FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2020

Foto: © VR-Bank Kaufbeuren-Ostallgäu N ot macht bekanntlich erfinderisch. Und angespannte Situationen fördern zuwei- len die besten Einfälle zutage. So war es im Jahr 2015 auch bei der VR-Bank Kauf- beuren-Ostallgäu. Nachdem die Bank ihr Fi- lialnetz gestrafft hatte, dachten Florian Hutter, Leiter Prozess- und Projektmanagement, und seine Kollegen darüber nach, wie es nun wei- tergehen sollte. „Wir haben uns überlegt, wie wir weiterhin als Ansprechpartner vor Ort sein können und gleichzeitig die Kosten im Griff haben, ohne dabei das typische Merkmal einer Regionalbank, unsere USP, zu verlieren“, be- richtet Hutter. Die VR-Bank Kaufbeuren- Ostallgäu sollte in der Fläche präsent bleiben. Andererseits lohnten sich Öffnungszeiten von neun bis 16 Uhr und gut besetzte Filialen an- gesichts weiter sinkender Kundenbesuche im- mer weniger. In dieser Gemengelage kam Hutter der Zufall zu Hilfe. Am Münchner Flughafen entdeckte er einen großen Monitor in Hochformat. Darauf zu sehen war eine junge Frau, die einem Flug- gast gerade live etwas erklärte. „Das könnte doch auch für uns etwas sein“, dachte sich Hutter. Schließlich hatte der Flughafen mit dem Videoservice ein Problem gelöst, vor dem seine Bank in ähnlicher Weise stand: Kunden sollen persönlich betreut werden, ohne dass dafür zu viele Mitarbeiter beschäf- tigt werden müssen. Ein Modell, bei dem einige wenige Berater in einem zentralen Raum arbeiten und sich auf einen Bildschirm schalten, sobald in einer Bankfiliale ihre Unterstützung benötigt wird – das war die zündende Idee. Hutter kontak- tierte alsbald die Technik-Tochter des Münch- ner Flughafens Infogate, die das Videoservice entwickelt hatte. Zwei Jahre später gingen die ersten Telepräsenz-Terminals in vier Ge- schäftsstellen der VR-Bank Kaufbeuren- Ostallgäu an den Start. Geschickte Variante Videoberatung kommt seit einiger Zeit gerade in kleineren Volks- und Raiffeisen- banken sowie in Sparkassen immer öfter zum Einsatz – eine geschickte Variante, wenn es darum geht, nah am Kunden zu sein und gleichzeitig überbordende Personalkosten zu vermeiden. Doch auch große Geschäftsban- ken und Versicherer entdecken die Betreuung per Video für sich. Statt Terminals in Ge- schäftsstellen bieten sie allerdings eher Lösun- gen für zu Hause an. Damit können ihre Kun- den sich abends auf dem heimischen Sofa ganz bequem über Geldanlage, Baufinanzie- rungen oder Fondspolicen beraten lassen – und die entsprechenden Verträge je nach Modell auch gleich abschließen. Für Fonds- und Versicherungsvermittler kann sich Video- beratung ebenfalls anbieten. In Zeiten von Corona ist dies allemal eine Überlegung wert. Auch im Einkaufszentrum Bei der VR-Bank Kaufbeuren-Ostallgäu ist die Pilotphase längst abgeschlossen. Seit 2019 setzt das Institut das Telepräsenzsystem mit Namen „Tellma“ in acht Filialen ein, ein wei- teres Terminal steht in einem Einkaufszen- trum. „In größeren Geschäftsstellen ergänzt die Videoberatung den Schalterbetrieb“, er- klärt Hutter. Das ist praktisch, wenn in der Bank zu Spitzenzeiten viel Betrieb herrscht. In kleinen Geschäftsstellen gibt es gar keine Bankschalter mehr. Und mit dem Monitor im Einkaufszentrum möchte das Institut seine Dienstleistungen auch Kunden anbieten, die auf ihren täglichen Wegen nicht an einer Filiale vorbeikommen. „Follow your Custo- mer“, nennt Hutter das. Betritt ein Kunde eine mit dem Tellma-Sys- tem ausgestattete Filiale der VR-Bank Kauf- beuren-Ostallgäu, ist die Sache ganz einfach. In der Geschäftsstelle Marktoberdorf zum Beispiel befindet sich gleich neben dem Geld- automaten eine offene Tür, die in den Video- raum führt. Passiert ein Kunde den Eingang, meldet ein Sensor an die Haustechnik: „Tür schließen.“ Im Kundenservice der Bank im 30 Kilometer entfernt gelegenen Pfronten erhält ein Mitarbeiter das Signal, dass ein Kunde jetzt Unterstützung benötigt. Er schal- tet sich auf das System auf und erscheint in Lebensgröße auf dem Bildschirm. „Guten Tag, was darf ich für Sie tun?“ – und schon kann es losgehen. „Wir nennen unser Service ganz bewusst nicht Video, sondern sprechen von Teleprä- senz“, erläutert Hutter. Denn anders als bei üblichen Videokommunikationssystemen sieht der Kunde über Tellma nicht nur das Gesicht Immer mehr Banken nutzen die Möglichkeiten der Videoberatung. Das ist nicht nur für den Kunden praktisch, die Institute sparen sich auch erhebliche Kosten. Aus der Ferne nah am Kunden „Guten Tag, was darf ich für Sie tun?“ Viele Banken setzen inzwischen Terminals ein, an denen Kunden von einem Mitarbeiter per Video beraten werden. Damit bleiben sie in der Fläche präsent und sparen gleichzeitig Personalkosten. 398 www.fondsprofessionell.de | 1/2020 bank & fonds I videoberatung

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=