FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2019

intensiver mit dem Thema auseinandersetzt, beginnt man eben, selbst im eigenen Unter- nehmen alles in Frage zu stellen. Es ist unsere Aufgabe als Teil der Investmentindustrie, diese Themen anzusprechen und anzustoßen, um am Ende eine positive Gesamtwirkung zu entfalten. Schon deshalb ist der Umweltaspekt auch aus meiner Sicht als gleichberechtigt wichtig einzu- schätzen. Mayer: Dennoch bleibe ich dabei, dass wir uns eigentlich nur in dieser Situation befinden, weil die Politik nicht in der Lage ist, ihre Hausaufga- ben zu machen. Weil man sich nicht traut, den Wählern reinen Wein einzuschenken. Dann sollen sie doch endlich den CO 2 -Verbrauch sinnvoll bepreisen und Regeln in Bezug auf Menschen- und Arbeitnehmerrechte aufstel- len. Denn diese fehlenden Regeln sind doch der Grund, weshalb wir alle hier am Tisch darüber diskutieren. Aber weil die Politik ge- nau das nicht schafft, versucht sie, die Last abzuwälzen auf die Unternehmen, die für entsprechende Regeln sorgen sollen. Aber das eigentliche Ziel, einen sauberen Ord- nungsrahmen für die Wirtschaft aufzustellen, in dem Unternehmen dann nach bestem Wissen und Gewissen agieren können und in dem wir als Anleger nach bestemWissen und Gewissen investieren können, das fällt im Moment hinten runter. Heuser: Aber genau deshalb müsste doch die Investmentindustrie ein Interesse daran haben, an der Findung dieses Ord- nungsrahmens mitzuarbeiten, bevor die Politik die Leitplanken in einer Weise setzt, wie man sie eigentlich gar nicht haben will? Richter: Das tun wir, wir arbeiten mit Hoch- druck daran! Das Thema Nachhaltigkeit ist für die Fondswirtschaft eine große Chance. Eine ESG-Regulierung auf EU-Ebene wird die Rolle des aktiven Fondsmanagements stärken; die Titelselektion rückt damit in den Fokus. Als der BVI im Jahr 2012 seine Leit- linien zum verantwortlichen Investieren verabschiedet hat, war das noch ein Rand- thema. Heute ist die Branche ganz vorn mit dabei und bietet entsprechende Produkte an. Die EU will über die Lenkung der Kapital- ströme nun erreichen, dass nachhaltige Wirt- schaftsbereiche und Produktionsverfahren unterstützt werden. Bis 2050 soll die EU- Wirtschaft klimaneutral sein. Der Fonds- branche als bedeutende Kapitalsammelstelle kommt damit eine Schlüsselrolle zu, die sie gern wahrnimmt. Aber das Korsett sollte Asset Manager am Ende nicht unverhältnismäßig ein- schnüren. Erstens muss es Asset Managern auf der Ebene der Anlagestrategie nach wie vor frei- stehen, welche ESG-Anlagestrategie sie ver- folgen wollen; nur so sind ein gesunder Wettbe- werb und Fortschritt möglich. Zweitens sollten wir darauf achten, dass am Ende die Anlage- freiheit der Investoren erhalten bleibt. Es kann nicht sein, dass Anleger am Ende nicht mehr frei entscheiden können, worin sie investieren. Denn dadurch würde eine intensive Auseinander- setzung mit der Nachhaltigkeit der Unterneh- men, in die investiert werden soll, unterbunden und ersetzt durch ein bloßes Abhaken regula- torischer Vorschriften. Letztlich würde damit der Wandel zu mehr nachhaltigen Anlagen an Dynamik verlieren. Kienel: Eine Überregulierung wäre sicher auch aus unserer Sicht der falsche Weg. Es wäre aber schon gewonnen, wenn der Regulator für eine größere Transparenz auf Seiten der Unter- nehmen sorgen würde. Ich würde in diesem Zusammenhang aber ungern von Politikversagen sprechen, wie das zum Teil hier angeklungen ist. Versäumnis beschreibt es aus meiner Sicht besser, denn die wesentlichen Leitlinien sind ja im Grunde gesetzt. Es gibt nun einmal seit 2015 die im Pariser Abkommen formulierten Ziele. Die sind aus meiner Sicht vollkommen klar und beziehen sich eben nicht nur auf das Thema Klimawandel. Daher kommt natürlich der Finanzindustrie so etwas wie eine Schlüsselrolle und eine besondere Verantwortung in Bezug auf die Erreichung dieser Ziele zu. Dass es vor diesem Hintergrund durch die Regulierung zu einer verstärkten Lenkung von Finanzströmen kommt, ist aus meiner Sicht im Sinne der Anle- ger, aber auch im Sinne der Gesamtgesellschaft zu begrüßen. Heuser: Ich bedanke mich für eine inter- essante Diskussion. HANS HEUSER | FP Walter Liebe (Pictet Asset Management): „Wir sehen eine kontinuierlich steigende Nachfrage nach Investmentpro- zessen, die auf entsprechenden ESG-Kriterien basieren.“ 284 www.fondsprofessionell.de | 3/2019 roundtable I nachhaltiges investieren I esg » Für einen Asset Manager ohne vollumfängliche ESG- Integration und dezidierte Nachhaltigkeitsansätze wird künftig kein Geschäft mehr zu machen sein. « Walter Liebe, Pictet Asset Management Fotos: © Jose Poblete Die Diskussion mit Experten der Fondsbranche hat eines gezeigt: Es gibt noch viel zu tun bei der Umsetzung des EU-Aktionsplans zu mehr Nachhaltigkeit in der Finanzindustrie.

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