FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2019

für eine Trennung von Vorstand und Auf- sichtsrat. Vom Aufsichtsrat insgesamt erwar- ten wir Unabhängigkeit“, fasst der Experte zusammen. Ein weiterer Punkt, auf den die Corporate- Governance-Analysten achten, ist die Trans- parenz und Angemessenheit der Vergütung der Führungskräfte. „Das war in der Vergan- genheit nicht immer gewährleistet, verbessert sich aber nach und nach“, erläutert Huber. Weiteres Augenmerk legen die Experten auf den Abschlussprüfer. „Wir plädieren nach fünf Jahren für einen Wechsel, damit sich kein Automatismus einschleicht“, so Huber. Transparenz gefordert Die Richtlinien sind nicht in Stein gemeißelt. „Wir schauen uns von Fall zu Fall an, ob es begründete Abwei- chungen gibt“, erläutert Stobbe von Allianz GI. „Grundsätzlich erwarten wir eine hohe Transparenz. Wir be- trachten stets auch die langfristige Ent- wicklung des Unternehmens.“ So ge- langen die Asset Manager über eine Diskussion unter Portfolio Managern, Analysten und ESG-Team über jeden konkreten Fall zum Entschluss, wie sie auf einemAktionärstreffen abstimmen sollen. Corporate Governance ist also in den Investmentprozess der Ver- mögensverwalter eng eingebunden. Die Fondsgesellschaften be- schränken sich bei ihrem Engagement aber nicht allein auf die Stimmabgabe. „Auch bei den Treffen mit dem Ma- nagement adressieren wir gegebenenfalls Mängel“, berichtet Heinen von Union Invest- ment. „Einmal im Jahr schicken wir gezielt Briefe an Unternehmen, bei denen wir mehr als einmal gegen einen Vorschlag des Ma- nagements gestimmt haben, um unseren Standpunkt zu erläutern“, ergänzt DWS-Mann Huber. „Wir streben einen offenen Dialog mit den Unternehmen an. Das ist keine einseitige Aktion“, erläutert wiederum Stobbe von Alli- anz GI. „Wir zeigen den Unternehmen Per- spektiven auf und teilen unser Wissen.“ So entstehe ein echter Dialog über Corporate Governance. „Wir wollen nicht nur auf Miss- stände hinweisen, sondern eine Entwicklung anstoßen“, ergänzt Christoph Berger, Leiter des Teams für deutsche Aktien bei Allianz GI. Verlängerter Arm Bei ihrer Arbeit greifen die Analysten auf Stimmrechtsberater wie Glass Lewis und ISS zurück. Diese wollen Aktionären die Stimm- abgabe erleichtern, sprechen aber auch Emp- fehlungen aus. Wegen der möglichen Macht- konzentration ist diese Praxis umstritten (siehe auch FONDS professionell 1/2019, Seite 140). Die großen deutschen Fondshäuser be- tonen jedoch unisono, dass der Stimmrechts- berater gemäß ihren hauseigenen Leitlinien agiert. Die Entscheidung, wie abgestimmt wird. liege allein bei den Asset Ma- nagern. ISS und Co. dienten praktisch nur als verlängerter Arm, etwa bei Hauptversammlungen aus- ländischer Konzerne, bei denen es organisatorisch schwierig wäre, selbst Präsenz zu zei- gen. „Auch für bestimmte Informa- tionen, etwa die Auswertung der Le- bensläufe von Aufsichtsräten, greifen wir auf Berater zurück“, so Heinen. Asset Manager müssen auch mit ihren Ressourcen haushalten. Sie können die Unternehmen nicht im Detail kontrollieren. „Wir können und wollen dem Aufsichtsrat die Arbeit nicht abnehmen“, sagt Heinen. „Die Grundpfeiler müssen passen. Wir prü- fen, inwieweit sich ein Unternehmen in einem angemessenen Rahmen bewegt.“ SEBASTIAN ERTINGER | FP Foto: © Fritz Philipp; DWS; Eugen Sommer Nicolas Huber, DWS: „Wir zeigen klar auf, wofür wir stehen, wogegen wir sind und was wir erwarten.“ Antje Stobbe, Allianz Global Investors: „Wir streben einen offenen Dialog mit den Unternehmen an.“ Mut zum Neinsagen Anteil der von Allianz Global Investors abgelehnten Vorschläge Vertreter von Allianz GI nahmen 2018 weltweit an 8.535 Hauptversammlun- gen teil und stimmten über mehr als 90.000 Anträge ab. Quelle: Allianz GI, 2018 0 % 5 % 10 % 15 % 20 % 25 % 30 % 35 % Großbritannien Schweden Niederlande Schweiz Belgien Spanien Taiwan Hongkong Deutschland Italien Frankreich USA Japan 44 % 35 % 31 % 31 % 26 % 26 % 21 % 21 % 21 % 20 % 16 % 10 % 6 % Vanda Heinen, Union Investment: „Wir können und wollen dem Aufsichtsrat die Arbeit nicht abnehmen.“ 140 www.fondsprofessionell.de | 2/2019 markt & strategie I corporate governance

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