prozent niedriger als 2013. In absoluten Zahlen war eine Kos- tenentlassung von 200 Millionen Euro beim Neugeschäft zu sehen – zu wenig aus Berliner Sicht: „Die Lebensversicherer müssen weitere Anstrengungen unternehmen, um Kosten zu senken“, so das Ministerium. „Insbesondere die Vertriebskosten sind teilweise noch zu hoch, und es bestehen Fehlanreize durch zu hohe Vergütungen der Vermittler. Diese wer- den mit einem gesetzlichen Provisionsdeckel korrigiert.“ Das BMF verrät aber nicht, ob es zwischen den verschiedenen Vermittlertypen unterscheiden will, ob der Deckel pauschal für alle Lebensversicherungsprodukte oder diffe- renziert nach Produktart eingeführt werden soll – und vor allem: wie hoch er sein wird. Vielfach wird zwar von 2,5 Prozent ausgegan- gen, sicher ist das allerdings nicht. Makler besonders betroffen Klar ist dagegen, dass ein Provisionsdeckel massive wirtschaftliche Auswirkungen auf die Vermittler haben wird. Eine gemeinsame Stu- die des Instituts für Finanz- und Aktuarwis- senschaften (IFA) aus Ulm und der Universi- tät Hohenheim anhand verschiedener Stun- densätze zeigt: Ein durchschnittlich erfolgrei- cher Vermittler erzielt mit 7,5 Stunden Ar- beitsaufwand bei einem Vertrag, der 15 Jahre läuft und 50 Euro Monatsbeitrag hat, einen Stundensatz von 16 Euro – vorausgesetzt, die Courtage beträgt vier Prozent. Sinkt diese auf die vielfach angenommenen 2,5 Prozent, be- trägt der Stundensatz zehn Euro. Nimmt man eine Lebenspolice mit 30 Jahren Laufzeit und 150 Euro Monatsbeitrag, erhält ein Berater bei sonst gleichen Bedingungen und vier Prozent Courtage 95 Euro. Bei einem Cap von 2,5 Prozent wären es 36 Euro weniger – pro Stunde. Freie Vermittler sind von den ge- ringeren Vergütungen noch stärker betrof- fen, da sie höhere Eigenkosten haben als gebundene Versicherungsvertreter. Verstoß gegen Grundgesetz Daneben existieren auch handfeste juris- tische Argumente gegen eine gesetzlich verfügte Provisionsbeschränkung. Hans- Jürgen Papier, bis 2010 Präsident des Bun- desverfassungsgerichts, kommt in einem von mehreren Vermittlerverbänden in Auf- trag gegebenen Gutachten zum Schluss, der Deckel würde einen „Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung der Versiche- rungsunternehmer und der Versicherungs- vermittler aus Artikel 12 Absatz 1 Grund- gesetz darstellen“. Ein solcher Eingriff sei nicht durch „verfassungslegitime Gründe des gemeinen Wohls“ gerechtfertigt“, so Papier. Denn: „Das Vorliegen solcher Gründe ist empirisch nicht belegbar.“ Hin- zu komme, dass das Ziel einer Senkung der Vertriebskosten den damit verbundenen Eingriff in die berufsspezifische Vertragsfrei- heit von Vermittlern nicht legitimiere. Hans-Peter Schwintowski, Professor an der Berliner Humboldt-Universität, springt Papier zur Seite. Er weist darauf hin, dass „der ge- plante Preisdeckel gegen die in Artikel 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäi- schen Union garantierte Dienstleistungsfrei- heit verstoßen“ würde. Der Jurist berücksich- tigt im Gutachten auch die jüngste Regulie- rung durch die EU-Versicherungsvertriebs- richtlinie IDD und kommt zu dem Ergebnis: „Die IDD enthält keinerlei Regelungen, die es rechtfertigen würden, die Vertriebsentgelte für alle Vermittlertypen bei Lebensversiche- rungen jeder Art der Höhe nach zu deckeln.“ Formiert sich Widerstand? Diese Bedenken haben sicher auch Abge- ordnete im Bundestag gehört. Dort könnte sich Widerstand formieren. Politiker wie Carsten Brodesser, LVRG-Berichterstatter der CDU/CSU, sprachen sich bereits gegen den Deckel aus. Ob er gehört wird, muss sich aber erst noch zeigen. JENS BREDENBALS | FP Das Finanzministerium ist fest entschlossen, die Provisionen von Lebenspolicen zu deckeln – trotz Bedenken aus der Branche und von Verfassungsrechtlern. Deckel drauf! Hans-Peter Schwintowski, Humboldt-Universität zu Berlin: „Die IDD enthält keine Regelung, Vertriebsentgelte zu deckeln.“ 360 www.fondsprofessionell.de | 1/2019 steuer & recht I provision

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