FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2019

Foto: © belleepok | stock.adobe.com D ie Situation dürfte manchem Vermö- gensverwalter oder Private Banker be- kannt sein: Ein älterer Kunde möchte einen Teil seines Besitzes dem Sohn oder der Enkelin überlassen, zum Beispiel ein Wertpa- pierdepot mit Fonds und Aktien. Der Berater kann demWunsch des Kunden nachkommen und das Depot auflösen, sodass die Erlöse verschenkt werden können. Er kann dem Kunden allerdings auch vorschlagen, das De- pot zu übertragen, sich selbst aber den Nieß- brauch vorzubehalten. So schlägt der Kunde zwei Fliegen mit einer Klappe: Er kann die Erträge aus dem Depot weiter nutzen – und der Nießbrauch mindert die Steuerbelastung bei einer Schenkung. Der Berater gewinnt übrigens auch: Er betreut das Depot weiterhin. Die konkrete Ausgestaltung eines solchen Nießbrauchs sollte mithilfe eines Steuerbe- raters geplant werden, denn es gibt im Detail eine Vielzahl von Regeln zu beachten. Einige grundsätzliche Hinweise sind aber möglich. Eigentum kontra Nutzung Zum Verständnis des Nießbrauchs muss man tiefer in die Denkweise von Juristen ein- tauchen. Rechtsexperten haben nachweislich bereits im Mittelalter bei einer Sache zwi- schen Eigentum und Nutzung unterschieden. Rechtlich ist es möglich, dass jemand einen Wald besitzt, er aber das Holz nicht schlagen oder das Rotwild jagen darf. Genau das ist Nießbrauch: das unveräußerliche und unver- erbliche Recht auf Nutzung, Verfügung und sogenannte „Fruchtziehung“ an einer Sache. Der Besitzer behält lediglich das „bloße Eigentum“. Juristen unterscheiden ferner zwi- schen einem Vorbehaltsnießbrauch, bei dem der bisherige Besitzer das Eigentum überträgt, sich aber die Nutzung vorbehält, und dem Zuwendungsnießbrauch, bei dem es genau umgekehrt ist: Der Eigentümer behält den Besitz und überträgt die Fruchtziehung. Grundlage BGB Im deutschen Recht sind die Regeln für Nießbrauch in den Paragrafen 1030 bis 1089 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) fest- gelegt. „Das BGB stammt in der ersten Fas- sung von 1896. Schon damals wurde der Nießbrauch definiert und geregelt“, weiß Stefan Brähler, Geschäftsführer des auf Ver- sicherungslösungen zur Vermögensübertra- gung spezialisierten Beratungsunternehmens Confidema. „Seitdem ist der Vorbehaltsnieß- brauch ein gängiges Instrument bei der Ver- mögensübertragung.“ Nießbrauch ist vor al- lem im Immobilienbereich bekannt und wird dort häufig genutzt. Weit weniger bekannt ist, dass er auch bei Wertpapieren möglich ist. Einschlägig ist Paragraf 1081 BGB. Die ge- naue Ausgestaltung wird vertraglich geregelt. Berechnung des Wertes „Der Vorteil des Vorbehaltsnießbrauchs bei Vermögensübertragungen beruht darauf, dass der Gesetzgeber dem Nießbrauchbesteller oder Eigentümer eine Steuerermäßigung im Ausgleich dafür zugesteht, dass er auf etwas verzichtet“, sagt Wolfgang Müller, Vorstands- vorsitzender der WM Treuhand & Steuer- beratungsgesellschaft aus Limburg. Die ge- naue Ermäßigung hängt dabei von der Höhe und der Laufzeit der dem Nießbrauchnehmer zugestandenen Fruchtziehung ab. Darunter fallen Ausschüttungen aus Fonds, Dividenden von Aktien oder Zinszahlungen von Anleihen, die der ehemalige Besitzer versteuern muss: Es fallen Abgeltungsteuer und Solidaritätszu- schlag von 26,375 Prozent an. Die seit Anfang 2018 geltenden Vorschriften zur Besteuerung von Fondserträgen muss der Nießbrauchneh- mer ebenfalls beachten – die bei thesaurieren- den Fonds zu entrichtende Vorabpauschale eingeschlossen. Diese legen ihre „ausschüt- tungsgleichen Erträge“ zwar gleich wieder an, sodass sie im Fonds verbleiben. Da der Nieß- brauchnehmer der wirtschaftliche Eigentümer der Wertpapiere ist, muss er aber auch die Abgaben leisten (siehe auch FONDS profes- sionell 4/2017, Seite 332). Für die Berechnung des Nießbrauchwertes bei einem Depot wird der prozentuale Durch- schnitt der Wertentwicklung der vergangenen vier Jahre genommen. Paragraf 16 Bewer- tungsgesetz (BeWG) deckelt diese Perfor- mance auf maximal 5,37 Prozent im Jahr. Fer- ner wird die Lebenserwartung des Nieß- brauchnehmers berücksichtigt. Hierfür zieht das Finanzamt die offizielle Nießbrauchtabelle heran, die das Bundesfinanzministerium jähr- lich veröffentlicht und die auf den Sterbetafeln Bei der Übertragung von Vermögen lassen sich mit ein paar Kniffen jede Menge Steuern sparen. Ein Weg ist der Nießbrauch bei Wertpapieren. Lohnender Umweg Die genaue Ausgestaltung eines Nießbrauchs bei einem Wertpapierdepot hat im übertragenen Sinne durchaus Ähnlich- keit mit einem Geschicklichkeitsspiel. Es gilt, vielen Fallen zu entkommen – und rechtzeitig die Kurve zu kriegen. 350 www.fondsprofessionell.de | 2/2019 steuer & recht I nießbrauch

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=