FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2019
Berater möchte in erster Linie Informationen sammeln, um geeignete Empfehlungen geben zu können. Der Coach dagegen stellt Fragen, um Denkprozesse bei seinem Klienten, dem Coachee, anzustoßen – sie werden auch ‚wir- kungsvolle‘ Fragen genannt.“ Daraus resultiert ein weiterer Unterschied, so Müller: „Bei einer klassischen Anlageberatung erledigt unterm Strich der Berater 80 Prozent der Ar- beit, bei einem Coaching dagegen der Kunde. Der Coach gibt nur die richtigen Anstöße.“ Barth bezeichnet Coaching als „reflektie- renden, transparenten Prozess“. „Es gilt her- auszufinden, was der Kunde tatsächlich möchte, welche Ziele er hat“, sagt er. Oft ent- scheide der Berater, was gut für den Kunden ist. „Mein Ansatz als Finanzcoach ist ein anderer: Ich versuche, den Kunden selbst entscheidungsfähig zu machen und ihn zu animieren, über seine Ziele und Wünsche nachzudenken. Er soll sich wirklich bewusst sein über alle wesentlichen Vor- und Nachteile einer Finanzentscheidung. Der Kunde muss die Konsequenzen kennen – dann kann er auch zu seinem Entschluss stehen.“ Verantwortung übernehmen Stefanie Kühn sieht das ähnlich: „Viele Anleger schimpfen gern auf ihre Bank oder ihren Berater. Doch damit machen sie es sich zu einfach. Ich möchte Menschen die Scheu davor nehmen, selbst Verantwortung für ihre Finanzen zu tragen.“ Bei ihr und ihrem Mann geht das so weit, dass sie ihren Kunden zwar konkrete Produkte empfehlen, sie ihnen aber nicht vermitteln. „Wir erläutern unseren Kun- den, wie sie sich die Fonds oder ETFs kosten- günstig selbst beschaffen können – etwa bei einer Direktbank.“ Branchenkennerin Müller sieht Coaching und Beratung als komplementär an. „Die Dienstleistungen ergänzen sich gut, das eine kann das andere aber nicht ersetzen“, sagt sie. Finanzplaner Barth pflichtet ihr bei. „Oft ist es so, dass ich anfangs zunächst eine coa- chende Rolle einnehme und der Kunde im Anschluss eine ganzheitliche Finanzberatung wünscht. Mitunter kommt der Kunde schon während des Coachings mit produktspezifi- schen Fragen auf mich als Finanzexperten zu, mir ist es aber wichtig, das Coaching und konzeptionelle Überlegungen von der Pro- duktberatung zu trennen.“ Der Verdacht liegt nahe, dass nicht alle Marktteilnehmer nach der reinen Lehre vor- gehen. Der Begriff „Finanzcoaching“ ist un- belasteter als der Ausdruck „Finanzberatung“, den viele mit Produktverkauf gleichsetzen. Also nutzen manche Vermittler dieses Schlag- wort in der Werbung, ohne ein wirkliches Coaching im Sinne der Definition (siehe Kasten Seite 268) anzubieten. Aufwendige Ausbildung „Coaching ist leider kein geschützter Begriff. Jeder kann sich Coach nennen“, be- dauert Barth. „Für Kunden ist es darum wich- tig, darauf zu achten, dass gewisse Standards eingehalten werden. Wenn ein Vermittler nur ‚Finanzcoach‘ auf seine alte Dienstleistung schreibt, ist dem Kunden damit wenig gehol- fen.“ Barth beispielsweise hat eine Ausbil- dung als systemischer Business-Coach absol- viert, die vom Deutschen Bundesverband Coaching (DBVC) anerkannt ist. Müllers Seminarprogramm, das stolze 200 Stunden beansprucht, trägt den Stempel der Internatio- nal Coach Federation (ICF), dem weltweit größten Coaching-Berufsverband. Blick über den Tellerrand Der Vorteil einer soliden Ausbildung: Sie erlaubt den Blick über den Tellerrand. Sowohl Barth als auch Kühn und Kholghi haben Kunden, die sich zu anderen Themen coachen lassen, zum Beispiel zu Karrierethemen. „Der Hauptteil meiner Einnahmen stammt ein- deutig aus der Vermögensbetreuung“, sagt Honorarberater Kholghi. „Nur vom Coaching allein könnte ich nicht leben. Das Thema macht mir aber einerseits viel Spaß und rundet andererseits mein Geschäftsmodell ab.“ Stefanie Kühn und ihr Mann sind noch einen Schritt weiter gegangen: Sie haben eine eige- ne Firma gegründet, mit der sie Mental- Coaching anbieten – unter anderem für Spit- zensportler und Musiker. „Coaching“ vom Laien Manche Anbieter sparen sich allerdings den hohen Aufwand einer anerkannten Ausbil- dung: Wer im Internet nach Finanzcoaches sucht, stößt schnell auf den einen oder ande- ren Laien, der mit der entsprechenden Dienst- leistung wirbt. Der Bekannteste ist wahr- scheinlich Albert Warnecke aus Hamburg, der den Blog und Podcast „Der Finanzwesir“ betreibt. Er bietet unter anderem ein 60-minü- tiges „Kurz-Coaching“ an – inklusive Ab- schlussbericht für 500 Euro. Der Preis schreckt offensichtlich nicht viele Interessenten ab, Warnecke ist laut Website „bis Ende Juli“ ausgebucht. Den Wunsch von FONDS professionell nach einem Telefonat zu seinemAngebot musste er aus Zeitgründen ablehnen. BERND MIKOSCH | FP Foto: © Private Finanzplanung Kühn, Picslocation/Barth Hans-Joachim Barth, Barth Consulting: „Ich versuche, den Kunden selbst entscheidungsfähig zu machen.“ Stefanie Kühn, Private Finanzplanung Kühn: „Beim Geld geht es nicht nur um rationale Themen.“ » Wenn ein Kunde bei einer Finanzentscheidung mental blockiert ist, sage ich ihm, dass ein Coaching helfen kann, diese Blockade zu lösen. « Bijan Kholghi, Kholghi Finanz- & Vermögensplanung 272 www.fondsprofessionell.de | 2/2019 vertrieb & praxis I finanzcoaching
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