FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2020

Foto: © daizuoxin | stock.adobe.com E ine strenge Ermahnung der Asset-Ma- nagement-Industrie – das war eine der letzten Amtshandlungen von Andrew Bailey als Chef der britischen Finanzaufsicht FCA, bevor er im März an die Spitze der Bank of England wechselte. Bailey ließ seine Behörde ein Rund- schreiben mit der dringenden Auf- forderung an die Führungsetagen der Fondsgesellschaften verfassen, sich für die Ende 2021 anstehende Ablöse der London Interbank Offered Rate, kurz Libor, durch neue Geldmarkt- sätze zu rüsten. Diese Umstellung erweist sich als gigantisches Unterfangen für die gesamte Finanzbranche. Neben dem Libor, der in fünf Währungen berech- net wird, steht auch der Euro-Geld- marktsatz Eonia vor demAus. Rund um den Globus stützen sich dem Finanzstabilitätsrat der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zufolge Kredite, Anleihen oder ande- re Finanzinstrumente mit einem nominal ausstehenden Volumen von rund 370 Billionen US-Dollar auf die Geld- marktsätze. Fallen sie als Referenz weg, wird den entsprechenden Wertpapieren die Basis entzogen. „Es gibt keinen Zweifel an der Tragweite dieser Umstellung“, meint Matthias Degen von der Beratungsgesellschaft KPMG. „Das Volumen, das hier auf dem Spiel steht, ist enorm.“ Dieser Umbruch hat auch für Portfolio- manager gravierende Folgen. Denn sie greifen oft auf Anleihen oder Finanzderivate zurück, die an einen der Leitsätze gekoppelt sind. Oder die Fonds selbst messen ihre Wertent- wicklung anhand dieser Maßstäbe. Die Bera- tungsgesellschaft Oliver Wyman hat in einer Analyse auf Basis von Morningstar-Daten kalkuliert, dass neben Geldmarkt- und Anlei- hefonds insbesondere Misch- und alternative Fonds einen der drei Leitsätze Libor, Eonia oder Euribor als Messlatte nutzen (siehe Gra- fik). Zudem fließen die als sicherer Zins geltenden Werte auch im Hintergrund in Risi- komodelle oder Wertberechnungen ein. Massive Manipulation Notwendig geworden war die gewaltige Austauschaktion wegen der schwerwiegenden Manipulationen, die seit 2011 bekannt wurden. Zahlreiche Banken, die zur Festsetzung der Referenzsätze beitragen, hatten falsche Daten gemeldet. Behörden weltweit verhängten dar- aufhin Bußgelder gegen Banken in Höhe von fast zehn Milliarden Dollar. Mehrere Händler, die an den Manipulationen maßgeblich beteiligt waren, wurden zu teils langjährigen Haftstrafen ver- urteilt. Zudem beschlossen die Regu- lierer eine umfassende Reform. Als ersten Schritt entzog die FCA der London Stock Exchange die Feststellung der Libor-Werte und übertrug sie dem Börsenplatzbetrei- ber NYSE. Zudem soll die Libor- Festsetzung nach Wunsch der Aufse- her auslaufen. „Ich erwarte, dass sich per Ende 2021 die Banken aus dem Libor-Meldesystem zurückziehen“, sagt FCA-Chef Bailey. Reichen auf Druck der Regulierer immer weniger Institute Datensätze ein, gilt der Geldmarktindikator nicht mehr als re- präsentativ. Viele Finanzinstrumente müssen sich dann an anderen Mess- latten orientieren. Auch die Europäi- Nach den Manipulationen von Geldmarktsätzen wie dem Libor steht der Umstieg auf neue Leitindizes an. Das hat auch für die Fondsbranche weitreichende Folgen. Spur wechsel Weichenstellung: Nach dem Willen der Finanzaufseher läuft die Berechnung von Leitzinsen wie Libor und Eonia im kommenden Jahr aus. Die Finanzbranche muss für Instrumente mit einem Billionenwert neue Referenzen finden. Bedeutender Maßstab Fondskategorien mit der höchsten Leitzins-Abhängigkeit Die Beratungsgesellschaft Oliver Wyman berechnete anhand von Morning- star-Daten das Volumen von Fonds, die sich an Geldmarktsätzen messen. *Verwaltetes Vermögen der jeweiligen Morningstar-Gesamtgruppe Quelle: Morningstar, Oliver Wyman, Investment Association; Stand: Februar 2019 Alternative 840 Mrd. USD* Mischfonds 3.645 Mrd. USD* Geldmarkt 4.335 Mrd. USD* Anleihen 8.530 Mrd. USD* 84 Mrd. 85 Mrd. 84 Mrd. 390 Mrd. 17 Mrd. 43 Mrd. 109 Mrd. 36 Mrd. 36 Mrd. 59 Mrd. 34 Mrd. 84 Mrd. Libor Euribor Eonia Volumen von Fonds weltweit mit Libor & Co. als Vergleichsindex nach ausgewählten Morningstar-Kategorien 130 www.fondsprofessionell.de | 1/2020 markt & strategie I libor-ablöse

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