FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2020

ED I TOR I A L www.fondsprofessionell.de | 1/2020 11 Ein Puffer für den nächsten Crash Fast elf Jahre hielt die Börsen- rally an – bis der Schwarze Schwan in Form eines winzi- gen Virus um die Ecke lugte. Der Corona-Crash prügelte alles nach unten, was mit Risiko behaftet scheint: von Aktien über Rohstoffe bis hin zu Anleihen von Unternehmen und aus Schwellenländern. Kein Wunder, dass schnell vom „Lehman-Moment“ die Rede war. Wer da als Fondsanleger auf der sicheren Seite sein wollte, hatte im Wesentlichen zwei Möglich- keiten: Er setzte auf Staatsanleihen solider Schuldner – oder auf offene Immobilienfonds. Die Immobilienfonds hatten sich auch in der Lehman- Krise zunächst wacker gehalten. Dann aber wurde ihr Konstruktionsfehler umso drastischer offenbar: Anleger zogen ihr Geld deutlich schneller ab, als die Anbieter die Immobilien versilbern konnten. In der Folge musste ein gutes Dutzend dieser Fonds eingefroren und abgewickelt werden, zum Teil mit hohem Verlust. Die gute Nachricht: Dieses Szenario dürfte sich nicht wiederholen. Denn als Reaktion auf die Krise bestimmte der Gesetzgeber, dass Anleger ihren Ausstieg zwölf Monate im Voraus ankün- digen müssen. Das gibt dem Fondsmanager Zeit, in aller Ruhe Objekte zu veräußern. Gut möglich, dass die Corona-Krise die Fonds dazu zwingt, den Wert einiger Immobilien nach unten zu korrigieren. Die Haltefrist sorgt aber dafür, dass die Manager keine Notverkäufe tätigen müssen. Das ist nicht nur im Sinne der Kleinanleger, sondern stabilisiert auch den Immobilienmarkt. Manager vieler anderer Publikumsfonds erleben dage- gen harte Zeiten, wenn sie einerseits Mittelabflüsse bedienen sollen, andererseits aber merken, dass einige ihrer Wertpapiere deutlich illiquider sind als in guten Zei- ten erwartet. Sie werden um den einen oder anderen Notverkauf nicht umhinkommen. Bedauerlicherweise kam der Crash gewissermaßen eini- ge Wochen zu früh. Denn schon bald werden die deut- schen Kapitalverwaltungsgesellschaften die Möglichkeit haben, auch für ihre Wertpapierpublikumsfonds Rückga- befristen einzuführen (siehe Seite 410). Noch vor Kurzem schien es undenkbar, dass die Anbieter die Liquidität ihrer Fonds freiwillig beschränken würden, schließlich ist die tägliche Handelbarkeit ein wichtiges Vermarktungs- argument. Doch womöglich sorgt der Corona-Crash für ein Umdenken. Im Sinne des langfristigen Investierens und der Stabilität der Märkte ist es hilfreich, wenn ein Fondsanteil nicht ad hoc abgestoßen werden kann, sondern erst nach einer gewissen Bedenkzeit. Ihr Bernd Mikosch Chefredakteur

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