FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2019

Foto: © Sarah Weal I m März 2018 legte die EU-Kommis- sion ihren Aktionsplan zur Finanzie- rung nachhaltigen Wachstums vor. Damit soll dem Pariser Klimaabkommen Rechnung getragen werden, wonach Finanzströme in Übereinstimmung mit den globalen Klimazielen gebracht wer- den sollen. Ein Ziel des EU-Plans ist die Klassifizierung nachhaltiger Wirtschafts- aktivitäten, kurz EU-Taxonomie. Im Juni hat die dafür eingesetzte Technical Expert Group (TEG) ihren Bericht vorgelegt. Wir haben dazu mit Nathan Fabian, Chief Investment Officer der Investoreninitiative PRI und Rapporteur der TEG, in seinem Londoner Büro gesprochen. Herr Fabian, dass ein Klassifizie- rungssystem zur Nachhaltigkeit für institutionelle Anleger und Anbieter von Finanzprodukten ein gutes Werkzeug darstellt, leuchtet ein. Aber was sollen eigentlich Finanzberater und deren Pri- vatkunden mit der Taxonomie anfangen? Nathan Fabian: Es wird Sie nicht über- raschen, wenn ich sage, dass ich sie für alle genannten Gruppen als sehr wichtig erachte. Der Profi braucht unbedingt ein Instrument, oder, besser gesagt, einen Standard, mit dem er seine eigenen Investments oder auch Finanzprodukte, die ihm angeboten werden, ordnen, vergleichen oder eben auch beurteilen kann. Privatanleger werden sich vielleicht schwertun, alle in dem Rahmenwerk enthal- tenen Aspekte im Zusammenhang mit der Portfoliokonstruktion, dem Risikomanage- ment sowie Investmententscheidungen nach- zuvollziehen und im Detail zu verstehen. Er oder sie will aber vielleicht einfach eine Orientierungsmöglichkeit haben, um zu ver- stehen, ob die Performance eines Investment- fonds ökologisch sinnvoll erzielt wurde oder eben nicht. Dazu bedarf es einer solchen Benchmark wie der Taxonomie, einer im Grunde simplen Offenlegung nachvollzieh- barer Nachhaltigkeitskriterien für ein be- stimmtes Investment. Aber können Sie mit dem aktuellen Stand wirklich zufrieden sein? Bisher deckt die Taxonomie gerade einmal zwei von insgesamt sechs Umweltzielen ab. Kriterien für Sozialstandards sind noch gar nicht erarbeitet. Die von der EU eingesetzte technische Exper- tengruppe, abgekürzt TEG, ist zumindest wei- ter gegangen als alles zuvor zu dem Thema jemals Erarbeitete. Und wir haben in sehr schneller Zeit eine größere Tiefe erreicht als jeder andere zuvor. Daher ist ein ernst zu neh- mender und substanzieller Anfang gemacht. Das Taxonomie-Instrument kann jetzt genutzt werden, und es wird sich als nützlich für Investoren erweisen. Davon abgesehen ist natürlich noch sehr viel Arbeit zu leisten – zu- mal es darum gehen wird, dieses Rahmen- werk dynamisch weiterzuentwickeln. Deshalb haben wir der EU-Kommission bereits emp- fohlen, einen Prozess für die regelmäßige Überprüfung der Kriterien in sinnvollen Zeit- abschnitten einzurichten. Kurz vor unserem Gespräch kamen Nachrichten auf, wonach die Implemen- tierung der Taxonomie nun doch nicht im kommenden Jahr erfolgen soll, son- dern erst Ende 2022. Klären Sie uns bitte auf. Die TEG prüft derzeit das Feedback, das die Stakeholder zu unserem Bericht vom Juni 2019 abgegeben haben. Es geht da- rum zu beurteilen, ob eine der Rückmel- dungen eine Änderung einzelner Kriterien rechtfertigen würde, die wir für die wirt- schaftlichen Aktivitäten in der Taxonomie festgelegt haben. Wir arbeiten zudem an einigen zusätzlichen Werkzeugen, um die Taxonomie für Investoren nutzbarer zu machen. Und auch die Arbeit an den Kriterien zur Klimaanpassung schreitet weiter voran. Diese wird bis Ende des Jahres fortgesetzt, denn sie ist Teil der technischen Arbeit an der Taxonomie. Se- parat und nicht in der Verantwortung der TEG erfolgen die politischen Verhandlun- gen über die Umsetzung der Verordnung. Das geschieht bis Ende Dezember im Trilog zwi- schen den EU-Organen Parlament, Rat und Kommission, wo über den endgültigen Wort- laut der Verordnung verhandelt wird. Zum jetzigen Zeitpunkt wissen wir daher nicht, ob die Umsetzung der Verordnung bereits Mitte 2020 oder erst Ende 2022 erfolgen wird. Was erwarten Sie? Ich erwarte, dass die Umsetzung noch vor 2022 erfolgt. Es wird wohl auf eine Imple- mentierung im Jahr 2021 hinauslaufen. Denn auch wenn noch viele Aspekte in Bezug auf unseren Vorschlag zu verhandeln sein werden: Eine Verschiebung auf 2022 wäre zu weit. Denn zum einen drängt die Zeit, zum anderen wächst der Markt für nachhaltige Investments rasant. Nahezu jeden Tag werden neue Finanz- produkte aufgelegt, deren Umweltaspekte nicht eindeutig klar sind. Das ist nicht nur schlecht für die Märkte und deren Teilnehmer, sondern auch für die Investoren. Daher brau- chen wir einen möglichst frühen Beginn. Welche Länder betreiben eine Verschie- bung? Genannt wurden Deutschland, Österreich und Luxemburg. Einige Marktteilnehmer fürchten, dass es mit der Implementierung der sogenannten EU-Taxonomie zur Klassi- fizierung nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten eine Art zentralen Plan geben wird, der vorschreibt, wo man investieren darf und wo nicht. Entwarnung in dieser Beziehung gibt Nathan Fabian , CIO der UN-Initiative PRI. „Es wird keine Pflichtenliste » Die Taxonomie ist kein System zur Identifizierung guter oder schlechter Unternehmen. Es ist eine Liste von Standards zur Offen- legung von Umweltkrite- rien in Unternehmen . « Nathan Fabian, CIO der UN-Initiative PRI markt & strategie I nathan fabian |un-initiative pri 172 www.fondsprofessionell.de | 4/2019

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