FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2019
Angebot, das eine monatliche Prämienzah- lung von 600 Euro vorsah. Der Kunde sollte nach dieser Dokumentation mehr ausgeben, als er hatte.“ In den gesetzlichen Bestimmun- gen stehe aber ausdrücklich, dass die Empfeh- lung zur finanziellen Situation des Kunden passen müsse. Berater sollten daher eine Ein- nahmen-Ausgaben-Übersicht erstellen. „Der Versicherer, für den der Vermittler tätig ist, hat das Vorgehen übrigens damit gerechtfertigt, dass in der Abfragevorlage extra ein Textfeld eingebaut sei, mit dem Vermittler den Kunden auf diese Diskrepanz hinweisen soll“, schüttelt Korn den Kopf. In anderen Fällen würden Vermittler und Vertriebe Bandbreiten abfragen, beispielswei- se ob der Kunde zwischen 0 und 1.000 Euro, 1.000 bis 2.000 Euro oder mehr zur freien Verfügung habe. „Hier fallen imAngebot 100 Euro mehr an Beiträgen nicht weiter auf“, sagt Korn. „Grundsätzlich sind solche Band- breiten möglich, allerdings dürfen sie nicht zu groß ausfallen. Schließlich sind 100 Euro Unterschied bei einem Gehalt von 2.500 Euro netto viel Geld, wenn davon eine dreiköpfige Familie ernährt werden muss.“ Beim dritten Punkt, der Ermittlung der Verlusttragfähigkeit, müssen Vermittler auf die Plausibilität achten. Korn nennt ein Beispiel aus einem Protokoll: Dort bezeichnet sich ein Kunde mit Blick auf die Risikotoleranz zwar als „spekulativer Investor“, gibt andererseits aber an, höchstens 20 Prozent Verlust ertragen zu können. „Das Problem ist, dass diese An- gaben Selbsteinschätzungen der Kunden sind. Der Vermittler muss also darauf achten, dass sich der Kunde plausibel äußert, und Wider- sprüche aufzeigen.“ Schließlich verlangt das Gesetz auch, dass die Vermittler schriftlich be- gründen, warum ein Produkt zu den Bedürf- nissen und Wünschen eines Kunden passt. „Diese Geeignetheitserklärung fehlt ebenfalls immer wieder, vor allem bei Maklern“, hat Korn beobachtet. Drohendes Bußgeld Die Missachtung des VVG hinsichtlich der Geeignetheitserklärung sollten Vermittler nicht auf die leichte Schulter nehmen. Es handelt sich laut Paragraf 147c Gewerbeordnung (GewO) ausdrücklich um eine Ordnungswid- rigkeit. Diese kann mit einem Bußgeld von bis zu 500.000 Euro geahndet werden. Zudem stellen Verstöße gegen die Anforderungen zur Geeignetheitsprüfung und an deren Doku- mentation im Hinblick auf den Vermögens- schadenhaftpflichtschutz (VSH) schnell Obliegenheitsverletzungen dar, sodass der VSH-Versicherer den Schutz einstellen kann. Wie werden Behörden aber auf solche Ver- stöße aufmerksam? Schließlich müssen Ver- sicherungsvermittler mit Erlaubnis gemäß Pa- ragraf 34d GewO anders als Finanzanlagen- vermittler mit 34f-Lizenz keine Prüfberichte einreichen. „Hier gibt es mehre Möglich- keiten: entweder über Mitbewerber, Ex-Ge- schäftspartner oder Kunden, die sich bei den Aufsichtsbehörden über den Vermittler be- schweren“, erklärt Korn. Ein anderer Weg sei die Überprüfung der Zuverlässigkeit. Wenn daran Zweifel aufkommen, etwa wegen Steuerschulden oder drohender Insolvenz, würden die Industrie- und Handelskammern oder Gewerbeämter auch analysieren, ob die neuen gewerberechtlichen Anforderungen erfüllt wurden. Im Rahmen der neuen Be- schwerdemanagementanforderungen nach der Versicherungsvermittlerverordnung können nun auch Protokolle relevant werden – und unter Umständen zum Gegenstand einer Prü- fung. In der Praxis kam das seit IDD-Einfüh- rung allerdings wohl noch nicht vor, zeigt die Umfrage von FONDS professionell. Die Bafin ist dagegen eine Institution, die den gebundenen Vertretern zumindest mittel- bar über die Versicherer auf die Finger schaut. Bislang hat sie offenbar keine Verstöße gefun- den. Jurist Korn nennt mehrere mögliche Gründe: „Die Aufsicht hat womöglich noch nicht genau genug geprüft. Vielleicht wurde nur geschaut, ob die Software korrekt ange- wandt wurde, aber nicht, ob die Ergebnisse plausibel sind, etwa im Hinblick auf die Er- mittlung der finanziellen Verlusttragfähigkeit.“ Ferner könnte die Aufsicht bislang nur die Gesellschaften untersucht haben, bei denen es noch keine Verstöße gab. Oder zum Zeitpunkt der Prüfung gab es schlicht noch keine Auf- fälligkeiten. Bleibt zu hoffen, dass die Bafin auch in Zukunft keinen Grund zu Beanstan- dungen hat – weil sich die Vermittler künftig an alle Vorgaben halten. JENS BREDENBALS | FP Streitpunkt Provisionsabgabeverbot Das Provisionsabgabeverbot, das im Zuge der IDD-Im- plementierung Gesetzesrang bekam, ist das einzige pro- minente Beispiel dafür, dass es mit der Umsetzung der neuen Regeln hakt: Die Finanzaufsicht Bafin und das Ver- sicherungsvergleichsportal Gonetto streiten sich seit Mitte 2018 darüber, welche Ausnahmen von dem Verbot gel- ten. FONDS professionell erläutert den Fall. Grundsatz: Paragraf 48b Absatz 4 Versicherungsauf- sichtsgesetz besagt, dass eine Sondervergütung nur erlaubt ist, soweit diese „zur dauerhaften Leistungserhö- hung oder Prämienreduzierung des vermittelten Vertrags verwendet wird“. Die Bafin hat mehrfach betont, dass die Ausnahme nur greift, wenn der Versicherer die Prämie über eine Anpassung des Versicherungsvertrags senkt. Eine einfache Durchleitung der Provision an den Kunden ohne eine Änderung des Vertrags gehe nicht. Bafin: Der Behörde zufolge verstößt Gonetto gegen die Regeln. Das Start-up bietet vor allem Nettopolicen an, bei Bruttopolicen kehrt es die Provisionen aus. Die Aufsicht ging daher bereits gegen das Portal vor und drohte Ver- sicherern in einem Musterschreiben, dass eine Koopera- tion mit Gonetto einen Verstoß gegen das Provisionsab- gabeverbot darstelle. Gonetto: Das Portal wehrt sich gegen das Vorgehen der Bafin. Gonetto argumentiert, man würde zum einen die Versicherungsleistung von der Beratungsleistung trennen – Kunden sollten nicht wie sonst üblich mittels Provisio- nen für eine Beratung zahlen, die sie in der Praxis oftmals gar nicht in Anspruch nähmen. Zum anderen könne der Kunde das gesparte Geld dafür nutzen, etwa über einen Honorarberater einen besseren oder günstigeren Tarif zu bekommen. „Wir leiten Bestands- und keine Abschluss- provisionen weiter. Die Regierung selbst sieht das Provi- sionsabgabeverbot im Zusammenhang mit Neugeschäft, nicht dem Bestand“, so Gonetto weiter. Das Weiterlei- tungsverbot solle nur verhindern, dass die Provisions- abgabe als Verkaufsargument missbraucht werde. Urteil: Bislang hat sich Gonetto nicht durchsetzen kön- nen. Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main folgte in einem Entscheid den Argumenten der Bafin. Nun muss der Hessische Verwaltungsgerichtshof urteilen. Oliver Korn, GPC Law: „Die Aufsicht hat womöglich noch nicht genau genug geprüft.“ 223 www.fondsprofessionell.de | 2/2019
RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=