FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2019
allerdings frühestens im März 2020. Damit über diesen Weg Erleichterungen für Banken, Berater und Kunden erzielt werden, ist es wichtig, dass sich die Bafin der momentanen Probleme bewusst wird – und sich auf euro- päischer Ebene für Lösungen einsetzt. Wahrgenommen hat die Aufsicht die zu Protokoll gegebenen Schwierigkeiten auf jeden Fall. „Für die Aufsichtstätigkeit der Bafin ist es von entscheidender Bedeutung, ein präzises Bild der realen Auswirkungen der Umsetzung von Mifid II auf die Anleger zu erhalten“, sagt Elisabeth Roegele, Vizepräsi- dentin der Bafin und Exekutivdirektorin Wert- papieraufsicht / Asset Management. „Um dies zu erreichen, nutzen wir sämtliche verfüg- baren Erkenntnisquellen und beschäftigen uns natürlich auch mit der Studie der Universität Bochum“, erklärt sie. Keine zügigen Änderungen Konkrete, noch dazu zügige Änderungen kann die Behörde selbst jedoch nicht in die Wege leiten. Schließlich sind die meisten der Vorschriften, die dazu führen, dass die Anla- geberatung für Kunden und Berater so zäh geworden ist, bereits auf Level I, also direkt im Gesetzestext von Mifid II, angelegt. So empfinden etwa fast 46 Prozent der von der Ruhr-Universität befragten Anleger und 58 Prozent der Berater die Aufzeichnung te- lefonischer Beratungsgespräche – das Taping – als Störfaktor. 60 Prozent der Anlageberater glauben, dass die Geeignetheitsprüfung dem Kunden nichts bringt. Tatsächlich würden immerhin knapp 44 Prozent der Anleger gern darauf verzichten. Aber: An beiden Regelun- gen kann weder die Bafin noch die Europäi- sche Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA schnell mal schrauben. Das ist einzig und allein Sache des EU-Gesetzgebers. Verbesserungen anstoßen kann eine natio- nale Aufsichtsbehörde aber schon. Um in den Mitgliedsstaaten eine einheitliche, praxistaug- liche Auslegung des Rechtsrahmens zu erar- beiten, befinde sich die Bafin daher im dau- erhaften Austausch auf europäischer Ebene, erklärt Exekutivdirektorin Roegele. „In einen künftigen Gesetzgebungsprozess werden wir uns selbstverständlich im Rahmen unserer Möglichkeiten einbringen“, sagt sie. Kein Kommentar Auch dem Bundesministerium der Finan- zen (BMF) sind die Ergebnisse der Studie be- kannt. Ebenso wie bei anderen Untersuchun- gen zu den Auswirkungen von Mifid II kom- mentiere das Ministerium diese aber nicht, er- klärt eine Sprecherin. „Davon unabhängig set- zen wir uns für eine umfassende Überprüfung der überarbeiteten EU-Finanzmarktrichtlinie im Hinblick auf Zielerreichung, Proportiona- lität und Fehlerkorrektur ein“, heißt es. Dies gelte auch für die Vorschriften für Anlage- beratung und Anlegerschutz. Um sich ein Bild über die Auswirkungen der Vorschriften zu verschaffen, hat das BMF zu Jahresbeginn eine Konsultation gestartet. Ein Verband, der bereits Position bezogen hat, ist das Financial Planning Standards Board Deutschland (FPSB Deutschland). „Eine wesentliche Verbesserung der Transpa- renz durch Mifid II können unsere FPSB-Mit- glieder nach über einem Jahr Erfahrung mit der neuen Finanzmarktrichtlinie nicht feststel- len“, sagt FPSB-Vorstandschef Rolf Tilmes. Ein Kritikpunkt betrifft die vorgeschriebene Ex-ante-Kostendarstellung, bei der die zu erwartenden Kosten einer Geldanlage über mehrere Jahre kumuliert als Gesamtsumme sowie als Prozentzahl ausgewiesen werden müssen. Das sei nach Erfahrung der Finanz- planer für die meisten Kunden kaum verständ- lich. Zum Vergleich: Die Zahlen der Bochu- mer Studie zeigen, dass rund 31 Prozent der befragten Bankkunden den Ex-ante-Kosten- ausweis für „eher sinnlos“ halten, fast 40 Pro- zent würden gern darauf verzichten. Die Finanzplaner stehen außerdem dem Taping kritisch gegenüber. Ihre meist sehr vermögen- den Kunden empfänden die Aufzeichnung von Beratungsgesprächen als „Grenzüberschrei- tung“ und „Verletzung der Privatsphäre“. Martin Klein, geschäftsführender Vorstand des Vermittlerverbandes Votum, hofft, dass die Erkenntnisse aus der Mifid-II-Studie in Berlin für ein Umdenken bei der Finanzanlagen- vermittlungsverordnung (FinVermV) führen werden. „Allein der Umstand, dass die Ban- ken bereits die kundenunfreundliche Regelung umsetzen mussten, kann nicht als Argument dafür herhalten, dass auch die gewerblichen Anlagenvermittler mit einer derartig überzo- genen Regulierung in ihrem Leistungsangebot eingeschränkt werden“, sagt er. Gerade über das Taping, das im Entwurf für die neue FinVermV vorgesehen ist, sollte „zum Nutzen der Verbraucher“ im Bundeswirtschaftsminis- terium noch einmal neu beraten werden. Nichts Genaues absehbar Inwieweit die prägnanten Studienergebnisse aber tatsächlich Einfluss auf die Arbeit der Politiker in Berlin oder in Brüssel haben wer- den, kann niemand zuverlässig beantworten. Bafin-Exekutivdirektorin Roegele macht ein wenig Hoffnung: „Es ist durchaus möglich, dass es aufgrund von Erfahrungen aus der Praxis zu nachträglichen Änderungen am Regelwerk von Mifid II kommen wird“, sagt sie. Dabei würden sicherlich auch Auswir- kungsstudien sowie Positionen der Institute berücksichtigt. Letztlich müsse jedoch der europäische Gesetzgeber über eventuelle Neu- regelungen entscheiden. „Der mögliche Um- fang künftiger Änderungen an Mifid II ist der- zeit nicht absehbar“, sagt sie. Heißt: Vorschrif- ten, die schräg sind, werden vielleicht auch schräg bleiben. ANDREA MARTENS | FP Foto: © Bafin | Die Hoffotografen Andreas Krautscheid, Bundesverband deutscher Banken: „Mifid II war ein Schuss in den Ofen.“ Elisabeth Roegele, Bafin: „Der mögliche Umfang künftiger Änderungen an Mifid II ist nicht absehbar.“ 338 www.fondsprofessionell.de | 2/2019 bank & fonds I mifid II
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