FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2020

gen wird das Programm von den drei Elementen ESM, EIB und „Sure“. Was halten Sie davon, und wird das reichen? Ich verstehe, dass man Ländern wie Italien helfen muss, die besonders von der Epidemie betroffen sind. Allerdings weiß ich nicht, wieso man dazu einen Fonds auflegen muss. Die Mitgliedsländer der EU könnten höhere Beiträge aufbringen, und die EU kann sie dann an die bedürftigen Länder verteilen. Die Fondslösung hat den Nachteil, dass man die Ausgaben zulasten der zukünftigen Genera- tionen macht, die derzeit noch gar nicht mit- reden können. Das ist ziemlich gemein, denn diejenigen, die man damit trifft, haben ohne- hin schon immense Rentenlasten zu tragen, die sie kaum werden schultern können. Außerdem lädt sie die EZB zur Monetisie- rung der Schuldtitel ein. Wird die Coronakrise eine neue Euro- krise auslösen? Ja. Sie wird durch immer mehr fiskalische Gemeinschaftshilfen in Schach gehalten. Die Krise verlagert sich dadurch von den Finanzmärkten in die Staatsbudgets. Die Konsequenz ist ein wachsender Generatio- nenkonflikt nebst einer Steuerquote, die schädlich für die Wirtschaft und den inter- nationalen Standortwettbewerb ist. Könnte die Idee der Aufteilung der Eurozone in einen „harten“ und einen „schwachen“ Euro wieder ins Blickfeld rücken? Ja, Olaf Henkel hat dies schon vor Jahren vorgeschlagen. Das Thema drängt sich auf. Ich hoffe, wir können das noch verhin- dern, allerdings bin ich nicht bereit, dafür jeden Preis zu zahlen. Wie würde Ihre Lösung für die am stärksten von der Krise betroffenen Euroländer aussehen? Ich würde eine atmende Währungsunion vorschlagen. Die überschuldeten Länder sind zu teuer und nicht wettbewerbsfähig. Die Verschuldung trieb die Preise hoch, die hohen Preise zerstörten die Wettbe- werbsfähigkeit, und gegen die fehlende Wettbewerbsfähigkeit will man nun mit neuen Schulden angehen. Eine Teufels- spirale. Was muss man sich unter einer „atmen- den Währungsunion“ vorstellen? Eine atmende Währungsunion bedeutet, dass Länder, die zu teuer geworden sind, aus dem Euro ausscheiden können, abwer- ten, dadurch wettbewerbsfähig werden und nach ein paar Jahren der Stabilisierung er- neut Mitglied werden können, dann aber zu einem anderen Wechselkurs. Für wie wahrscheinlich halten Sie die Umsetzung einer, wie Sie es bezeichnen, „atmenden Währungsunion“? Es wird nicht umgesetzt werden. Europa wird seine falsche Politik noch sehr lange durch- führen und in ein schleichendes Siechtum übergehen. Wie muss man sich ein solches Szenario im Detail vorstellen? Man muss sich Verhältnisse wie in Japan seit 1990 vorstellen. Japan war seitdem unter den größeren Staaten das am langsamsten wach- sende Land der Welt. Welche langfristigen Auswirkungen sind für die Weltwirtschaft zu erwarten? Kommt es zu einer Deglobalisierung? Nein, es kommt nicht zu einer Deglobali- sierung. Der Trend wird sich nach der Überwindung der Krise fortsetzen. Viel- leicht gibt es nicht mehr so viel Personen- verkehr. Die Zunahme der Spezialisierung sollte nicht gestoppt werden, und sie wird auch nicht gestoppt werden, mit Ausnah- men vielleicht im Gesundheitsbereich. Da- zu sind die allseitigen Vorteile zu groß. Vielen Dank für das Gespräch. GEORG PANKL | FP » Nein, es kommt nicht zu einer Deglobalisierung. Der Trend wird sich nach der Überwindung der Krise fortsetzen. « Hans-Werner Sinn, emeritierter Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung Foto: © Marlene Fröhlich Hans-Werner Sinn Hans-Werner Sinn ist emeritierter Präsident des Ifo-Instituts und Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität Mün- chen. Er gründete und leitete das internationale CESifo- Forschernetzwerk und das Forschungsinstitut CES. Er war Vorsitzender des Weltverbandes der Finanzwissenschaftler (IIPF) und Vorsitzender des Vereins der deutschsprachigen Ökonomen (VfS). Er ist Mitglied der Leopoldina sowie Träger des Bayerischen Maximiliansordens für Wissenschaft und Kunst und erhielt vier Ehrendoktorwürden. In den letzten Jahren beschäftigte sich Hans-Werner Sinn vor allem mit der Euro- krise, der Europäischen Zentralbank, dem Brexit, mit Demo- grafie und Migration sowie mit grüner Energie. Hans-Werner Sinn: „Die Konsequenz ist ein wachsender Generationenkonflikt nebst einer Steuerquote, die schädlich für die Wirtschaft und den internationalen Standortwettbewerb ist.“ markt & strategie I hans-werner sinn | ifo-institut für wir tschaftsforschung 118 www.fondsprofessionell.de | 2/2020

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