FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2019

Ja, ich rechne mit einem Abschwung. Aber wann es so weit ist, weiß ich auch nicht (lacht) . Im Ernst: Wir befinden uns in einem späten Stadium des Konjunkturzyklus. Welt- weit betrachtet ist die Arbeitslosigkeit relativ gering, die Investitionen der Unternehmen sind hoch, besonders in Asien. Die Frage ist, welcher Funke eine Rezession auslösen könn- te. Vielleicht verschärft sich der Handelskrieg, vielleicht aber auch nicht. Vielleicht steigen die Zinsen, was eine Abkühlung nach sich ziehen würde. Derzeit sieht es jedoch nicht so aus, als würden die Notenbanken auf Zins- erhöhungen hinarbeiten. Daher kursieren sehr unterschiedliche Szenarien, wie das Jahr 2019 enden könnte. Angesichts der Gefahren: Nutzen Sie Risikomanagementverfahren beim Auf- bau des Portfolios? Die Zusammensetzung des Fonds richtet sich in erster Linie danach, wo ich aussichtsreiche Investmentideen finde. Indem ich nach indi- viduellen Nischen suche, die falsch bewertet sind, ist das Risikomanagement praktisch in meinem Investmentstil verankert. Die einzel- nen Bausteine sollten sich allerdings nicht zu einem Gesamtbild zusammenfügen, das völlig bizarr aussieht. Daher nutze ich die Instru- mente des Risikomanagements. Ich setze sie aber erst ein, nachdem ich einzelne Aktien ausgewählt habe. Zudem sollte man die statis- tischen Korrelationen, auf denen diese Werk- zeuge beruhen, nicht überschätzen. Wieso? Statistische Korrelationen können kollabieren. Ein gutes Beispiel sind forderungsbesicherte Wertpapiere. Die sogenannten Collateralized Debt Obligations hatten auf Basis der statisti- schen Analyse historischer Daten eine mini- male Ausfallwahrscheinlichkeit und glänzten mit Top-Ratings. Doch in der Finanzkrise offenbarte sich, dass diese Papiere längst nicht so sicher waren wie gedacht. Ich glaube, dass Risikomanagementsysteme nützlich sind; sie sind jedoch nicht die alleinige Quelle der Weisheit. Wie loten Sie dann Risiken aus? Ich habe ein eigenes fundamentales Analyse- verfahren entwickelt. Dieses richtet sich nach den Cashflows der Unternehmen und dem Verhältnis zum Aktienkurs. Wobei die Ent- wicklung des Cashflows ausschlaggebend ist – und nicht der Verlauf des Aktienkurses. Je nach Unternehmen können die Cashflows einen stetigen defensiven Charakter haben oder einen eher zyklischen. Bei Technolo- gieunternehmen klafft beispielsweise ein gro- ßer Unterschied zwischen SAP und Infineon. Bei SAP entspringen viele Einnahmen regel- mäßigen, wiederkehrenden Abonnement- und Wartungsgebühren. Die Erträge von Infineon hingegen entspringen zu großen Teilen den Chipverkäufen, die sehr zyklisch ausfallen. Sie messen Risiken allein am Cashflow? Zudem untersuche ich, welcher Region die Erträge entspringen. Viele Firmen erzielen ihre Erlöse nicht allein auf ihrem Heimatmarkt, son- dern europa- oder gar weltweit. Bei Unterneh- men wie SAP oder Roche stammt ein erhebli- cher Teil der Einnahmen aus den USA, bei Louis Vuitton oder BMW entspringen sie dem Geschäft in China. Letztendlich versuche ich die Titel so auszuwählen, dass die Zahlungs- ströme von ihrem geografischen Ursprung her möglichst gleichmäßig gestreut sind. Welches war Ihr schlechtestes Invest- ment? Da fällt mir Serco Outsourcing ein. Das Un- ternehmen hat sich darauf spezialisiert, Regie- rungsdienstleistungen zu übernehmen. Staaten wie USA, Großbritannien oder Australien gaben hoheitliche Aufgaben an private Unter- nehmen ab. Dieses Geschäftsmodell war eigentlich stabil. Die Aufträge wurden lang- fristig vergeben und waren lukrativ. Infolge nicht vorhersehbarer Unregelmäßigkeiten ge- riet der Kurs von Serco Outsourcing erheblich unter Druck. Ich verkaufte das Papier mit mehr als 20 Prozent Verlust. Danach fiel die Aktie allerdings noch deutlich tiefer. Und was war Ihr bestes Investment? Eine der besten Ideen war die Amadeus IT Group. Die Gesellschaft betreibt ein sehr erfolgreiches Buchungssystem für Fluggesell- schaften und ist unangefochtener Weltmarkt- führer. Ich kaufte das Unternehmen, als die Eurokrise grassierte. Damals richteten die meisten Marktteilnehmer allein den Blick da- rauf, dass Amadeus seinen Sitz in Spanien hat – also einem krisengeschüttelten Peripherie- land. Spanische Aktien zu kaufen galt als ge- fährlich. Dabei übersahen viele Anleger, dass Amadeus weltweit aktiv ist. Somit war die Aktie sehr günstig. Seither expandierte das Unternehmen massiv, der Aktienkurs hat sich seit 2011 mehr als vervierfacht. Vielen Dank für das Gespräch. SEBASTIAN ERTINGER | FP » Ich glaube, dass Risiko- managementsysteme nützlich sind. Sie sind jedoch nicht die alleinige Quelle der Weisheit. « Matt Siddle, Fidelity International Foto: © Andy Lane Matt Siddle: „Wir befinden uns in einem späten Stadium des Konjunkturzyklus. Die Frage ist, welcher Funke eine Rezession auslösen könnte.“ Matt Siddle Matt Siddle startete seine Laufbahn 1999 als Analyst bei Fidelity International. Er beobachtete zunächst die Branche der Versicherer und Finanzdienstleister, später Medien- und Technologieunternehmen. Im Jahr 2007 stieg er zum Portfolio Manager auf. Seit 2010 lenkt er den Fidelity European Larger Companies Fund, im Jahr 2012 übernahm er auch beim Flaggschiff Fidelity European Growth die Verantwortung. Siddle studierte Wirtschaft an der Universität von Cambridge. markt & strategie I matt siddle | fidelity international 126 www.fondsprofessionell.de | 3/2019

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