FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2020

4 www.fondsprofessionell.de | 1/2020 brief der herausgeber N un ist es wieder einmal passiert – die Börsen befinden sich auf Talfahrt, und bei Drucklegung dieser Ausgabe war nicht ab- zuschätzen, wohin uns diese Bewegung führen wird. Dennoch steht fest: Egal wie tief der vor uns liegende konjunkturelle Einschnitt ausfällt, die Welt wird sich weiterdrehen, und die Wirtschaft und damit auch die Aktienkurse werden sich früher oder später erholen. Einige wenige werden sogar den Mut aufbringen, günstige Kurse für Käufe zu nutzen, und im nächsten Aufschwung in einer Nullzinswelt attraktive Erträge erwirtschaften. Andere werden erst wieder im nächs- ten Zyklus einsteigen und dabei etwas tun, was der Investmentstratege Philipp Vorndran für einen grundlegenden Fehler hält. In einem Pod- cast vom 17. 2. 2020, den man auf der Internetseite von Flossbach von Storch findet, erläutert er im Dialog mit seinem Kollegen Thomas Lehr, warum von Länder-, Regionen- und Branchenfonds nichts zu halten ist. Dieser Beitrag ist hörenswert, weil er ein Thema beleuchtet, über das man sich kaum Gedanken macht. Sieht man sich die Fondslisten der Datenbanklieferanten an, sind sie mehrheitlich in Länder, Regionen, Branchen und Themen kategorisiert. Das ist nach- vollziehbar, denn irgendwie muss man die vielen tausend Produkte ja einteilen, um so etwas wie Übersichtlichkeit zu schaffen. Wenn man diese Listen als Anleger, Berater oder Journalist aber jahrelang vor Augen hat, ist es fast unvermeidbar, dass man diese Kategorisie- rungen für eine wesentliche Grundlage des Investierens hält. Sie wer- den dann zum Ausgangspunkt von Anlageentscheidungen: Wer „Euroland“ gemessen an „USA“ für unterbewertet hält, kauft und empfiehlt „Euroland“. Sind „Finanzwerte Europa“ jahrelang stark gefallen, kommt man als antizyklisch agierender Anleger fast zwangs- läufig auf die Idee, die zuvor stark gestiegene „Technologie Nord- amerika“ abzustoßen und in deutsche Banken umzuschichten. Vorn- dran bezeichnet diese Herangehensweise aber als falsch, ja als unsinnig – und er hat dafür gute Argumente: Er vertritt die Ansicht, dass eine Fokussierung auf Länder, Branchen oder Themen an der Grundidee des Investierens vorbeigehe, dabei sei es egal, ob man zyklisch oder antizyklisch vorgeht. Ein Anleger, der die Aktie eines international tätigen Unternehmens, das in der Schweiz oder in Deutschland ansässig ist, kaufe ja gar nicht „die Schweiz“ oder „Deutschland“, denn die Umsätze im Heimatland tragen bei diesen Firmen nur zu einem geringen Teil zum Gesamtgeschäft bei. In einer global vernetzten Welt – und wie weit dieser Prozess fortgeschritten ist, bekommen wir derzeit ja eindrucksvoll vor Augen geführt – wi- derspräche jedes regional fokussierte Investment dem gesunden Men- schenverstand. Ein geografischer Investmentansatz wäre allenfalls zulässig, wenn man sich ansehen würde, woher die Erträge von Un- ternehmen kommen – da sich das aber vergleichsweise häufig ändere, gebe es dafür keine Indizes, daher bleibt es unbeachtet. Auch eine Orientierung an der Bewertung von Gesamtmärkten wie dem Dax oder dem S&P 500 sei wenig hilfreich. Eine Adjustierung solcher In- dexbewertungen anhand der Branchenallokation und der Unterneh- mensqualität zeige, das „gleichwertige“ Unternehmen ohnedies in beiden Regionen gleich teuer seien. Der Dax sei aber deshalb „güns- tiger“ (man beachte die Anführungszeichen) bewertet, weil er we- sentlich zyklischer ist als der US-Leitindex. Außerdem enthält er nicht im selben Ausmaß Technologiewerte und manche Branchen gar nicht. Was das Investment in Branchen betrifft, betont Vorndran, dass man auch in Sparten, die man für interessant hält, nie alle Unternehmen haben möchte. Für einen aktiven Manager seien stets das einzelne Unternehmen und sein Geschäftsmodell ausschlaggebend, wo die Gesellschaft börsennotiert ist, sei nebensächlich. Selbstverständlich müsse vor jedem Engagement geprüft werden, ob der Standort eines Unternehmens beziehungsweise die Wirtschaftspolitik des jeweiligen Landes günstig oder ungünstig seien – allerdings könne das nur ein Teilaspekt und nicht der erste Selektionsfilter sein. Die Flossbach- von-Storch-Experten machen auch gar keine Werbung für eigene Pro- dukte oder aktiv gemanagte Fonds. Vorndran hat kein Problem damit, dass Anleger globale Aktien-ETFs kaufen, entscheidend sei nur, dass global diversifiziert werde. Heißt das, dass Regionen oder Branchen- fonds sinnlos sind? Keineswegs, denn auch die Fondsanbieter ver- stehen ihre fokussierten Produkte als Bausteine für gut diversifizierte Portfolios und nicht als Wettinstrumente. Es geht nur darum, dass man sie auch so einsetzt. Wir bedanken uns an dieser Stelle wieder bei allen Teilnehmern am FONDS professionell KONGRESS, und wir hoffen, dass die ak- tuellen Probleme beim Kongress 2021 bereits Geschichte sind. Gerhard Führing Mamdouh El-Morsi Wie vernünftig ist das Investment in Regionen und Branchen? Der Flossbach-von-Storch- Anlagestratege Philipp Vorndran sagt: gar nicht. Er hält es für einen Kardinalfehler. Investments globalisieren Foto: © Marlene Fröhlich Gerhard Führing, Mamdouh El-Morsi

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