FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2019
Beteiligung des Arbeitgebers“, sagt Verdi- Funktionärin Kerschbaumer. Die IG Metall erhofft sich sogar eine volle Finanzierung durch den Arbeitgeber, wobei „ein erster Schritt überhaupt mehr bAV-Tarifverträge als bisher wären“, so Schminke. Für die Chemie- Arbeitgeber ist klar, dass „ein SPM attraktiv sein muss, wenn es akzeptiert werden soll“, wie Mühl betont. Hintergrund: Die Änderun- gen an den Zusagearten und Versorgungs- ordnungen führten in Deutschland früher oft zu Verschlechterungen für Arbeitnehmer. Das dürfe beim SPM nicht passieren. Gehen die Konzepte auf, dürfen Betriebs- rentner auf ordentliche Bezüge hoffen. Man wolle eine um 35 Prozent höhere Startrente sowie 50 Prozent mehr Rentensumme als mit herkömmlichen bAV-Garantieprodukten errei- chen, berichtet Lars Golatka, Leiter des Ge- schäftsbereichs bAV bei Zurich, für das SPM- Konsortium „Die Deutsche Betriebsrente“. Mit ersten SPM-Abschlüssen rechnen die genannten Tarifpartner nicht vor 2020. „Im Moment gibt es keine Bereitschaft der IG BCE zu konkreten Verhandlungen“, sagt Mühl. Schminke verweist auf den Gewerk- schaftstag der IG Metall in diesem Herbst, auf dem der Ausbau der bAV über Tarifverträge ein Thema sein könne. Eine erste Bewegung könnte sich 2020 in der Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie ergeben. Auch bei Verdi könnte ein Abschluss laut Kerschbaumer unter Umständen noch bis 2020 dauern. Wer zahlt die Beratung? Während das neue Gesetz viele Punkte klar regelt, bleiben mit Blick auf die Beratung der Arbeitnehmer und die damit verbundenen Kosten viele Fragen offen. Die im SPM fest- gelegte reine Beitragszusage entlässt Arbeit- geber zwar aus der Haftung für Garantieleis- tungen, von anderen Pflichten werden sie aber nicht entbunden. Hinzu kommen viele steuer- und sozialversicherungsrechtliche Fragen. Gerade bei Mittelständlern besteht ein hoher Bedarf an nachträglicher Beratung. Doch beim SPM obliegt es den Tarifpart- nern zu bestimmen, wie, ob und in wel- chem Umfang beraten werden soll. Wie könnte das in der Praxis gelöst werden? Die Antworten der Anbieter auf Anfrage von FONDS professionell fallen diplomatisch aus, sie reichen von „Auto- matismen im Tarifvertrag lösen das“ (Deut- sche Betriebsrente) über „Digitale Plattfor- men ersetzen Berater“ (Metzler Sozialpart- ner Pensionsfonds) bis hin zu „Kosten für Anlage und Verwaltung muss man ehrlich dis- kutieren“ (Initiative Vorsorge). „Nebelkerzen der Anbieter in diesem Punkt sollten aufmer- ken lassen“, rät Rüdiger Bach, Vorstand der R+V-Versicherungsgruppe, den Tarifpartnern. Man könne sicherlich versuchen, die Kosten durch Digitalisierung gering zu halten, doch ohne Beratung werde das Projekt verpuffen. Gute Chancen für Berater Aus dem strukturell-kollektiven Charakter sollen „erhebliche Kosten- und Effizienzvor- teile resultieren“, hofft der Gesetzgeber. Das SPM soll offenbar ohne Beratung auskom- men. „Ich halte das für einen Irrglauben, denn Vorsorgeprodukte haben sich noch nie von selbst verkauft“, warnt Fabian von Löbbecke, Vorstandsvorsitzender der HDI Pensions- management. Rechtsanwalt Marco Arteaga von der Kanzlei DLA Piper, der das Gutach- ten „Sozialpartnermodell Betriebsrente“ des BMAS maßgeblich mit erstellt hat, sieht ebenfalls gute Chancen für Berater. „Es gibt eine deutliche Vertriebserleichterung, weil die Reform generell kollektive, branchen- oder betriebseinheitliche Lösungen anstrebt“, sagt der Arbeitsrechtler. Damit seien niedrigere Abschlusskosten pro Vertrag verkraftbar. „Möglicherweise gibt es weniger Promille, aber viel mehr Beitragssumme“, so Arteaga. Aber auch er schränkt ein: „Kapitalanlage in einer Solidargemeinschaft bringt höhere Erträge als individuelle Anlagen, also bleiben spiegelbildlich weniger Erträge für die Anbie- ter im Vertrieb.“ Weltfremde Vorgabe Ob der Vertrieb dabei mitspielt, ist völlig offen. Professionelle Berater vermitteln schon seit jeher Gruppenverträge mit halbierten Courtagen, die sich unterhalb des Wertes von 2,5 Prozent der Beiträge bewegen, die heute als Kostenobergrenze in der Lebensversiche- rung erlaubt sind. Andreas Bürse-Hanning, Vorstandschef des Maklerhauses Aures Finanz, stört, dass „die Beratungsleistung vom BMAS nicht eingepreist worden ist“. Die Organisa- tion der bAV über tarifliche Versorgungswer- ke lasse Kostenvorteile zu, auch Opting-out- Modelle auf Basis von Betriebsvereinbarun- gen könnten die Vertriebskosten senken. Das Prinzip: Der Arbeitgeber macht ein Angebot, der Arbeitnehmer nimmt es ohne Beratung an oder lehnt ab. Will er einen Rat, muss er dafür die Kosten tragen. „Ob damit aber die bAV gerade in kleinen Firmen stärker verbreitet wird, bezweifle ich“, sagt Bürse-Hanning. Die Vorgabe, mit dem SPM ein System ohne Gewinnerzielungsabsicht zu installieren, hält der Makler für weltfremd. Dass das Gesetz die Punkte Beratung und Beratungskosten beim SPM eher stiefmütter- lich behandelt, verwundert, schließlich startete auch die Riester-Rente erst nach Erhöhung der Vermittlungsprovision richtig durch. Und auch das tarifliche Versorgungswerk Me- tall-Rente kam erst in Schwung, nachdem die Vertriebsvergütungen angehoben wur- den. Beratung ist eben nicht zum Nulltarif zu haben. „Und die Tarifpartner dürfen per Gesetz nicht selbst beraten“, warnt Ulrich Scheele, Generalbevollmächtigter für Ver- triebsentwicklung und freie Vertriebe der Signal-Iduna-Gruppe. Seine Forderung: Die Tarifpartner müssten sich gesetzlich zugelassener Berater bedienen, insbeson- dere Versicherungsmaklern, Versicherungs- beratern und spezialisierten Rechtsan- wälten. DETLEF POHL | FP Foto: © HDI Versicherungen | John M. John Fabian von Löbbecke, HDI Pensionsmanagement: „Vor- sorgeprodukte haben sich noch nie von selbst verkauft.“ Sozialpartnermodell im Überblick • Die Sozialpartner dürfen auf Tarifbasis reine Beitragszusagen einführen. • Mindest- oder Garantieleistungen sind verboten, die Haftung des Arbeitgebers entfällt. • Für die Kapitalanlage wird ein Ertragsziel festgelegt. Hinzu kommt ein Risikopuffer, der Schwankungen glätten soll. • Dazu soll der Tarifvertrag einen zusätzlichen Sicherungsbeitrag des Arbeitgebers vorsehen. • Die Anwartschaft auf die lebenslange Renten ist unverfallbar. • Sozialpartner dürfen eine automatische Entgeltumwandlung („Opting-out“) einführen. • Das Modell soll weitgehend ohne Beratungs- und Vertriebs- kosten auskommen. 246 www.fondsprofessionell.de | 2/2019 fonds & versicherung I sozialpar tnermodell
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